piwik no script img

Chef des Bertelsmann-Thinktanks CHE tritt abDer stolze Schlachter der heiligen Kühe

Detlef Müller-Böling hat als Chef des einflussreichen Bertelsmann-Thinktanks CHE die deutsche Unilandschaft umgepflügt. Nach 14 Jahren geht er jetzt in den Ruhestand.

Studentenprotest gegen Studiengebühren. Bild: ap

BERLIN taz Er gehört zu den einflussreichsten Akteuren der deutschen Hochschulpolitik. Als Vordenker hat man ihn bezeichnet, als "heimlichen Bildungsminister" gar. Gegner sehen in ihm einen neoliberalen Strippenzieher, der maßgeblich dazu beigetragen hat, dass die Unis seit einigen Jahren auf Wettbewerb und Wirtschaftlichkeit getrimmt werden.

14 Jahre lang war Detlef Müller-Böling Leiter des Centrums für Hochschulentwicklung (CHE) in Gütersloh. Jener privaten Denkfabrik, die die Bertelsmann-Stiftung und die Hochschulrektorenkonferenz 1994 gründeten. Unter Müller-Böling wurde sie zu einer der wichtigsten Schaltzentralen der Bildungspolitik - ohne ein politisches Mandat zu haben.

Nun entschied sich Müller-Böling, auch aus gesundheitlichen Gründen, zu seinem 60. Geburtstag im Juli in den Ruhestand zu gehen. Er hat dann mehr Zeit für sein Segelboot "Flitzpiepchen". Mit einer Bootsmetapher beschreibt er auch die Unireformen der letzten Jahre. "Die Hochschulen sind Schnellboote geworden im Verhältnis zu den Tankern Gesundheitssystem und Rentensystem", sagte Müller-Böling am Freitag zu seinem Abschied.

Als der Wirtschaftswissenschaftler 1994 sein Amt als Unirektor in Dortmund abgab, trat er in Gütersloh eine Mission an: "Die entfesselte Hochschule", wie er später auch eines seiner Bücher nannte. Vieles von dem, wofür Müller-Böling und das CHE in Papieren und Hintergrundgesprächen kämpften, ist heute Realität: Professoren werden nach Leistung bezahlt. Die Unis können sich ihre Studis selber aussuchen. Auf Kosten der demokratischen Selbstverwaltung wurden Hochschulräte mit Experten aus der Wirtschaft installiert. "Der Wettbewerb ist in den Köpfen aller angekommen", so Müller-Böling.

Eines seiner Lieblingsthemen waren von Anfang an die Studiengebühren, deren Einführung das CHE mit Modellen und nicht immer seriösen Umfragen bewarb. Mit Erfolg. Bis in die 90er-Jahre lehnten selbst Hochschulrektoren und konservative Politiker Gebühren noch ab. Heute müssen in sieben unionsregierten Bundesländern die Studierenden bezahlen. "Dafür hat Herr Müller-Böling den Boden bereitet", sagte einst die frühere Bildungsministerin Edelgard Bulmahn (SPD). "Etliche heilige Kühe wurden geschlachtet", zieht Müller-Böling Bilanz.

Seine Nachfolge teilen sich CHE-Mitarbeiter Frank Ziegele und der ehemalige Hamburger Wissenschaftssenator Jörg Dräger. Der hatte von 2001 an die Hamburger Hochschulen wie keiner vor ihm umgekrempelt, Studiengebühren eingeführt und sich dabei alles andere als beliebt gemacht. Keine schlechte Voraussetzung für die Leitung des CHE.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

1 Kommentar

 / 
  • RM
    R. Mester

    Professoren werden nach Leistung bezahlt? Was vor allen Dingen bewirkt wurde, ist eine gravierende Absenkung der Gehälter für die jungen Nachrücker, weil die "Stars" nun mehr verlangen können, und weil die Erstberufenen eine denkbar schlechte Stellung in den Verhandlungen haben. Viele Bundesländer nutzen die Spielräume nun dazu, Erstberufene nur noch mit dem Minimalgehalt einzustellen. Es ist einfach absurd, nach dem, was man für Leistung hält, zu bezahlen, dann aber die Gesamtkosten kraft Gesetz konstant zu halten, und dann zu erwarten, dass alle froh und glücklich immer mehr leisten, um am Ende wenigstens das gleiche Gehalt zu erhalten. Hamster sind vielleicht so dumm, dieses Spiel mitzuspielen, aber sie sind auch in den USA nicht so gern gesehen wie unsere jungen Wissenschaftler, die nun noch mehr Grund haben, Deutschland den Rücken zu kehren.

     

    Herr Müller-Böling hat einen grossen Anteil daran, dass für diejenigen Menschen, die es mit herausragenden Leistungen bis zur Professur schaffen können, dieses Land nichts mehr zu bieten hat.