CSUler über doppelte Staatsbürgerschaft: „Kein Handlungsbedarf“
Der integrationspolitische Sprecher der Unionsfraktion, Michael Frieser (CSU), über Probleme mit zwei Pässen und die Forderung nach einer Entscheidung.
taz: Herr Frieser, Ihr Koalitionspartner, die FDP, will die doppelte Staatsbürgerschaft öfter zulassen. Was spricht dagegen?
Michael Frieser: Erstens ist das nur die Meinung von Einzelnen, nicht der gesamten FDP. Zweitens sehe ich da derzeit keinen Handlungsbedarf.
In diesem Jahr haben die ersten Jugendlichen, die mit zwei Pässen aufgewachsen sind, ihre deutsche Staatsbürgerschaft verloren. Ist das nicht integrationspolitisch fatal?
Ich sehe erst einmal den Erfolg, dass neun von zehn Jugendlichen, die vor der Wahl standen, sich für die deutsche Staatsbürgerschaft entschieden haben. Und wer das will, kann sich auch später einbürgern lassen. Ich finde es richtig, dass man sich für eine bestimmte Rechtsordnung entscheidet und dafür, wo der eigene Lebensmittelpunkt liegen wird. Die Staatsbürgerschaft muss das Ende dieses Prozesses sein, nicht der Anfang.
Bei mehr als der Hälfte aller Einbürgerungen wird die Mehrstaatlichkeit hingenommen. Auch der ehemalige CDU-Ministerpräsident McAllister besitzt zwei Pässe, einen deutschen und einen britischen. Warum soll das bei Nicht-EU-Bürgern ein Problem sein?
Die doppelte Staatsbürgerschaft kann zu einer Vielzahl von Problemen führen – in Fragen des diplomatischen Schutzes, der Rechtsverfolgung und im Familienrecht. Bei EU-Bürgern ist das auf einer rechtlichen Ebene mittels Abkommen geklärt. Wir sollte aber tatsächlich überprüfen, ob wir die Mehrstaatlichkeit wirklich so oft hinnehmen müssen, wie das derzeit geschieht.
49, ist CSU-Bundestagsabgeordneter aus Nürnberg und integrationapolitischer Sprecher der Unionsfraktion. Er reagiert auf einen überraschenden Vorstoß der FDP, die die doppelte Staatsbürgerschaft nach jahrelanger Blockade nun auf einmal erleichtern wollen.
Mehr als sechs Millionen Menschen in Deutschland besitzen keinen deutschen Pass: Sie sind damit Bürger zweiter Klasse. Wäre es nicht wichtiger, mehr Menschen zur Einbürgerung zu bewegen, als auf der Exklusivität der deutschen Staatsbürgerschaft zu beharren?
Wer die Staatsbürgerschaft eines anderen Landes besitzt, der ist dort Bürger erster Klasse. Hierzulande genießt er zugleich einen Schutz und eine Achtung seiner Grundrechte, die weltweit ihresgleichen sucht. Wer darüber hinaus die gleichberechtigte Teilhabe in diesem Land haben möchte, muss sich entscheiden.
Der bürokratische Aufwand, um die Optionspflicht durchzusetzen, ist enorm. Lohnt sich dieser Aufwand überhaupt?
Kein anderes Land dieser Welt betreibt so einen Aufwand, und wir werden ihn vielleicht auch nicht bis ans Ende aller Tage betreiben. Aber wenn wir es schaffen, dass sich möglichst viele Menschen so eindeutig für Deutschland als ihre Heimat entscheiden, dann ist es das wert. Es wäre außerdem auch falsch zu glauben, dass die doppelte Staatsbürgerschaft nicht auch mit Kosten verbunden wäre, etwa für binationale Rechtskonflikte. Diese Kosten sind zwar nur schwer zu beziffern. Aber die zahlt letztendlich auch der deutsche Staat.
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