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CSU-Politiker zu Schwimmunterricht„Das gehört zum Bildungskanon“

Michael Frieser will eine bessere Schwimmausbildung, nicht nur für Muslime. Er glaubt, dass hier mehr integriert wird, als in gemeinsamen Religionsunterricht.

Zwei Schülerinnen mit ihrer Lehrerin beim Schwimmunterricht in Freiburg. Bild: dpa
Daniel Bax
Interview von Daniel Bax

taz: Herr Frieser, das Oberverwaltungsgericht in Leipzig hat entschieden, dass muslimische Mädchen am gemischten Schwimmunterricht teilnehmen müssen - im Zweifel im Burkini. Wie finden Sie das?

Michael Frieser: Ich begrüße, dass es jetzt eine höchstrichterliche Entscheidung für den koedukativen Schwimmunterricht gibt – und dass nicht mehr jeder aus religiösen Gründen entscheiden darf, ob er daran teilnehmen will oder nicht. Der Burkini ist ein gangbarer Kompromiss.

Wenn gemeinsamer Sportunterricht der Integration dient: Warum ist er an den meisten Schulen in Bayern dann getrennt?

Der Sportunterricht ist in der Regel getrennt. Der Schwimmunterricht aber findet schon aus organisatorischen Gründen meistens gemeinsam statt. Und sehen Sie: als Politiker bemängeln wir immer wieder, dass immer weniger Kinder überhaupt Schwimmen lernen. Dann können wir davon auf der anderen Seite nicht immer mehr Ausnahmen zulassen.

Warum dient gerade der gemeinsame Schwimmunterricht der Integration? Wäre ein gemeinsamer Religionsunterricht da nicht viel besser?

Nein. Der Religionsunterricht dient dazu, all jenen, die mit einem bestimmten Glauben aufgewachsen sind, die Möglichkeit zu geben, mehr über die Grundsätze ihrer Konfession zu lernen. Deshalb bin ich auch dafür, dass es überall dort, wo es mehrheitlich Schüler muslimischen Glaubens gibt, auch einen gemeinsamen islamischen Religionsunterricht gibt. Am besten von Lehrern, die in Deutschland ausgebildet worden sind.

Im Interview: Michael Frieser

49, sitzt für die CSU im Bundestag. Der Abgeordnete aus Nürnberg ist dort integrationspolitischer Sprecher der Unionsfraktion.

Wenn die Eltern ihr Kind auf eine private Schule schicken, auf der es gar keinen Schwimmunterricht gibt, ist der Integration aber auch nicht gedient, oder?

Nein, überhaupt nicht. Es geht aber auch nicht darum, jemanden an der Entfaltung seines Glaubens zu hindern. Die namhaften muslimischen Verbände haben dieses Urteil alle akzeptiert. Und nehmen wir an, diesem Mädchen passiert etwas im Wasser. Dann müssen wir uns alle fragen: warum haben wir es veräumt, diesem Kind das Schwimmen beizubringen?

Wenn ein katholischer Schüler die Harry-Potter-Bücher nicht im Unterricht lesen möchte, weil Papst Benedikt sie mal als unchristlich bezeichnet hat – was sagen Sie dem?

Dem würde ich sagen: wo kommen wir denn da hin? Der Papst hat Harry Potter ja auch nicht verboten. Und auch Goethe war mit seinen freigeistigen Schriften zum Teil im direkten Konfrontationskurs zur Kirche. Aber deswegen wird doch niemand den Faust als Schullektüre ablehnen. Wenn wir es ernst meinen mit einer Schulpflicht, dann haben der Staat und die Pädagogen auch die Pflicht, für sich festzulegen, was wir für beibringenswert halten. Dazu gehört, neue Horizonte zu öffnen. Wie will ein junger Mensch die Freiheit haben, sich für seine Religion zu entscheiden, wenn er nichts anderes kennen lernt als das, was ihm von seiner eigenen Religion vorgesetzt wird?

Das klingt wie ein Plädoyer für gemeinsamen Religionsunterricht.

Es ist keinem Schüler verboten, sich in einen anderen Religionsunterricht zu setzen, so lange er seinen eigenen nicht schwänzt. Oder, sich mit dem islamischen Glauben zu beschäftigen und eine Moschee zu besuchen. Und Vice Versa. Andere Sichtweisen kennen zu lernen und die Perspektive zu wechseln, das ist doch der Inbegriff unseres Lehr- und Lerninhaltes!

Laut einer Studie des Deutschen Sportbundes fällt in Deutschland jede vierte Sportstunde aus, an vielen Schulen gibt es keinen Schwimmunterricht. Betroffen sind vor allem sozial schwache Stadtteile. Was macht die Union dagegen?

Im Bund kann man da relativ wenig machen, das ist eine Frage der Schulträger vor Ort. Aber richtig ist: in meiner Generation haben noch drei Viertel der Schüler das Schwimmen gelernt – heute sind wir bei 40 Prozent. Das muss auf der Prioritätenliste nach oben, das gehört zum Bildungskanon. Aber bisher fällt das oft in die Kategorie freiwillig.

Was muss geschehen?

Wir müssen die Kommunen stärken und die Schulen von den Ländern besser ausstatten und verpflichten, damit sie das organisieren können. Das tut ja auch den städtischen Bädern gut, wenn die Schulen da feste Zeiten buchen. Keine Frage, dass dann trotzdem oft Stunden ausfallen, das ist eine Zeitkrankheit. Aber ich will, dass in diesem Land wieder mehr als die Hälfte der Schüler schwimmen können, wenn sie die Schule verlassen.

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20 Kommentare

 / 
  • B
    Brandt

    Muslimas kann man mit Schwimmunterricht nicht integrieren. Afroamerikanerinnen kann man mit Sport begrenzt integrieren, weil sie in vielen Sportarten weisse Frauen überholen und dadurch Status-Hierarchien und Geschlechterrollen destabilisieren können. Sportlerinnen aus dem Nahen Osten sind ganz unspektakulär. Mehr Sportunterricht lässt sie skurriler und komischer wirken.

  • F
    Flipper

    Religion ist im Unterricht verboten. Sportunterricht hingegen kann integrativ wirken. Daswissen wir vom internationalen Fußball.

    Und im Übrigen geht es hier wieder mal nur um die Mädchen, die diese Chance nicht haben dürfen. Und das in Deutschland wie in Entwicklungsländern auch, wo die Mädchen nicht einmal am Schulunterricht teilnehmen dürfen.

    Und da wird von "Toleranz" den Muslimen (Männern) gegenüber geredet.

    Ist doch zum Kotzen.

  • E
    Entschleunigter

    "Und nehmen wir an, diesem Mädchen passiert etwas im Wasser. Dann müssen wir uns alle fragen: warum haben wir es veräumt, diesem Kind das Schwimmen beizubringen?" Und nehmen wir an, dieses Mädchen erleidet durch den Zwang zum Schwimmunterricht ein emotionales Trauma, das sich zum Suizid auswächst. Dann müssen wir uns alle fragen: Warum haben wir es versäumt, die intimsten Schamgefühle dieses Kindes zu respektieren?

  • E
    Entschleunigter

    "Andere Sichtweisen kennen zu lernen und die Perspektive zu wechseln, das ist doch der Inbegriff unseres Lehr- und Lerninhaltes!" Vielleicht möchte der gute Mann dann auch mal in die Perspektive eines jungen Mädchens wechseln, welches sich beim Schwimmunterricht von peinlichsten Schamgefühlen geplagt fühlt? Ausgerechnet ein CDUler verlangt von anderen Leuten Offenheit und einen Perspektivwechsel, noch dazu von einem Kind! Lachhaft.

  • R
    Ruffels

    @Sommer Gregor:

    Richtig! Schwimmlehrer sind alles Militaristen und diejenigen die schwimmen können die allerschlimmsten Kriegstreiber.

    • 7G
      738 (Profil gelöscht)
      @Ruffels:

      Genau so war das gemeint, wer lesen kann ist klar im Vorteil. Sie sollten vielleicht einne Karriere bei der Bildzeitung als Leserreporter anstreben. Da kann man sich fern von Inhalten aus Stichwörtern eine Schlagzeile zusammmenbasteln.

  • Ich finde Schwimmunterricht, genauso wie den normalen Sportunterricht, als sehr wichtig. Nicht nurm dass die Bevölkerung von sich aus viel weniger Bewegung erfährt, sondern auch, da spielerischer Sport zusammenführt. Die fetten unsportlichen Kinder müssen dann halt etwas aufholen. Genau wie die weniger schlauen im Matheunterricht. That's life.

     

    In den meissten Ländern kann die Mehrheit der Bevölkerung nicht schwimmmen, helfen tut das auch keinem...

  • 7G
    738 (Profil gelöscht)

    Schwimmen als Unterrichtsfach wurde als Beitrag zur Wehrertüchtigung eingeführt. Es ist ja nicht so, dass man in Deutschland nicht überleben könnte wenn man nicht schwimmen kann. Genau so schlüssig wäre es zu behaupten, Segelfliegen sei unabdinglich für die persönliche Entwicklung von Kindern. Es soll sogar Menschen geben, die erst im Erwachsenenalter aus reinem Interesse Schwimmen gelernt haben. Die Behauptung Schwimmunterricht rette Leben ist lächerlich - die minimalen Kenntnisse die dabei vermittelt werden, lange nicht einmal um jemanden mehr als zwei Minuten über Wasser zu halten.

    Kinder werden auch in Zukunft mit der Familie, in Vereinen und in privaten Schwimmgruppen schwimmen lernen, daher sollten die Krokodilstränen über den Bildungskanon an anderer Stelle vergossen werden.

    • R
      Rufender
      @738 (Profil gelöscht):

      Der Deutsche mag´s halt militärisch, nicht wahr? Wehrertüchtigung, das gefällt ihm. Ich habe das Schwimmen auch erst gelernt, als ich keinen Schwimmunterricht mehr hatte - aber ich bin ja auch ganz undeutsch pazifistisch und fremdenfreundlich eingestellt.

  • J
    jujutulu

    Dumm, dümmer, CSU. Was für ein schwachsinniges Statement. Was hat den Schwimmunterricht mit Bildung zu tun? Schon mal ein losphische Abhandlungen zum Bldungsbegriff gelesen? Hier manifestiert sich wieder einmal, was so alles unter dem Deckmantel der "Integration" an Repressionen ausgeübt werden. "Integration" heißt auch Aufeinanderzubewegen und sich in Toleranz üben, nicht nur Assimilationsleistungen fordern! Im Übrigen ging ich einst auch in Bayern zur Schule und der Schwimmunterricht wurde ab der fünften Klasse geschlechtergetrennt erteilt. Davon abgesehen, erlernte keine/r der Nichtschwimmer durch diesen Unterricht das Schwimmen. Würde den Herrn ja mal selbst gerne im Schwimmunterricht sehen. Und die in Deutschland ausgebildeten Islam-Lehrer sollen dann selbstverständlich vermitteln, dass dieser "rückständig", frauenfeindlich und terroristisch ist. Habe ich Recht, Herr Frieser? Im Übrigen sollten sich Poltiker/innen, die keine Ahnung von Pädagogik o.Ä. haben, nicht ständig als Expert/innen für Bildungsfragen profilieren. Anngesichts des Ausmaßes des hierzulande herrschenden Alltagsrassismusses sehe ich da schon eher eine Notwendigkeit von Antirassismustrainings und/oder Social Justice Trainings als von Schwimmunterricht.

  • HB
    Harald B.

    Hier eiert man doch um das Kernproblem herum: Es geht doch nur vordergründig um den Schwimmunterricht. Der Kernpunkt ist doch, dass wir in Deutschland UNSERE gesetzlichen Regeln durchsetzen müssen und sie nicht durch ständig neue Forderungen einer bestimmten Gruppe wegen ihrer Religion immer weiter aufweichen lassen.

    • E
      Entschleunigter
      @Harald B.:

      Hier geht es um ein Mädchen, das Schamgefühle hat. Das ist alles. Offenbar sind viele Deutsche inzwischen regelrecht paranoid geworden.

      • F
        Flipper
        @Entschleunigter:

        Nee. das Mädchen hat Schamgefühle, weil man es dazu erzogen hat und weil es sich deswegen hier nicht integrieren darf.

  • Was mich an diesem Interview am meisten schockiert hat, war die Tatsache (sollte es eine sein), dass nur noch 40% der SchülerInnen in der Schule schwimmen lernen. Was machen die anderen? Nehmen die private Stunden?

    • E
      Entschleunigter
      @Anton Gorodezky:

      Wahrscheinlich machen es manche so wie ich: Lernen das Schwimmen halt ein paar Jahre später. Oder sie verzichten ganz darauf, was ja auch gutes Recht eines jeden ist. Wird ja auch niemand zum Autofahren, Tanzen oder Modellbauen gezwungen.

      • @Entschleunigter:

        @Entschleuniger: Mit dieser Begründung kann auch der Sportunterricht gleich ganz abgeschafft werden! Es ist doch Fakt, dass viele Kinder nie Sport treiben oder Schwimmen lernen würden, wenn es nicht in den Schulen vermittelt würde. In einer Nation die sich körperlich immer mehr verfettet ist das vielleicht nicht die beste Aussicht. Ich habe viele Jahre lang Sport gemacht, habe auch Schwimmunterricht in den Schulen gehabt, und ich bin oftmals erschüttert wenn ich die KlassenkameradInnen meiner Tochter sehe, die teils nicht mal 50 Meter laufen können, die nicht mehr mit dem Rad fahren und auch meist nicht mehr schwimmen können.

        Die meisten lernen es eben nicht "ein paar Jahre später", sondern nie mehr.....

        • E
          Entschleunigter
          @Jochen Braun:

          Dann sollten die Eltern von verfetteten Kindern sich an den Islam halten. Die meisten Kinder aus muslimischen Familien sind gut in Form. Warum? Weil die ihren Glauben noch ernst nehmen, sich an die Ernährungsempfehlungen des Koran halten und sich ihre Würde bewahrt haben, während Nichtmuslime ihren Kindern keine Grenzen setzen und sie mit Fastfood und Süßigkeiten mästen. Da hilft es dann auch nicht, eine halbe Stunde pro Woche im Wasser rumzuplantschen.

    • R
      routier
      @Anton Gorodezky:

      Entspann Dich

      40% der Schüler und Lehrer können auch nicht mehr Denken

    • L
      lord
      @Anton Gorodezky:

      Ich denke in der KiTa. Da gibt es Schwimm Untericht Angebote.

       

      Mein Sohn ist in der 2. Klasse und kann jetzt schwimmen. Schulischer Schwimmunterricht kommt erst noch.

      • F
        Flipper
        @lord:

        Der Sohn ist aber ein Junge. Muslimische Mädchen haben nicht dieseleben Rechte. Sagt die Familie.