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Citizen Science in der DiskussionWarnung vor den Biohackern

Im Wissenschaftsbetrieb mögen nicht alle die engagierten Bürgerwissenschaftler. Sie könnten Sicherheitsstandards unterlaufen, wird befürchtet.

Bei den Vogelzählungen sind viele „Laienforscher“ dabei. Bild: imago/teutopress

BERLIN taz | Ist Citizen Science eine Gefahr für die Wissenschaft? Schon möglich, antwortete der Physiologe Günter Stock auf die gespielt-provokative Frage, mit der die Helmholtz-Gemeinschaft Deutscher Forschungszentren Anfang dieser Woche zur Debatte nach Berlin eingeladen hatte. Während die Sprecher der größten deutschen Forschungsorganisation den neuen Trend zur „Bürgerwissenschaft“ für eine gute Sache hielten und unterstützen, hob Günter Stock mahnend den Finger.

Sorge bereitet dem Präsidenten der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften und früheren Forschungschef des Pharmaunternehmens Schering die Bewegung des „Biohackings“, die sich in den USA verbreitet. In privaten Garagenlabors werden Erbgutanalysen und Gentech-Experimente durchgeführt. So sollten dort zum Beispiel auch gentechnisch veränderte „Leuchtpflanzen“ produziert werden, die dann weltweit per Internet bestellt werden könnten.

Die „Maker-Bewegung“ des Selbermachens bemächtigt sich der Biotechnologie. „Ich sehe das kritisch, weil eventuell Sicherheitsstandards weder eingehalten noch kontrolliert werden können“, mahnte Stock.

„Aufgrund mangelnder umfassender Kenntnis der möglichen Folgen könnte es also zu unerwünschten Nebeneffekten kommen, was wiederum der Wissenschaft selbst schaden könnte.“ Johannes Vogel, Leiter des Museums für Naturkunde in Berlin und Förderer der Internetplattform „Bürger schaffen Wissen“, begrüßte das zivilgesellschaftliche Engagement für die Forschung rundheraus. Dies treffe sich mit der „Bringschuld der Wissenschaft“ gegenüber der Gesellschaft.

Ob durch Citizen Science auch neue Themen eingebracht werden können, deren Bearbeitung das Wissenschaftssystem bisher verweigert hatte, wurde in der der Diskussion nur angerissen, aber zu wenig vertieft.

Dass Wissenschaft eines außerwissenschaftlichen „Korrektivs“ bedarf, war erstaunlicherweise allgemeiner Konsens in der Helmholtz-Runde. Stock wiederholte seine Kritik am Einfluss zivilgesellschaftlicher Organisationen auf die Forschungspolitik, worüber die taz im Sommer berichtet und damit eine breite Diskussion in der Wissenschaftspolitik ausgelöst hatte.

Der Einfluss derartiger Pressure Groups auf die Forschung könne verheerend sein, warnte Stock am Beispiel der Entlassung der EU-Wissenschaftsberaterin Anne Glover. „Und in der grünen Gentechnik liegt Deutschland um 15 Jahre gegenüber USA zurück“, konstatierte der Akademiepräsident. Womöglich aber auch Glück im Unglück: So sind hierzulande viel weniger bürgerwissenschaftliche Biohacker unterwegs.

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2 Kommentare

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  • Man könnte auch fragen „darf nur forschen, wer Gelder dafür einwerben kann?“

     

    Die Antwort sollte klar sein.

     

    @Rüdiger Trojok: Den Tipp mit für Amateure nutzbaren Standards finde ich klasse!

  • "Wissenschaftliche Beurteilungsfähigkeit zeichnet sich auch dadurch aus, dass man die Bedingungen des Experiments sowie die Ergebnisse kontextualisieren, sie in vorhandenes Wissen einbinden und kritisch reflektieren kann." (Stock)

     

    Eben das ist ja die Grundlage einer handlungsorientierten Citizen Science, gemäß dem Slogan (WARNUNG: Anglizismus!): "Learning by doing". Die im Grundgesetz verankerte Freiheit der Forschung kann nicht dahingehend interpretiert werden, dass einige wenige emeritierte Professoren (oder solche die das bald sein werden) dem Rest der Gesellschaft vorschreiben, dass sie nur zugucken darf wie andere Wissenschaft betreiben. Zumal mittlerweile unter jungen Studenten über 20% ein MINT Studium abschließen. Ein eigenständiges Handeln ist zwingend notwendig, um die von Herrn Stock geforderte Kompetenz zu erwerben. Je stärker die Bevormundung, desto weniger Lerneffekt.

     

    Ein derartiges Verständnis von Gesellschaft und Wissenschaft, wie es Herr Stock an den Tag legt ist meines Erachtens der größtmögliche Schaden für die Wissensgesellschaft - und je mehr er auf seiner Position herumreitet, desto länger wird die dringend nötige Modernisierung der Wissenskultur aufgeschoben.

    Es ist auch erstaunlich, das die TAZ in das selbe Horn wie Stock bläst, der als reaktionärer Konservativer bekannt ist...

     

    Übrigens: Was die etablierten Akademien leisten könnten um Citizen Science zu verbessern, wären sinnvolle und auch für Amateure anwendbare Standards zu etablieren und zu kommunizieren.

     

    Konkretes zur Veranstaltung hier:

    http://www.helmholtz.de/wissenschaft_und_gesellschaft/ist-citizen-science-eine-gefahr-fuer-die-wissenschaft-3441/