CSU-Parteitag in München: „Jetzt erst recht!“
Ein CSU-Parteitag als Selbstbeschwörungsfeier des Söder-Fanclubs. Überraschung: Seehofer, der sich als größter Anhänger des Spitzenkandidaten zeigt.
Vier Minuten dauert der Applaus, es ist, als ob die Partei sich gerade alles von der Seele klatschen wollte, was sie derzeit belastet. Diese Umfrage vom Mittwoch zum Beispiel, immerhin die wichtigste in Bayern, die der CSU nur noch 35 Prozent der Stimmen vorhersagte. 35 Prozent! Zur Erinnerung: 43,4 Prozent, das war die größte Niederlage, die die CSU bisher je bei einer Landtagswahl verkraften musste. Vor zehn Jahren war das, sie galt als Katastrophe und besiegelte das Schicksal von Ministerpräsident Günther Beckstein und Parteichef Erwin Huber.
Für viele im Münchner Postpalast dürfte Söders Rede freilich nicht neu gewesen sein. Es war dieselbe Show, mit der Söder schon seit Wochen in Bayern auf Tour ist. Die einzelnen Versatzstücke variieren allenfalls, werden in unterschiedlicher Reihenfolge aneinandergereiht. Einige davon hat er bereits seit einem Jahr im Repertoire. Bis in die Formulierungen und Witzeleien hinein zitiert sich der Ministerpräsident selbst.
Man dürfe bei Umfragen nicht hyperventilieren sagt er dann, oder: Er habe zwar keinen Herausforderer, aber die Herausforderung sei umso größer. Bayerischen SPD- und Grünen-Politikern hält er vor, dass sie jeden Morgen eine E-Mail aus Berlin bekämen, in der stehe, was sie zu tun hätten. Und irgendeine böse Bemerkung über das Aussehen des grünen Fraktionschefs im Bundestag, Anton Hofreiter, muss auch immer dabei sein – und wird vom Publikum auch dankbar goutiert.
„Fortschrittliche Politik“
Immerhin: Nicht in jedem Bierzelt gab sich Söder zuletzt so kämpferisch wie an diesem Samstag beim Parteitag. Er schwingt seine Faust durch die Luft, ruft in den Saal, spricht seiner Partei Mut zu. Die Umfragewerte könnten ein Weckruf sein. Er könne sich schon vorstellen, dass der eine oder andere der Partei „einen Schubser oder einen kleinen Denkzettel“ geben wolle. Die Menschen wollten aber kein gänzlich anderes Bayern. Diese Gefahr bestehe jedoch, wenn im Oktober tatsächlich sieben Parteien in den Landtag einzögen. Dann könne Bayern „vom Modellfall für Demokratie zum Problemfall für die Demokratie“ werden, warnt Söder.
Eine große Rede also, findet Seehofer. Und fügt noch hinzu, Markus Söder sei „das Beste, was Bayern hat“. Ob sie sich verhört habe, twittert eine Journalistin irritiert. Nein hat sie nicht. Überhaupt ist das, was der CSU-Chef an diesem Tag sagt – oder auch nicht sagt –, das wirklich Bemerkenswerte an diesem Tag.
Vor Söder ist auch Seehofer ans Pult getreten. Was er zu sagen hatte, war ganz und gar nicht das, was man von ihm gewohnt war. 40 Minuten lang übergoss er seinen Nachfolger mit Lob. Und, nein, es war weder ironisch, noch vergiftet. Der heutige Tag stehe „ganz im Zeichen unseres Ministerpräsidenten Markus Söder“, er wolle „unserm Markus zu allererst danken für seinen ungeheuren Einsatz in den letzten Monaten“ und für die „fortschrittliche Politik“. Besonders habe ihn der Einsatz für die kleinen Leute fasziniert. „Du hast dich von niemandem übertreffen lassen bei deinem Einsatz für unser Land.“ Und überhaupt: Das von Söder ins Leben gerufene Landesamt für Asyl – das könne man „gar nicht hoch genug einstufen“.
Zwei, zwischen die kein Blatt passt?
Auch für die bayerische Grenzpolizei bedankt sich Seehofer, der die Staatskanzlei vor einem halben Jahr keineswegs freiwillig verlassen hat. „Wir brauchen immer einen Leader vorne, und den haben wir mit dem Markus Söder.“ Und zu guter Letzt: „Markus, darf ich vielleicht auch sagen: An unserer Geschlossenheit wird es sicherlich nicht liegen.“
Zwei, zwischen die kein Blatt passt? Das fällt schwer zu glauben, angesichts der Geschichte, die Söder und Seehofer verbindet. Eine Geschichte der größtmöglichen gegenseitigen Abneigung. Und doch Seehofers Auftritt wirkt nicht verkrampft wie manche seiner Aussagen über seinen Nachfolger in der Vergangenheit.
Jedenfalls liefert er genau das, was die Delegierten hören wollen. Schließlich hat man sich an diesem Tag ja nur noch mal selbst Mut machen wollen für die letzten vier Wochen vor der Wahl. Das scheint gelungen zu sein. Edmund Stoiber, der zwischendrin mit seinem Co-Ehrenvorsitzenden Theo Waigel auch mal kurz aufs Podium darf, spricht von einer „Jetzt-erst-recht-Stimmung in der CSU“, der Rest, den Stoiber mit heiserer Stimme in den Saal ruft, geht im Beifall unter.
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