CSU-Klausurtagung: Marathonlauf um Nachfolge
Die CSU hat Klausurtagung. Die Landtagsfraktion spekuliert, wer einmal Ministerpräsident Horst Seehofer beerben wird.
WILDBAD KREUTH taz | Vor dem Tagungsgebäude in Wildbad Kreuth, wo die CSU-Landtagsfraktion diesen Montag ihre traditionelle Winterklausur beginnt, steht ein Schneemann. In der einen Hand ein Stock, der wie ein Zepter in den weiß-blauen Himmel zeigt, auf dem Kopf eine hölzerne Krone. „Der dritte Thronprinz“, witzeln einige. Dabei sind sich doch alle in der Fraktion einig, dass es diesmal bitte nicht mehr um die Nachfolge von Horst Seehofer gehen soll.
Vor zwei Wochen, als die Landesgruppe der CSU-Bundestagsabgeordneten in Kreuth tagte, hatte Seehofer mit seiner Ankündigung, 2018 definitiv nicht mehr zu kandidieren, den Parlamentariern die Show gestohlen. Jetzt könnte es dem Fraktionsvorsitzendem Thomas Kreuzer ähnlich gehen, denn er hat sich für diese Klausur mit dem Thema „Moderner Staat“ eher ein sperriges Programm ausgedacht.
Wie können unnötige Vorschriften vermieden werden? Wie viel Freiheit braucht der Einzelne, was muss der Staat regeln? Fragen, von denen selbst Ministerpräsident Horst Seehofer sagt, sie werden erst spannend, wenn man sie sich ganz „genau ansieht“. Da ist es mehr als wahrscheinlich, dass auf den Gängen von Kreuth die Gespräche der Abgeordneten abdriften.
Genug Stoff gibt es: Gerade hat eine repräsentative Umfrage des Politikmagazins „Kontrovers“ klargemacht, wer die Nase vorn hat im Rennen um die Thronfolge. Den bayerischen Finanzminister Markus Söder können sich 41 Prozent als Ministerpräsidenten vorstellen, seine Konkurrentin, Wirtschaftsministerin Ilse Aigner, nur 24 Prozent. Letztes Jahr lagen beide mit um die 30 Prozent noch etwa gleich auf.
Seehofer wollte immer eine gesunde Balance zwischen den Anwärtern
„Das ist der Lohn für seine exzellente Arbeit als Finanzminister“, sagt der stellvertretende Fraktionsvorsitzende Karl Freller am Rande der Klausur. Söder konnte im letzten Jahr mit der Aufarbeitung des Landesbank-Skandals oder dem Breitbandausbau punkten. Selbst Horst Seehofer, dem nicht gerade ein herzliches Verhältnis zu seinem Dauerrivalen nachgesagt wird, gratulierte Söder an seinem Geburtstag zu seiner „perfekten Arbeit“. Allerdings ist Söder als Finanzminister mit vollen Staatskassen auch in der angenehmen Position, Geld zu verteilen.
Aigner hat da ein schwierigeres Projekt am Rockzipfel hängen: die Energiewende. Die rief Seehofer letzte Woche als „wichtigstes Thema überhaupt im anlaufenden Jahr“ aus – ein klares Signal an Aigner, jetzt endlich zu liefern. Bisher versuchte Seehofer immer, eine gesunde Balance zwischen den Anwärtern auf seinen Posten zu schaffen. Söders große Beliebtheit bei den Bayern hat das Gleichgewicht jetzt ins Wanken gebracht.
In Kreuth steht auch der weiß-blaue Tischkicker der CSU-Landtagsfraktion. Wer glaubt, im Spiel um die Nachfolge hätte die Mannschaft Söder genauso viel zugelegt, wie es seine guten Umfragewerte nahelegen, der täusche sich, heißt es. Etwa ein Drittel der Abgeordneten sind aus Oberbayern und daher traditionell für Aigner.
Außerdem würden sich nicht wenige CSU-Frauen auch mal eine weibliche Chefin wünschen. Trotzdem hat es sich Aigner mit unbeliebten Personalentscheidungen auch bei ihren Landsleuten aus Oberbayern verscherzt. Auch brauchte sie lange, um zu verstehen, dass die CSU in München anders ticke als in Berlin. Trotzdem werten viele ihre schlechten Umfrageergebnisse als „Momentaufnahme“.
Wer bei den ersten hundert Metern eines Marathons vorn liegt, müsse noch lange nicht als Erster ins Ziel gehen, heißt es. Die Mehrheit der Fraktion stimmt Seehofer zu, der jetzt zwischen den Wahlen endlich wieder Sachpolitik sehen will.
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