Chaos Computer Club klaut Fingerabdruck: Ein Tag als Wolfgang Schäuble
Die Datenschützer vom CCC klauten und veröffentlichten den Fingerabdruck des Innenministers - und liefern das Werkzeug für einen Tag als Wolfgang Schäuble gleich mit.
Der Chaos Computer Club hat einen Fingerabdruck von Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble kopiert und veröffentlicht. Damit protestieren die Bürgerrechtler gegen die Einführung von Ausweisen, auf denen biometrische Daten elektronisch gespeichert sind.
Publiziert wurde der Fingerabdruck in der Vereinszeitschrift Datenschleuder und im Internet. Daneben gibt es in dem Heft auch eine Anleitung, wie aus der Abbildung des Abdrucks eine Attrappe hergestellt werden kann, die einen täuschend echten Fingerabdruck des Innenministers hinterlässt.
Mit einem gestohlenem Fingerabdruck lasse sich leicht die Identität des Besitzers überall dort annehmen, wo man sich mittels biometrischer Daten ausweisen soll, erklärt Dirk Engling vom Chaos Computer Club. "Das reicht vom ePass, für den neuerdings jeder Bürger biometrisch erfasst wird, über Grenzkontrollen in den Vereinigten Staaten bis zum Supermarkt an der Ecke." Außerdem könne man einen fremden Fingerabdruck am Tatort eines Verbrechens hinterlassen.
Die Datenschützer wollen den Abdruck von einem Glas abgenommen haben, das Schäuble auf einer Podiumsdiskussion angefasst hatte. Die Fingerkuppe des Ministers ist nun als Vorlage zusammen mit einer Bastelanleitung unterwegs zu den rund 2.000 Abonnenten der Datenschleuder. Auch in einem Video auf den Internetseiten des Clubs wird vorgeführt, wie sich ein Fingerabdruck von einem Glas abnehmen und auf eine Plastikfolie transferieren lässt. Mit Digitalkamera, Laserdrucker, bedruckbarer Folie und Holzleim lasse sich auf diese Weise eine fremde Identität stehlen. "Es ist erschreckend einfach", sagt Dirk Engling. "Ich habe selber meinen Zeigefingerabdruck auf alle anderen Fingerkuppen kopiert." Einfach nicht nur für die Hacker vom CCC, sondern auch für technisch nicht so versierte Personen: "Ein Reporterteam der ARD hat nach nur einer Nacht Crashkurs bei uns eine Attrappe erstellt und konnte die erfolgreich in einem Supermarkt verwenden."
Wolfgang Schäuble zeigt sich nach Auskunft einer Ministeriumssprecherin nicht sonderlich beeindruckt. "Meinen Fingerabdruck darf jeder haben", so der Minister. Das sich jemand bei einer Sicherheitskontrolle als Innenminister ausgeben könnte, hält die Sprecherin für ausgeschlossen. Dennoch werde man die Angelegenheit rechtlich prüfen. Die Einführung biometrischer Merkmale im Reisepass werde durch die Aktion nicht infrage gestellt. Damit habe man den Reisepass sicherer gemacht. Genau das bestreiten die Kritiker.
"Fingerabdrücke sind als Schlüssel für Sicherheitssysteme nicht geeignet", sagt Dirk Engling. Mit den biometrischen Daten werde eine falsche Sicherheit vorgegaukelt, die es so nicht gebe. "Es hat sich gezeigt, dass die Menschen hinter den Kontrollmaschinen weniger genau hinsehen, wenn sie sich auch auf die Elektronik verlassen können", sagt Engling. Um auf diese Gefahr hinzuweisen, habe man den Fingerabdruck des Innenministers veröffentlicht. Dabei stützen sich die Datenschützer auf ein Argument aus dem Hause Schäuble: Der hatte nach Angaben des CCC verlauten lassen, ein im Pass gespeicherter Fingerabdruck sei rechtlich genauso zu bewerten wie ein Passfoto. Fotos von Schäuble, einer Person der Zeitgeschichte, darf jeder veröffentlichen. Wenn Fotos mit Fingerabdrücken gleichgesetzt seien, so der Umkehrschluss, sei die Veröffentlichung nach der Logik des Bundesinnenministeriums in Ordnung.
Seit November vergangenen Jahres werden bei neuen Reisepässen die Fingerabdrücke des Besitzers elektronisch gespeichert. Erst im Januar hatte die Schriftstellerin Juli Zeh ("Adler und Engel", "Spieltrieb") gegen diese Praxis Klage beim Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe eingereicht.
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