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Challenge im SpreewaldEinmal Gurke mit alles

Eigentlich mag unsere Autorin Gurken gar nicht. Doch als ihre Freundin sie bei einem Spreewaldurlaub zu einer Challenge herausfordert, beißt sie zu.

Nur was wirklich aus dem Spreewald kommt, darf sich Spreewaldgurke nennen Foto: Maksim Lashcheuski/Zoonar/imago

Sie trinkt Gurkenlikör aus einem Schnapsglas und isst Gurkenchips, während sie durch die Ferienwohnung läuft und telefoniert. Ich packe die Einkäufe aus: Ein Glas Knoblauchgurken, ein Glas Senfgurken, ein Glas Chiligurken und ein Mix aus allen drei Sorten. Zwei Flaschen Gurkenradler für den Abend. Und Gurkenbrot.

Meine Freundin war vorher nie im Spreewald, aber von den berühmten eingelegten Spreewaldgurken hatte sie schon gehört. Kanufahren, sorbische Trachten und andere regionale Spezialitäten wie Meerrettich interessieren sie nicht so sehr, die Gurken umso mehr. Und als wir direkt nach der Anreise einen Teller mit allerlei Spreewaldgurkenvariationen in einem kleinen Restaurant am Wasser verkosten, sagt sie: „Ich möchte hier alles mit Gurken ausprobieren.“ „Alles …?“, frage ich skeptisch. „Alles!“, sagt sie. „Lass uns eine Challenge machen!“

Auf meiner Liste von kulinarischen No-Gos liegen Salatgurken auf Platz zwei (nach Rote Bete) und auch eingelegte Gurken gehen bei mir nur bedingt: Den Geschmack finde ich zu dominant, und die Konsistenz ekelt mich ein wenig an, vor allem bei den weichen Sorten.

Sich mit einer Zange Gurken aus einem Fass zu nehmen, da denke ich an das Glas mit den eingelegten Eiern, das seit mehr als 30 Jahren auf dem Tresen von Moes Taverne bei den „Simp­sons“ steht; und die „Gurke to go“ aus der Dose finde ich pervers. Trotzallerdings nehme ich die Herausforderung gerne an. Ich mag kulinarische Experimente und neue Geschmäcker zu entdecken.

Lässt sich gut kombinieren

Die erste positive Überraschung ist für mich das Gurkenbrot. Es ist aus Sauerteig, schön luftig und nicht grün, wie man denken könnte, abgesehen von manchen Gurkenstückchen, die zu meiner Erleichterung nur ganz diskret im Mund zu spüren sind. Es lässt sich gut mit Käse, Tomaten oder Dillöl – auch aus dem Spreewald – kombinieren.

Ein Eintopf aus Schmorgurken? Das ist, als würde mir ein Püree aus warmem Blatt­salat angeboten. Nein, danke!

Das Gurkenradler (Bier mit Gurkenbrause) passt dazu perfekt, es erinnert mich an Berliner Weiße mit Schuss, aber auch an das Wasser mit Gurkenscheiben, das man in hippen Cafés bekommt – ein Sommergetränk, das ich am liebsten bei einem Picknick oder einer Kanufahrt genießen möchte. Gern hätten wir auch einen Spreewald Mule probiert. Wir finden Rezepte im Internet, aber kein Lokal, das so einen Cocktail anbietet.

Die Knoblauch-, Senf- und Chiligurken schmecken mir nicht groß anders als die „Cornichons“ aus jedem Supermarkt, sie sind nur größer und weniger knackig – also nicht so gut. Noch schlimmer ist es bei den Honiggurken, weiße wabbelige Stücke, von denen meine Freundin sagt, sie würden „wie die Zunge eines Wales“ schmecken, so stelle sie sich das jedenfalls vor.

Ich kann sie danach nicht mehr in den Mund nehmen. Vielleicht ist mir deswegen auch schlecht, als sie ihrem zweijährigen Sohn am Telefon von unserer Challenge erzählt. „Ganz vieeele, vieele Gurken essen wir, Tag und Nacht!“, sagt sie und ihre Stimme kommt mir vor, als würde sie einer bösen Märchenhexe gehören. Der Sohn lacht im Display. Ich halte mir den Bauch und versuche, an etwas anderes zu denken.

Gurkeneis geht bei Hitze immer

Am nächsten Tag geht es besser. Wir essen Gurkeneis in der Mittagshitze, vor einer Eisdiele mit blauen Sonnenschirmen in Burg, und – ich hätte es nie gedacht – es schmeckt mir gut, es ist erfrischend, kitzelt leicht im Mund, ist weder zu süß noch zu sauer. Wir nehmen es nicht als Nachtisch, sondern als Vorspeise und fahren über den Gurkenradweg direkt zu unserem Mittagessen weiter.

Die kalt servierte Gurkensuppe überzeugt mich: Ich muss an katalanische Gazpacho denken oder an die französische Vichyssoise, Suppen aus Ländern, wo man an unerträglich heißen Sommertagen lieber etwas Leichtes und Frisches isst. Anschließend Schmorgurken wie einen Eintopf warm zu essen, fühlt sich hingegen falsch an. Bestimmte Dinge gehören für mich einfach in die Kategorie „Kalt zu verzehren“. Es ist, als würde mir ein Püree aus warmem Blattsalat angeboten. Nein, danke!

Das Gurkenmuseum, unser nächstes Ziel, ist an diesem Tag geschlossen. Hier hätten wir „in begehbaren Fässern Anbau, Ernte und Verarbeitung aus der Sicht der Gurke“ erleben können. Bei einem Bierhof in Leipe finden wir aber einige Schwarz-Weiß-Fotos aus dem 19. Jahrhundert, die die Gurkenernte und den Gurkentransport mit Kähnen dokumentieren.

Der Sohn liebt die Plüschgurke

Dass der Spreewald zur Gurkengegend wurde, hat auch was mit seinen feuchten, humusreichen Böden zu tun. Und nur im Spreewald geerntete und verarbeitete Gurken dürfen sich „Spreewälder Gurken“ nennen, seit 1999 ist der Name eine von der EU geschützte geografische Angabe, wie etwa Champagner oder Gorgonzola. Doch die Erträge schrumpfen. Lagen sie in den Nullerjahren noch bei 40.000 Tonnen, waren es zuletzt eher um die 20.000. Und eine Spreewälder Gurkenkönigin gibt es aktuell auch nicht mehr.

Um der Gurkenwirtschaft zu helfen, schenken wir uns vor der Abfahrt Souvenirs, die wir „heimlich“ in einem Laden am Gurkenmarkt gekauft haben. Mein Gurkenfeuerzeug ist in Berlin sehr begehrt, wenn ich abends unterwegs bin. Der Gurkenmagnet hält bei meiner Freundin wichtige Notizen am Kühlschrank. Die Plüschgurke wird von ihrem Sohn geliebt. Nur das Glas mit dem Gurkenmix bleibt unberührt in meinem Regal – vielleicht freut sich irgendwann ein Besuch darüber.

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