Chaos im Deutschen Fußball-Bund: Durchstechen statt kicken
Die DFB-Führung zerlegt sich gerade. Es wird gepetzt und beleidigt. Da bleibt natürlich keine Zeit, Ideen für den Fußball der Zukuft zu entwickeln.
D er Deutsche Fußball-Bund wieder mal. Ein Hauen und Stechen herrscht da im obersten Gremium des Verbands. Höhepunkt der Auseinandersetzung ist nun die beleidigende Äußerung, die Präsident Fritz Keller seinem Vizepräsidenten Rainer Koch auf einer Sitzung an den Kopf geworfen hat. Der ehemalige Richter Koch wurde von Keller als Roland Freisler bezeichnet. Weil der Nazirichter Freisler eine der finstersten Gestalten in Nazi-Deutschland war, ist das Entsetzen über die präsidiale Entgleisung groß.
Friedrich Curtius, der Generalsekretär des DFB, soll sie dem Ethikauschuss des Verbands angezeigt haben. Das wird niemanden wundern, gilt Curtius doch als Gegenspieler Kellers. Genauso wundert sich niemand, wie schnell dieser Satz aus einer Sitzung in die Öffentlichkeit gelangt ist. Das Durchstechen scheint ohnehin eine Disziplin zu sein, die man im DFB mittlerweile besser beherrscht als das Fußballspielen.
Medien zu instrumentalisieren, um persönliche Konflikte zu entscheiden, auch darum geht es beim Dauerzoff im DFB. So soll ein 74-jähriger Kommunikationsberater der Presse gesteckt haben, welche Nebeneinkünfte der frühere Verbandschef Reinhard Grindel sich so auf sein Konto schaufeln ließ. Zur selben Zeit ist ebendieser Berater vom DFB mit einem hoch dotierten Vertrag ausgestattet worden. Von dem aber wusste kaum jemand etwas im DFB. Vizepräsident Koch und Friedrich Curtius gehörten zu den Teilhabern dieses Herrschaftswissens. Der neue DFB-Chef Keller nicht. Worum geht es eigentlich da genau? Um Fußball offensichtlich nicht.
Von Curtius jedenfalls ist kaum eine Äußerung überliefert, in der sich der gut bezahlte Chefmanager des Verbands über die Zukunft des Fußballs Gedanken macht. Ob er eine Idee hat, wie das Auseinanderdriften des Profifußballs und seiner in den Amateuerligen organisierten Basis aufzuhalten ist? Man weiß es nicht. Dafür weiß man inzwischen, dass er eine Agentur beauftragt hat, seinen Wikipedia-Eintrag aufzuhübschen. Einen nennenswerten Meinungsbeitrag zum von der Pandemiepolitik ausgebremsten Jugendsport hat man dagegen nicht von ihm gehört.
Vize ohne Vision
Und Rainer Koch? Der hat seine Heimatorganisation, den Bayerischen Fußballverband, eher schlecht als recht durch die Pandemie geführt. Regelmäßig trudeln Protestschreiben von Amateuerklubs bei Koch ein. Mal geht es um den verschleppten Saisonabbruch, mal wollen Vereine sich nicht mit einem aus einer Handvoll Spielen errechneten Abstieg abfinden.
Sie konnten ihren Landespräsidenten in der Vorwoche sehen, wie er vor einem Nobelhotel in Montreux die Super League in Bausch und Bogen verurteilt hat, nachdem er als Mitglied der Uefa-Exekutive gerade für eine im Sinne des Business aufgeblähte Champions League gestimmt hat. Seine Idee für den Fußball der Zukunft, für eine Versöhnung der Fans mit dem abgehobenen Profibusiness? Niemand kennt sie.
Auch Fritz Keller ist nicht gerade als Visionär aufgefallen, seit er 2019 zum DFB-Präsidenten gewählt worden ist. Er ist angetreten, um die Dinge ans Tageslicht zu befördern, die von seinen Vorgängern unter den Teppich gekehrt worden sind, wollte endlich Klarheit über die Millionenzahlungen haben, die rund um die Vergabe der WM 2006 geflossen sind. Ein löbliches Vorhaben gewiss. Aber ebenso gewiss ist es nicht nach vorne gerichtet.
Die Forderungen, die mediokre DFB-Führung auszuwechseln, werden lauter. Bevor aber wieder irgendein Funktionär an die Spitze des Verbands gesetzt wird, sollte man erst einmal einen Ideenwettbewerb starten. Es muss endlich um die Zukunft des Fußballs gehen, nicht um die von Funktionären.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Debatte um SPD-Kanzlerkandidatur
Schwielowsee an der Copacabana
BSW und „Freie Sachsen“
Görlitzer Querfront gemeinsam für Putin
Urteil nach Tötung eines Geflüchteten
Gericht findet mal wieder keine Beweise für Rassismus
Papst äußert sich zu Gaza
Scharfe Worte aus Rom
Aktienpaket-Vorschlag
Die CDU möchte allen Kindern ETFs zum Geburtstag schenken
Wirtschaftsminister bei Klimakonferenz
Habeck, naiv in Baku