Christian Ströbele gegen NPD-Verbot: „Den Geldhahn zudrehen“
Ein NPD-Verbot hat wenig Aussicht auf Erfolg, sagt Grünen-Politiker Ströbele im Interview. Sinnvoller sei eine Kürzung der Staatsgelder.
taz: Herr Ströbele, wird es auch nach dem Ausstieg der Bundesregierung aus dem Verbotsverfahren einen Antrag gegen die NPD in Karlsruhe geben?
Christian Ströbele: Es sieht so aus. Der Bundesrat wird das Verbot wohl beantragen. SPD-Ministerpräsidenten sagen, sie wollen daran festhalten.
Mit Erfolg?
Ich fürchte, nein. Die NPD verfolgt zwar eindeutig verfassungsfeindliche Ziele, aber für ein Verbot muss sich aus dem Material auch valide ergeben, dass sie diese aktiv kämpferisch anstrebt und – vor allem – dass ein Verbot verhältnismäßig ist. Das setzt voraus, dass die NPD eine echte Bedrohung unserer Grundordnung ist. Das ist angesichts der Schwäche der NPD und ihrer schwindenden Wahlerfolge mehr als fraglich.
Die NPD bekommt, wie alle Parteien, Geld vom Staat. Viele halten allein das für einen Grund, die Partei zu verbieten. Haben sie nicht recht?
Nein. Doch dass die NPD Millionen vom Staat bekommen hat und auch weiter bekommen wird, ist höchst ärgerlich. Deshalb müssen wir Wege suchen, der NPD den Geldhahn zuzudrehen – ganz oder zum Teil.
, 73, ist Bundestagsabgeordneter der Grünen und Experte für Rechts- und Innenpolitik. Er war schon beim gescheiterten NPD-Verbotsverfahren 2003 skeptisch.
Wie?
Indem dieser noch legalen Partei für verfassungsfeindliche oder gar rassistischer Umtriebe staatliche Zuwendungen entzogen werden. Das könnte durch eine Grundgesetzänderung gehen, vielleicht reicht auch ein einfaches Gesetz. Da sind die Juristen unterschiedlicher Auffassung.
Grundgesetzänderungen gibt’s nicht mal eben so …
Nach dem Grundgesetz sind alle Parteien prinzipiell gleichzubehandeln. Aber dies fällt nicht unter die „Ewigkeitsgarantie“ des Grundgesetzes. Dieses Gleichbehandlungsprinzip kann also mit ausreichenden Gründen eingeschränkt werden, wie das existierende Parteiverbot zeigt. Dazu wäre eine Zweidrittelmehrheit im Bundestag nötig. Aber warum soll es die nicht geben?
Gesetzt den Fall, dies wäre juristisch machbar: Ist es politisch klug? Schaffen wir damit nicht zwei Klassen von Parteien: staatliche privilegierte und solche ohne Staatsgeld?
Nein. Ein wichtiges Bedenken, aber der Staat soll ja nur nicht gezwungen sein, verfassungsfeindliche Aktivitäten zu subventionieren. Die Entscheidung, ob eine Partei oder einzelne ihrer Betätigungen verfassungsfeindlich sind, muss natürlich weiter beim Bundesverfassungsgericht liegen. Falls dieses die Verfassungsfeindlichkeit feststellt, könnten wenigstens Gelder für rassistische Bildungsarbeit oder solche Aktionen und Propaganda vorenthalten werden.
Damit wird die Hürde vor einschneidenden Einschränkungen der Arbeit von Parteien aber radikal gesenkt. Als Nächstes könnte dann die CSU fordern, die Linkspartei finanziell auszutrocknen, oder?
Missbrauchsgefahr gibt es beim Parteienverbot auch. Deshalb soll ja nicht der Bundestagspräsident oder ein anderes politisches Gremium entscheiden, sondern das Bundesverfassungsgericht als politisch neutrale Instanz. Wir hätten nicht nur den Hammer, das Verbot, dessen wirksamer Einsatz gerade mit Blick auf europäische Gerichte unwahrscheinlich ist. Sondern auch gezieltere Instrumente wie die Kürzung staatlicher Gelder, die nicht den Nachweis einer Gefahr für die Grundordnung voraussetzen.
Gibt es noch mehr Unterstützer dieser Idee?
Es gibt Rechtsgutachten, die diesen Weg für gangbar halten. Und es gibt Kollegen in allen Fraktionen, die dafür offen zu sein scheinen.
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