Insta, YouTube, Gott

Christliche In­flu­en­ce­r*in­nen gewinnen in Deutschland die Aufmerksamkeit von Zigtausenden. Einige von ihnen predigen besonders konservativen Glauben

Eine junge Frau, Jana Highholder, sitzt auf einem Sofa. Sie hat lockiges, blondes Jaar und lächelt, während sie einen Zeigefinger erhebt

Mit erhobenem Zeigefinger: Jana High­holder 2018 Foto: Joern Neumann/imago

Von Louis Berger

Die christlichen Influencerinnen Jana Highholder und Jasmin Neubauer präsentieren sich in ihrem neuen Podcasts „Jana & Jasmin“ selbstbewusst. „In Zeiten wie diesen gibt es auf alle mögliche gesellschaftlich relevante [sic!] Fragen tausende Antworten“, heißt es im Ankündiger. „Wir glauben: Nur eine davon ist wahr.“ Die beiden wollen nun „Tacheles reden“. Das tun sie auch schon auf ihren Instagramkanälen hiighholder und liebezurbibel: Zwischen beigefarbenen Bibelkacheln oder freundlichen Motivationsvideos äußern sie sich immer wieder politisch – und nähern sich zunehmend der politischen Rechten an.

„Wen soll ich als Christ wählen?“, fragt Neubauer etwa auf ihrem Kanal und versucht danach direkt selbst zu antworten. Als „persönliche Parameter“ führt sie unter anderem die „Erhaltung von Familie zwischen Mann, Frau & Kind“ oder das „Fernhalten von politischen Idelogien [sic!] im Kindergarten“ auf. Eine konkrete Wahlempfehlung gibt die Influencerin nicht, dennoch wird deutlich, welche Parteien ihren Ansprüchen genügen. Darüber hinaus trat Neubauer im Februar 2023 in einem YouTube-Video von Leonard Jäger auf, der sich als „Ketzer der Neuzeit“ inszeniert. Er störte im Januar 2023 einen queeren Gottesdienst an der Berliner Humboldt-Universität und machte diesen anschließend auf YouTube verächtlich. Im Video mit Neubauer sprechen sie über den biblischen Schöpfungsbericht – der dient Jäger als Legitimation für seine Störung. Die dort angeblich grundgelegte Geschlechterbinarität sei in Vergessenheit geraten.

Highholder und Neubauer machen für diese Vergessenheit etwas verantwortlich, das sie „Dekonstruktion“ nennen, also biblische Aussagen zu historisieren und im Licht der Gegenwart zu verstehen. Neubauer hält diese Form der Bibellektüre für eine „Irrlehre“, die Menschen krank mache. Gegen diese würden nur Treue zum biblischen Buchstaben und möglichst einfache Antworten helfen.

Die Verantwortlichen gehen auf Distanz und setzen auf Influ­encer*innen, die ein vielfältiges Bild vermitteln

Theologiestudentin Kira Beer begleitet die Entwicklung der beiden Influencerinnen seit längerer Zeit. Auch sie erzählt auf Instagram unter kira__beer von ihrem Glauben, verfolgt aber eine andere Strategie. Statt die eine einfache Antwort zu geben, ringt sie in oft ausführlichen Beiträgen mit ihrem Zweifel. Für Beer haben sich nicht die Positionen der Influencerinnen radikalisiert, sondern lediglich ihr Wille, diese offensiv zu vertreten. Die stärkere Präsenz progressiver Stimmen fordere rechte Chris­t*in­nen in ihrem Anspruch heraus, das „einzig wahre Christentum“ zu vertreten. Ihr politischer Einfluss sei jedoch schwer einzuschätzen, sagt Beer.

Von 2018 bis 2020 war Highholder mit einem YouTube-Kanal namens „Jana glaubt“ auch offiziell für die evangelische Kirche im Einsatz. Das Gemeinschaftswerk der Evangelischen Publizistik (GEP) und die Arbeitsgemeinschaft der Evangelischen Jugend (aej) verantworteten ihn gemeinsam. Er sollte junge Menschen mit einem auf sie zugeschnittenen Angebot für christliche Inhalte begeistern. Allerdings wurden schon zu dieser Zeit in Christ & Welt Vorwürfe gegen die Influencerin laut: Highholder sein ein „trojanisches Pferd“, das „biblizistische und evangelikale Positionen“ propagiere, so die evangelische Pfarrerin Hanna Jacobs. Inzwischen gehen die Verantwortlichen auf Distanz zu ihrem früheren Star. Das GEP unterstützt mit dem evangelischen Contentnetzwerk yeet lieber Influencer*innen, die ein vielfältiges Bild des Christentums vermitteln. Besonders eindrucksvoll zeigen zum Beispiel die queeren Pastorinnen Steffi und Ellen Radtke als andersamen ihren Familienalltag in Osnabrück. Aber während Highholder und Neubauer bei Instagram ohne institutionelle Unterstützung auf rund 60.000 und 70.000 Follows kommen, ist die Öffentlichkeit von andersamen mit 24.000 viel geringer. Und es warten neue Herausforderungen: Auf TikTok hat der Wettbewerb der religiösen In­flu­en­ce­r*in­nen gerade erst begonnen. Jasmin Neubauer ist schon dort und ihr erfolgreichstes Video wurde 185.00-mal angeschaut. Es handelt von der Hölle.