Cannabis in Uruguay: Der regulierte Rausch
Das erste Land Lateinamerikas überführt den Cannabis-Markt in staatliche Kontrolle. Mehr als die Hälfte der Uruguayer ist dagegen.
BERLIN taz | Mit nur einer Stimme Mehrheit hat Uruguays Parlament am Mittwoch das umstrittene Gesetz angenommen, nach dem Produktion und Verkauf von Marihuana künftig legal und staatlich kontrolliert werden sollen. Der schon im August vergangenen Jahres eingebrachte Gesetzentwurf muss nun noch den Senat passieren.
Da die regierende linke Frente Amplio des Präsidenten José Mujica, eines strikten Verfechters der kontrollierten Freigabe, allerdings auch dort über eine Mehrheit verfügt, fehlt nicht mehr viel, um Uruguay zum ersten Land Lateinamerikas zu machen, das Cannabis in staatliche Kontrolle überführt.
Allerdings: Bei einer Umfrage vom Dezember vergangenen Jahres sprachen sich 63 Prozent der befragten UruguayerInnen gegen eine Freigabe aus. Die konservative Opposition hat bereits angekündigt, ein Referendum über das Gesetz anzustreben, und auch der Regierung ist klar, dass sie noch einiges unternehmen muss, um die öffentliche Meinung auf ihre Seite zu bringen.
Senator Sebastian Sabini, einer der Autoren des neuen Gesetzes, spricht von einem Missverständnis: Die Regierung habe keinesfalls vor, für den Marihuanakonsum zu werben, sondern lediglich, einen schon bestehenden Markt zu regulieren, sagt er. Wenn das verstanden werde, sieht er gute Chancen, dass sich die Mehrheiten verändern.
Verbraucher müssen sich registrieren lassen
Das neue Gesetz sieht vor, dass bis zu 40 Gramm Marihuana monatlich für den persönlichen Gebrauch künftig in staatlich lizenzierten Apotheken abgegeben werden dürfen. Verbraucher müssen sich registrieren lassen.
Das erinnert an jene US-Bundesstaaten, die Marihuana-Abgabe aus medizinischen Gründen legalisiert haben – allerdings muss in Uruguay niemand medizinische Gründe vorschieben: Es geht ums Kiffen. Rund 180.000 der rund 3,3 Millionen UruguayerInnen konsumieren Schätzungen zufolge regelmäßig Cannabis.
Neben der Abgabe in Apotheken soll auch die Eigenproduktion von Marihuana mit bis zu sechs Pflanzen pro Person künftig erlaubt sein. Mehrere KonsumentInnen können sich auch zu „Cannabis-Clubs“ mit je bis zu 45 Mitgliedern zusammenschließen und gemeinschaftlich bis zu 99 Pflanzen kultivieren. Der Verkauf an Dritte bleibt jedoch untersagt, genau wie die Abgabe an Jugendliche unter 18 Jahren und jegliche Werbung.
Die Regierung hofft, mit dem neuen Gesetz der organisierten Kriminalität den Geldhahn abzudrehen. „Das wirkliche Problem ist nicht das Marihuana, sondern der Drogenhandel“, sagt Präsident Mujica. Außerdem kämen die Konsumenten, wenn sie Marihuana bei den lizenzierten Stellen kaufen, nicht mehr mit Händlern in Kontakt, die harte Drogen anbieten. Die Einkünfte aus Steuern und Lizenzen könnten in Gesundheitspolitik investiert werden.
Schon seit einem noch unter der Militärdiktatur 1974 verabschiedeten Gesetz war in Uruguay der Besitz von Kleinstmengen von Marihuana zum Eigenverbrauch straffrei, Produktion und Handel jedoch verboten.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Christian Lindner
Die libertären Posterboys
Außenministerin zu Besuch in China
Auf unmöglicher Mission in Peking
Prozess gegen Letzte Generation
Wie die Hoffnung auf Klimaschutz stirbt
Olaf Scholz’ erfolglose Ukrainepolitik
Friedenskanzler? Wäre schön gewesen!
Neuer Generalsekretär
Stures Weiter-so bei der FDP
Rücktrittsforderungen gegen Lindner
Der FDP-Chef wünscht sich Disruption