piwik no script img

Cartagena in KolumbienMusikalischer Spaziergang

In der kolumbianischen Stadt mit dem kolonialen Flair findet alljährlich ein internationales Musikfestival statt – mit Klassik, Salsa und Champeta.

Früh übt sich ... Bild: imago/Zuma/Keystone

Wenn sich die kühlende Dämmerung über die karibische Küstenstadt Cartagena legt, heizt sich die Stimmung in den Straßen der Altstadt erst richtig auf. Schon von Weitem dröhnt die Salsa-Musik aus der Bar Donde Fidel, gelegen zwischen dem Plaza De La Aduana und der historischen Stadtmauer. Vor dem Laden tanzen Pärchen auf der Straße zu den schnellen Rhythmen.

Passanten schauen zu und trinken eisgekühltes Bier aus der Flasche. Je tiefer man ins Zentrum der nordkolumbianischen Stadt vordringt, desto belebter werden die Straßen. Pferdekutschen, Fahrradfahrer und Fußgänger drängen durch die engen Gassen zum Plaza de Bolívar, dem Mittelpunkt der Stadt. Die Tische vor den Restaurants in den zweistöckigen pastellfarbenen Kolonialbauten sind bis auf den letzten Platz belegt.

Ursprünglich war Cartagena ein Handelszentrum: Im Jahr 1533 gegründet, ist die Hafenstadt eine der ersten spanischen Siedlungen im Norden Südamerikas. Heute gilt Cartagena als die am besten erhaltene Kolonialstadt in der Region. Touristen aus Europa und den USA kommen vor allem wegen der vielseitigen Musikszene – nicht nur dem Salsa, sondern zum Beispiel auch dem Festival International de Música.

Mit jährlich rund 18.000 Besuchern ist es eines der bedeutendsten klassischen Festivals in Kolumbien. Werke von Ravel, Strawinsky und Debussy stehen hier ganz selbstverständlich neben lateinamerikanischer Musik auf dem Programm.

Musik in Cartagena

Festival International de Musica: Anfang Januar 2016 ist der nächste Festival-Termin. Abends sind die Konzerte im Teatro Heredia, dem Hotel Santa Clara oder dem städtischen Kongresszentrum meist kostenpflichtig. Tagsüber treten die Musiker auch an öffentlichen Plätzen und in Kirchen auf, der Besuch ist teils gratis. Weitere Informationen unter www.cartagenamusicfestival.com.

Die Mischung machts

Das kulturelle Zentrum Cartagenas ist das Teatro Heredia. Es liegt in einem vornehmen Viertel der nördlichen Altstadt. Das großzügige, durch eine gelbe Klinkermauer geschützte Anwesen des verstorbenen Literaturnobelpreisträgers Gabriel García Márquez ist nur wenige Schritte entfernt. Hier treffe ich den 29-jährigen Kontrabassisten Mario Criales aus der kolumbianischen Hauptstadt Bogotá. Mit seinem dreiköpfigen Agile Ensamble spielt er regelmäßig im Teatro Heredia. Musikalisch bewegt er sich an der Grenze zwischen lateinamerikanischen Rhythmen und klassischer Musik. „Vom Kopf her bewundere ich die Klassik“, sagt er.

„Im Herzen aber bin ich noch immer ein kolumbianischer Musiker.“ Er sei in allen musikalischen Stilen zu Hause, sagt der Kontrabassspieler und gibt eine Kostprobe. Ein solcher Mix, wie er ihn mit dem Agile Ensamble schafft, sei für die Kolumbianer besonders reizvoll. „Die Mischung aus populärer lateinamerikanischer Musik und europäischer Klassik ist ein Erfolgsgeheimnis“, sagt Criales.

Ein ganz anderer Sound erwartet die Besucher in Getsemani. Das einst zwielichtige Viertel südlich der Altstadt ist heute ein lebendiges Quartier mit kleinen Restaurants, Handwerksbetrieben und Nachtclubs. Der Weg durch Getsemani führt durch enge Gassen zur Kirche am Plaza de la Trinidad, in deren Schatten einige Anwohner Schutz vor der drückenden Mittagshitze suchen. Die Fassaden der umliegenden Häuser sind himmelblau, lindgrün oder sonnenblumengelb gestrichen.

Rastazöpfe und Champeta

Viele der Anwohner sind Afrokolumbianer. Und in Getsemani wird ihre Musik gespielt: der Champeta. Einer der besten Orte, um diese schnelle Fusion aus Salsa, Jíbaro und Reggae zu hören, ist der Bazurto Social Club im Norden von Getsemani. Auf den ersten Blick erinnert der Club an einen Schnellimbiss: Vor der Bühne, auf der neben dem Sänger kaum noch Platz für Schlagzeug und Keyboard ist, drängen sich die Gäste um weiße Plastiktische. Getrunken wird massenhaft Tequila.

Der Andrang ist an diesem Abend besonders groß: Alle wollen zur Musik von Charles King tanzen, der mit seiner Band im Bazurto Social Club spielt. Seit er 17 Jahre alt ist, steht er auf der Bühne. Heute ist der 48-Jährige mit den hüftlangen Rastazöpfen einer der bekanntesten Vertreter des Champeta, der in der Region um Cartagena entstanden ist.

Die Wurzeln der Champeta-Kultur reichen bis in die 1920er Jahre zurück. Ursprünglich bezeichnet der Begriff ein kurzes, leicht gebogenes Messer, das im Norden Kolumbiens als Haushaltsgerät, aber auch als Waffe benutzt wurde. Seit wenigen Jahrzehnten wird damit auch die Musik der schwarzen Bevölkerung in Kolumbien verbunden. „Der Champeta bewahrt das, was von der afrikanischen Kultur in Kolumbien übrig geblieben ist“, sagt Charles King.

„Es ist eine Mischung aus Gitarrenmusik und schnellen Rhythmen.“ Ähnlich wie ursprünglich der HipHop in den USA ist der Champeta nicht nur ein Musikstil, sondern auch eine politische Bewegung. In ihren Songs wehren sich Künstler wie Charles King gegen Misshandlung, Ausbeutung und Diskriminierung der Schwarzen. Bis heute haben viele von ihnen in Kolumbien darunter zu leiden. Die Champeta-Musik hat immer auch eine wichtige politische Botschaft, sagt Charles King. „Wir werden von den Politikern oft vergessen: Unsere Dörfer verfallen, es gibt kein Geld für Schulen. Viele von uns leben in großer Armut. Darüber singe ich.“

Wegen seiner kritischen Texte wurde Charles King schon einmal von einem Festival ausgeladen. Über die Landesgrenzen hinaus steigt dagegen das Interesse für seine Musik. Bis nach New York haben ihn seine Auftritte gebracht. Es macht ihn froh, sagt er, der Welt auf diesem Weg ein Stück seiner kolumbianischen Heimat zu zeigen.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

0 Kommentare

  • Noch keine Kommentare vorhanden.
    Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!