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Christian Wehrschütz und der ORFReporter ohne Grenzen auf Distanz

Der Konflikt um den ORF-Ukraine-Korrespondenten Christian Wehrschütz geht weiter. Ein Anwalt musste Reporter ohne Grenzen verlassen.

Christian Wehrschütz berichtet vorerst weiterhin aus der Ukraine – ohne Akkreditierung Foto: Rudi Gigler/imago

Wien taz | Christian Wehrschütz, der alleinige und umstrittene Ukraine-Korrespondent des ORF, sorgt weiter für Wirbel. Genauer gesagt ist es diesmal der Wiener Rechtsanwalt Gabriel Lansky, dessen Kanzlei Wehrschütz vertritt. Lansky ist einem möglichen Rauswurf aus dem Vorstand von „Reporter ohne Grenzen Österreich“ (ROG) durch eigenen Austritt zuvorgekommen.

Hintergrund ist ein Interessenskonflikt, den die taz kürzlich als erstes Medium öffentlich machte: Lanskys Kanzlei vertritt Wehrschütz, hat dies aber gegenüber ROG nicht offengelegt. Gleichzeitig ist Lansky vereinsintern als vehementer Fürsprecher Wehrschütz’ aufgetreten.

Der Hintergrund: Wehrschütz’ Akkreditierung als Journalist in der Ukraine ist bereits vor Wochen abgelaufen. Eine Verlängerung hängt noch in der Schwebe, nachdem Wehrschütz verbotenerweise die ukrainische Luftabwehr in Aktion gefilmt hatte. Außerdem bebilderte er einen Beitrag in den ORF-Hauptabendnachrichten fälschlicherweise mit zwei prorussischen Propagandavideos. Schon seit Beginn seiner Entsendung in die Ukraine 2014 wird seine immer wieder als russlandfreundliche wahrgenommene Berichterstattung kritisiert. Bereits 2019 verlor Wehrschütz seine Akkreditierung in der Ukraine. Nun könnte ihm das wieder drohen.

Drohung an Kritiker

Anwalt Lansky wollte dies bekämpfen und forderte ein Vorgehen des Vereins ROG, in dessen Vorstand er seit Jahren sitzt – ein klarer Interessenskonflikt. Noch brisanter wird dieser, da Lanskys Kanzlei im Auftrag von Wehrschütz sogenannte Slapp-Briefe an Kritiker des umstrittenen Journalisten verschickt. Slapp steht für „strategic lawsuit against public participation“, also strategische Klagen gegen öffentliche Kritik.

Zuletzt schickte Lanskys Kanzlei Anfang September ein derartiges Schreiben an einen finnischen Blogger, der sich intensiv mit russischer Desinformation beschäftigt und einen entsprechenden ausführlich belegten Beitrag über Wehrschütz schrieb. Der Blogger müsse seinen Beitrag löschen und entsprechende Aussagen künftig unterlassen, andernfalls werde er verklagt, heißt es in dem Anwaltsschreiben. Wehrschütz hatte ihm zuvor auf X (ehemals Twitter), für die breite Öffentlichkeit sichtbar, rechtliche Schritte angedroht. Dieses Vorgehen kann nicht anders denn als Einschüchterung verstanden werden, auch wenn Lansky einen Slapp-Charakter in Abrede stellt.

ROG war dieses Vorgehen offenbar nicht bekannt. Mindestens zwei weitere vergleichbare Fälle gab es von Lanskys Kanzlei im Auftrag von Wehrschütz, in einem kam es zum Gerichtsverfahren. Eine ROG-Vorstandssitzung am 2. Oktober behandelte diesen Interessenskonflikt und führte dazu, dass Lansky am Tag danach den Vereinsvorstand verließ. ROG sei ihm zufolge „nicht gewillt, seine Aufgabe im Interesse der Meinungsäußerungsfreiheit tatsächlich auch wahrzunehmen“.

Engagement für russische Oligarchen

Von einem „tatsächlichen Interessenskonflikt“ spricht hingegen ROG: „Die beruflichen Interessen einer Anwaltskanzlei, die u. a. Mandanten auch bei Klagen gegen Journalisten vertritt, kollidiert gelegentlich mit den Interessen einer zivilgesellschaftlichen Organisation, die sich dem Kampf gegen jegliche Form der Einschränkung von Presse- und Meinungsäußerungsfreiheit verschrieben hat.“ Nach intensiven Debatten habe sich Lansky „zu dem für beide Seiten schmerzhaften Schritt“ entschieden.

Lanskys Engagement für russische Oligarchen beurteilt ROG-Präsident Fritz Hausjell auf taz-Anfrage nicht als Problem: „Wen Lansky als Anwalt vertrat und vertritt, ging ROG solange nichts an, solange es nicht zu Interessenskollisionen gekommen war.“ Sollte Wehrschütz seine Akkreditierung in der Ukraine verlieren, werde es zu einer Stellungnahme von ROG kommen, so Hausjell. Diese Entscheidung ist noch nicht gefallen und liegt bei den Behörden in Kyjiw. Wehrschütz berichtet einstweilen weiter aus der Ukraine, offenbar ohne gültige Akkreditierung.

Mehrere Fragen bleiben offen: Warum lässt sich Wehrschütz nicht von der gut ausgestatteten ORF-Rechtsabteilung vertreten? Warum stattdessen ausgerechnet von Lanskys Kanzlei, die auch die Föderation Russland sowie mehrere von der EU sanktionierte Oligarchen vertritt? Wer bezahlt die Anwaltskosten – der ORF, also alle Gebührenzahler? All diese Fragen wollte Lansky nicht beantworten. Entsprechende Anfragen beantworten auch ORF und Wehrschütz seit Wochen nicht.

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2 Kommentare

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  • Auf den ersten Blick sieht es nach handwerklichen Fehlern aus, auf den zweiten mit der Mandatierung von Lansky nicht mehr. Ein Medienanwalt, der russische Propaganda schützt, ist ein No-go. Die eigentliche Frage aber ist: Was hat ein Anwalt und Lobbyist wie Lansky bei ROG überhaupt verloren? Hat niemand seinen Mandantenstamm durchleuchtet und als unvereinbar mit den Zielen einer Menschrenrechtsorganisation erkannt?

    Diese Mauschelei ist größer als der Fall Wehrschütz.

    Dessen Fall erinnert übrigens stark an den Fall Malte Olschewski im ORF, der den serbischen Nationalismus und damit auch die Kriegsverbrechen rechtfertigte - auch aus einer russophilen Perspektive heraus. Seine serbische Opferthese wurde später wissenschaftlich widerlegt. Im Fall Wehrschütz muss man sich fragen, warum das beim ORF immer an so prominenter Stelle in der Krisenberichterstattung passiert?

    • @rakader:

      "Auf den ersten Blick sieht es nach handwerklichen Fehlern aus, auf den zweiten mit der Mandatierung von Lansky nicht mehr."

      Ja, auch generell viel zu viele Koinzidenzen, als dass das Ganze nicht stinkt.