Chinas Volkskongress: Handverlesener Machtzirkel
Für Chinas Premierminister Li Keqiang markiert der Volkskongreß das Ende seiner Laufbahn. An seine Stelle soll der Xi-treue Li Qiang treten.
M it dem am Sonntag in Peking eröffneten jährlichen Frühjahrsplenum des Nationalen Volkskongresses, Chinas Scheinparlament, enden zehn Jahre der chinesischen Xi-Li-Führung. Staats- und Parteichef Xi Jinping als die Nummer eins und der vor allem für die Wirtschaft zuständige Premierminister Li Keqiang als bisherige Nummer zwei werden fortan getrennte Wege gehen.
Sie können unterschiedlicher kaum sein: Während Li jetzt in Rente geschickt wird, wie es der KP-Parteitag im letzten Oktober beschlossen hat, beginnt Xi als erster Führer Chinas seit Mao Tse-tung eine dritte Amtszeit und das mit ungewöhnlich weitreichenden Vollmachten. Mit Lis Abgang wird erstmals kein Politiker mehr in der Führungsspitze vertreten sein, der nicht zum von Xi selbst handverlesenen Machtzirkel gehört.
Li Keqiang stand bekanntlich Xis Vorgänger Hu Jintao nahe, der bei dem Parteitag demütigenderweise vom Podium entfernt worden war.
Li ist sicher nie ein demokratischer Reformer gewesen, sondern er war stets treuer Parteisoldat. Im Vergleich zum Ideologen Xi ist er aber ein wirtschaftsliberaler, technokratischer Pragmatiker. Der studierte Ökonom versuchte seit Jahren, die auf hohes Wachstum ausgerichtete Wirtschaft in Richtung qualitatives Wachstum und stärkeren Binnenkonsum umzusteuern. Mit sinkenden Wachstumszahlen sind jedoch keine positiven Schlagzeilen zu machen.
Li Keqiang geriet nicht nur immer stärker in den Schatten von Xi, sondern teilweise sogar auf Konfliktkurs mit ihm. Xi drückte dem Land und seiner Regierung zunehmend seinen ideologischen Stempel auf und ließ Li immer weniger zum Zuge kommen, je stärker er seine eigene Macht konsolidiert hat. Xi wurde laut Volksmund zum „Chairman of everything“, während eine Rede Lis vom August in Shenzhen, wo er den Wirtschaftsreformer Deng Xiaoping lobte, zensiert wurde. Nicht zuletzt mit Blick auf seinen designierten Nachfolger Li Qiang, der als Xi-Vertrauter und dortiger Parteichef für Shanghais fatalen Lockdown verantwortlich war, könnte Li Keqiang bald vermisst werden.
Links lesen, Rechts bekämpfen
Gerade jetzt, wo der Rechtsextremismus weiter erstarkt, braucht es Zusammenhalt und Solidarität. Auch und vor allem mit den Menschen, die sich vor Ort für eine starke Zivilgesellschaft einsetzen. Die taz kooperiert deshalb mit Polylux. Das Netzwerk engagiert sich seit 2018 gegen den Rechtsruck in Ostdeutschland und unterstützt Projekte, die sich für Demokratie und Toleranz einsetzen. Eine offene Gesellschaft braucht guten, frei zugänglichen Journalismus – und zivilgesellschaftliches Engagement. Finden Sie auch? Dann machen Sie mit und unterstützen Sie unsere Aktion. Noch bis zum 31. Oktober gehen 50 Prozent aller Einnahmen aus den Anmeldungen bei taz zahl ich an das Netzwerk gegen Rechts. In Zeiten wie diesen brauchen alle, die für eine offene Gesellschaft eintreten, unsere Unterstützung. Sind Sie dabei? Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Krise bei VW
Massiver Gewinneinbruch bei Volkswagen
VW-Vorstand droht mit Werksschließungen
Musterknabe der Unsozialen Marktwirtschaft
Verfassungsgericht entscheidet
Kein persönlicher Anspruch auf höheres Bafög
Kamala Harris’ „Abschlussplädoyer“
Ihr bestes Argument
Zu viel Methan in der Atmosphäre
Rätsel um gefährliches Klimagas gelöst
Nahostkonflikt in der Literatur
Literarischer Israel-Boykott