Christopher Street Day: Ein neuer Regenbogen
Der CSD entstand als Aufstand Schwarzer und Queers of Color – gegen Polizeigewalt. Dieser Ursprung sollte besonders jetzt sichtbar werden.
N ormalerweise würde ich dieser Tage anfangen, über den Christopher Street Day nachzudenken. Sechs Wochen vor der großen Pride-Parade würde ich mir erste Gedanken machen. Was anziehen – bequem oder extravagant? Geht man mit Baby zum lautesten, besoffensten queeren Event Berlins, oder lässt man Baby lieber daheim (mit wem)? Mag der andere Mann als kinky Paar auftreten, oder halten wir es casual?
Das wird in seiner gewohnten Form ausfallen – Großveranstaltungen bleiben vorerst untersagt. Ich bin nicht traurig darüber. Ehrlich gesagt bin ich erleichtert.
Ich hab den CSD nie gehasst, so, wie manch andere*r ihn hasst als unpolitisches Saufgelage mit irgendwelchen Firmen, die keine Steuern zahlen, aber sich über ihr Diversitymanagement freuen. Ich fand das immer okay: Blümchenheten haben Volksfeste sponsored by Audi, unser queeres Fest ist sponsored by Facebook. Außerdem: Sich zeigen, in Queerness, ist Politik genug. Einfach da sein und Spaß haben reicht als Widerstand gegen alle, die uns nicht sehen wollen. Zumindest nicht so. Gegen alle, für die wir uns sonst verstellen.
Das Privileg und zugleich der Fluch der Queers als Minderheit ist, dass wir uns mittels Verkleidung vor Gewalt schützen können. Die Gewalt geht dadurch nicht weg, wir internalisieren sie, das ist der Preis – aber die Möglichkeit besteht. Die meisten von uns, glaube ich, nutzen sie täglich.
Aufstand gegen Polizeigewalt
Die Rassismuserfahrung ist völlig anders, weil es gegen rassistische Gewalt keine Verkleidung gibt. Die Erfahrung Schwarzer Queers und Queers of Color unterscheidet sich von der von uns weißen Queers. Wir gehen unbehelligt durch die Straßen, solange wir aussehen, laufen, uns kleiden und reden, wie es genehm ist. Als Ausgleich für und als Ventil gegen den Selbsthass, der sich dadurch in uns aufbaut, bekommen wir einen CSD.
Ein CSD nach dem Muster der vergangenen Jahre hätte jedoch jetzt, im Kontrast zu den Black-Lives-Matter-Demos, vor allem eins getan: noch mal zur Schau gestellt, was weiße cis Queers sich mittlerweile erlauben können, wenn das Setting stimmt. Der CSD ist aber entstanden als Aufstand Schwarzer und Latina trans Frauen und Dragqueens. Gegen Polizeigewalt. 51 Jahre ist das her. Wir vergessen es immer mal wieder, weil sich der Tag als festlicher Spaziergang weißer cis Männer eingebrannt hat.
In den sozialen Medien wird derzeit ein Vorschlag für eine neue Pride-Flagge lanciert. Der Entwurf stammt von US-Designer*in Daniel Quasar und ergänzt die Regenbogenflagge durch braune und schwarze Streifen für die Rassismuserfahrung sowie durch die Farben des trans Pride. Die neuen Farben liegen dabei „quer“ zum Regenbogen, sie treffen sich, interagieren, existieren in Wechselwirkung, können nicht weggeschnitten werden. Vielleicht ist das auch die Gelegenheit, den Pride neu zu denken. Oder nicht neu. Sondern traditionell.
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