Chaos bei den Schulöffnungen in Berlin: Ohne Rückhalt geht es nicht
Die Schulen öffnen doch nicht am Montag. Die Bildungssenatorin sagt, es gebe keinen Konsens dafür – dabei hat der sie selbst bisher kaum interessiert.
D as war schon eine recht abenteuerliche Entscheidungsfindung, was die nun-lieber-doch-nicht-Schulöffnungen in Berlin angeht: Erst riet der Regierende Michael Müller (SPD) in seiner Funktion als Vorsitzender der MinisterpräsidentInnenkonferenz nach der Bund-Länder-Schalte am Dienstag dazu, die Schulen im Lockdown zu belassen.
Einen Tag später verkündete der Senat dann einen gänzlich anderen Beschluss, nämlich die Schulen bereits am heutigen Montag wieder schrittweise zu öffnen – offenbar hatte Bildungssenatorin Sandra Scheeres (SPD) sich durchgeboxt, nicht ohne Rückendeckung insbesondere des grünen Koalitionspartners, der im Parlament Scheeres' Kurs stützte.
Dann folgte ein Proteststurm von Gewerkschaften und ElternvertreterInnen, die Drohung mehrerer Schulleitungen, sich dem Präsenzunterricht schlicht zu verweigern, und die Online-Petition eines Berliner Vaters gegen Präsenzunterricht im Lockdown, die innerhalb weniger Stunden Zehntausende unterzeichneten. Am Freitagabend, nachdem auch in der Koalition die Diskussionen offenbar noch weitergingen, ruderte Scheeres dann zurück.
Natürlich spricht die wieder steigende Inzidenz sowie die vermutlich hoch ansteckende Virus-Mutation aus Großbritannien, die am Freitag auch in Berlin festgestellt wurde, gegen Schulöffnungen. Vor allem aber kann man Schulöffnungen, auch wenn man sie trotz allem für richtig hält, nicht gegen die durchsetzen, die sie mittragen müssen (wie SPD-Spitzenkandidatin Franziska Giffey, vielleicht mit Blick auf den anstehenden Wahlkampf, besser erkannt hat): die Beschäftigten in den Schulen, die Eltern.
Scheeres' zu langes Beharren war ungeschickt – obwohl man, wie es aus ihrem Umfeld heißt, für den Senatsbeschluss am Mittwoch durchaus das Plazet der einschlägigen Lobbygruppen gehabt habe.
Scheeres rechtfertigte die Kehrtwende selbst damit, dass man in den nächsten Wochen „einen breiten Konsens“ an den Schulen brauche. Das stimmt. Bedenklich stimmt, wie sehr man sie zu dieser Erkenntnis tragen musste – man fragt sich, ob es tatsächlich ihre eigene ist.
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