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Caster SemenyaOlympiasiegerin erringt Teilerfolg im Testosteron-Prozess

Die Läuferin war von Wettkämpfen ausgeschlossen worden. Nach einem Klagemarathon erhält sie 80.000 Euro, doch die diskriminierende Regel darf bleiben.

„Wenn du eine Frau bist, bist du eine Frau“, sagt die Läuferin Caster Semenya Foto: Markus Schreiber/AP

Nicht nur auf der Laufbahn hat Caster Semenya alles gegeben, auch juristisch ist sie bis zur letzten Instanz gegangen. Am Donnerstag hat der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) das Urteil gefällt.

Bei ihrer Geburt in Südafrika im Jahr 1991 wurde Semenya als weiblich eingestuft. Doch sie hat männliche XY-Chromosome und innenliegende Hoden statt Eierstöcke und Gebärmutter; ihr Testosteronspiegel ist dadurch erhöht. Semenya wird als Person mit „Abweichungen in der sexuellen Entwicklung“ eingestuft, als intergeschlechtliche Person.

„Wenn du eine Frau bist, bist du eine Frau. Egal welche Abweichungen du hast“, sagte sie 2023 der BBC. Sportwissenschaftlich ist umstritten, ob Semenyas Intergeschlechtlichkeit ihr einen physischen Leistungsvorteil gegenüber anderen Frauen bringt. Doch der Leichtathletikverband World Athletics hat eine klare Haltung dazu. Seit 2019 gilt: Wer als Frau einen Testosteronspiegel von über 2,5 Nanomol pro Liter, – zum Vergleich: bei Männern liegt dieser zwischen 12 und 35 Nanomol – aufweist, ist von internationalen Wettkämpfen über 400 Meter bis zu einer Meile ausgeschlossen.

Das trifft genau Semenyas Hauptdisziplinen: die 1.500 und die 800 Meter. Ihre Stärke ist seit jeher der 800-Meter-Lauf. 2012 und 2016 gewann sie in dieser Disziplin Olympisches Gold, dreimal wurde sie Weltmeisterin. Das erste Mal 2009 in Berlin. Damals war sie 18 Jahre alt und eine Newcomerin. Ihre auffallende Leistung, ihr muskulöser Körper und ihre tiefe Stimme lösten eine heftige Kontroverse aus. Sie musste sich einem Geschlechtstest unterziehen. Es war der Anfang einer jahrzehntelangen Debatte, die sie ihre ganze Laufbahn begleiten sollte. Und weiter relevant bleibt.

Sie hatte Panikattacken durch Medikamente

Bevor sie ihre Karriere beendete, wich sie aufgrund der Testosteron-Regel bei Wettkämpfen auf die 5.000 Meter aus. Denn Semenya weigert sich seit dem Entschluss von World Athletics ihren Testosteronspiegel künstlich durch Medikamente zu senken. Als sie diese probiert hatte, hatten sie Panikattacken bei ihr ausgelöst.

Stattdessen klagte sie – zuletzt vor dem EGMR – gegen die Schweiz. Davor hatte sie vor dem Internationalen Sportgerichtshof CAS in Lausanne sowie dem Schweizer Bundesgericht geklagt. Sie sieht sich durch die Testosteron-Regelung von World Athletics diskriminiert. CAS und das Schweizer Bundesgericht sahen das nicht so.

Es folgte die nächste Instanz: der EGMR. Dieser urteilte 2023 tatsächlich, dass Semenya durch die Verbandsregeln diskriminiert worden sei. Ein kurzer Erfolg, doch wegen der knappen Mehrheit unter den Rich­te­r*in­nen beantragte die Schweizer Bundesregierung eine erneute Verhandlung vor der Großen Kammer des EGMR.

Dieser hat am Donnerstag – zwei Jahre später und sieben Jahre nach Semenyas erster Klage – ein endgültiges Urteil gefällt: Die Südafrikanerin ist von der Schweiz in ihrem Menschenrecht auf ein faires Verfahren verletzt worden. Das Gericht sprach ihr 80.000 Euro für Kosten und Auslagen zu. Allerdings ließ es die umstrittenen Testosteron-Regeln unangetastet.

„Es ist ein positives Ergebnis“, meinte Semenya. Dennoch hatte sie mehr erwartet. Bei einer Anhörung in Straßburg hatte sie zuletzt gesagt, sie hoffe, „dass die Entscheidung des Gerichtshofs den Weg dafür ebnen wird, dass die Menschenrechte aller Sportlerinnen ein für alle Mal mit aller Kraft geschützt werden. Und dass sie alle jungen Frauen dazu inspiriert, sie selbst in ihrer ganzen Vielfalt zu sein und sich zu akzeptieren.“

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9 Kommentare

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  • Ich bin kein Mediziner und kein Biologe. Aber wenn Semenya männliche XY-Chromosome und innenliegende Hoden statt Eierstöcke und Gebärmutter hat, dann müsste er/sie doch bei den Männern starten.



    Und es ist doch nicht egal, welche Abweichungen genau vorliegen, um als Frau starten zu dürfen.



    Die einzige faire Lösung ist hier, dass es drei Disziplinen gibt:



    1. Frauen



    2. Männer (oder umgekehrt)



    3. Transsexuelle



    Alles andere empfinde ich als ungerecht.

    • @Wolferich:

      Warum so kompliziert? Vom Schach lernen: a) XX-Frauen b) offen. Eine dezidierte Männerkategorie braucht man nicht, und wer als XX-Frau überzeugt ist, sich auch mit Männern erfolgreich messen zu können, darf ohne Diskriminierung in der zweiten Kategorie starten.

      • @TheBox:

        So einfach ist es tatsächlich.



        Was viele nicht zu begreifen scheinen ist, dass die Frauen-Kategorie im Sport eine Schutzkategorie ist. Da haben Personen, die biologisch nicht zu 100 % Frau sind, einfach nichts zu suchen. Innenliegende Hoden anstelle einer Gebärmutter sind ja wohl eindeutig.



        Das bedeutet nicht, dass Menschen, die sich als Frau identifizieren, aber nicht die entsprechenden körperlichen Merkmale aufweisen, nicht dennoch als Frau leben können. Aber im Sport kommt es auf Körperlichkeit an. Biologie lässt sich halt nicht nach dem politischen Zeitgeist ausrichten.

  • Der internationale Gerichtshof für Menschenrechte kann die Regeln der internationalen Sportverbände nicht aufheben. Der Gerichtshof kann auch nur Maßnahmen gegen Staaten anordnen. Hier in diesem Fall ging es um das staatliche Schweizer Bundesgericht, und nicht Sportgerichshof.

    Das internationale Sportgericht in der Schweiz ist kein statliches Gericht, sondern eine Schiedskomission die im Interesse der Sportverbände entscheidet Es untersteht einer Schweizer Stiftung aber nicht dem Staat.

    de.wikipedia.org/w...r_Sportgerichtshof



    Zu den Aufgaben des Schiedsgerichtes gehören beispielsweise die Klärung von Disziplinarfragen (bei Unklarheiten über Regelverstöße), Verfahrensfragen (etwa bei Spielertransfers), Dopingfragen und sportbezogenen Vertragsfragen (Sponsoring, Fernsehrechte etc.).

    ....Bearbeitung und Schlichtung von Streitfragen gewährleisten sollen, die während der Wettkämpfe auftreten.

    ... wurde der TAS/CAS 1994 der Stiftung Conseil International de l’Arbitrage en matière de Sport (CIAS, frz.) bzw. International Council of Arbitration for Sport (ICAS, engl.) als Träger unterstellt,

  • Die Frage ist doch , was ist gerecht? Und ist es gerecht für alle?

    Die Trennung im Sport gibt es nicht ohne Grund… Frauen haben gegenüber Männern gewisse Vorteile , und eben auch gewisse Nachteile. Wir sind nun mal nicht alle gleich, es gibt Unterschiede, zum Glück, wenn alle gleich wären wäre das Leben langweilig. Diese Unterschiede hören nicht bei „primäre geschlechtsorgane“ auf… Hormone haben an diversen Stellen Einfluss . Das zu ignorieren schafft keine Gerechtigkeit, sondern Ungerechtigkeit einer anderen Gruppe gegenüber

    Ich kann aus meiner eigenen Erfahrung sagen: ich war auf einem internationalen Kampfsportevent für Frauen. Es gab auch ein paar Transfrauen, vielleicht 5%. Alle, ich betone ALLE Preise sind von diesen 5% abgeräumt worden. Es ist sehr deprimierend in einen Kampf zu gehen und zu wissen, das der Gegner heillos überlegen ist( Größe /Reichweite / Kraft). Das war im Amateurbereich, aber seitdem stehe ich dem sehr skeptisch gegenüber. Gerne fürs Event, Training etc dabei. Aber für Wettkämpfe müssen Regeln her, die auch für cis-Frauen fair sind. Weil sie können nicht auf eine andere Gruppe ausweichen.



    Dann muss eben eine 3 Gruppe als „divers“ gegründet werden.

  • "Inter" ist halt nicht gleich "Frau". In Ländern, in denen ein Geschlecht "Divers" anerkannt ist, müsste das eigentlich klar sein. Wenn also die Zweidimensionalität der Geschlechter beseitigt ist, bleibt die Frage mit dem richtigen Umgang.

    Wirklich fair sind nur drei Lösungen: 1) Eine Geschlechterunterscheidung wird aufgehoben, 2) Es gibt drei Kategorien und 3) durch bestimmte Regeln wird eine klare Trennung gezogen.

    Worin sollte also die angebliche Diskriminierung der getroffenen Regelung liegen?

    • @DiMa:

      Variante 2 ist eindeutig die richtige Lösung. Die Lösung gibt es auch schon, zB die Paraolympics. Wer behauptet, das wäre rassistisch, impliziert Teilnehmer an den Paralympics wären weniger wert. Wer den Frauensport zerstört sollte sich über Abneigung als Reaktion nicht wundern.

    • @DiMa:

      Die Geschlechter offene Kategorien Lösung ist der einzig gangbare Weg,



      in dieser Kategorie startet dann jeder nach seiner SELBSTEINSTUFUNG...und aus die Maus, dort gibt's dann keine Geschlechtsbestimmung.



      Zweifel bleiben bei Kampfsportarten wie Birnen weichklopfen ( auch als Boxsport bekannt)



      .

      • @Fairness85:

        Ist das wirklich fair?

        Wenn sich die 2m Transfrau als Frau einstuft und dann zusammen mit den Frauen beim Weitsprung oder Hochsprung startet ?

        Sorry . Nein.

        Sie mag als Frau leben, und das ist auch gut so. Aber es gilt: solange es niemanden anderen Nachteile verschafft. Und da verschafft es definitiv einer cis-Frau Nachteile. Wo sollen sie starten? In der Kinder-Kategorie?

        Und ja, ich hatte genau den Fall. War zwar im Kampfsport, hätte aber überall passieren können. Sie war nett, keine Frage. Aber ich habe es dennoch als hoch unfair empfunden, weil von Anfang an das Feld klar war bei 2m gegen meine 1,65 oder die 1,50 meine Freundin, und der Rest der Mädels in einem ähnlichen Spektrum war. Ja, es gibt auch große Frauen, aber Männer sind nunmal im durchschnitt Größer.