CSD-Parade in Berlin: „Das hier ist keine Parade!“
Politische Demonstration oder einfach eine Riesenparty? In diesem Spannungsfeld bewegte sich auch der 45. Christopher Street Day wieder.
Kurze Zeit später kann der CDU-Mann dann doch sprechen und den Protest übertönen. Er redet über die Vielfalt Berlins. Er redet über den Anspruch der Hauptstadt, sicherer Hafen für verfolgte Menschen aus anderen Ländern zu sein. Und er verspricht, einer möglichen Änderung von Artikel 3 Grundgesetz zuzustimmen. Der verbietet die Diskriminierung von Menschen, erwähnt ihre Sexualität als Diskriminierungsmerkmal aber bisher nicht. „Da muss die sexuelle Identität mit rein. Und das ist mein Versprechen an euch! Wir werden das gemeinsam mit euch auch hinbekommen“ sagt Wegner.
Zuvor haben sich schon Bundestagspräsidentin Bärbel Bas sowie die Vorstände des CSD zu Wort gemeldet. In ihren Reden zeigt sich das Spannungsfeld, in dem sich der CSD bewegt. Einerseits werden große politische Forderungen wie die nach der Änderung des Grundgesetzes gestellt, andererseits der Partycharakter der Demo hervorgehoben. „This is not a parade! This is a demonstration“, betont Vorständin Stella Spoon. Vorständin Seyran Ateş beendet ihre Rede mit den Worten „Happy pride und lasst uns feiern!“
Schließlich setzt sich der Umzug in Bewegung, Musik schallt über die Köpfe. Auch die kleine Gruppe aus jungen Demonstrierenden, die ihrem Ärger zuvor mit Kochtopf und Löffel Luft gemacht hat, läuft dem ersten Wagen hinterher. Eine junge Person, die anonym bleiben möchte, erklärt der taz, warum sie Wegner nicht auf dem CSD sehen will: „Er gehört einer Partei an, die vor weniger als fünf Jahren mit fast 100 Prozent gegen die Ehe für alle gestimmt hat. Dieser Mann gehört nicht auf unsere Demo!“ Auf die Frage, ob die Internationalist Queer Pride am Nachmittag in Neukölln für sie eine Alternative zum etablierten CSD sei, sagt die Person: „Wir laden alle herzlich ein zu kommen. Außer, du bist zu hacke, dann komm da nicht hin. Denn das ist eine Demo!“
Vom Start an der Leipziger Straße zieht der 45. Berliner CSD bunt und laut am Bundesrat vorbei. Über den Nollendorfplatz geht es zur Siegessäule und von dort über die Straße des 17. Juni bis zur Hauptbühne am Brandenburger Tor. Das diesjährige Motto lautet „Be their voice – and ours! … Für mehr Empathie und Solidarität!“ 500.000 Teilnehmende haben die Veranstalter:innen angemeldet. Die Polizei spricht auf taz-Anfrage von „mehreren Hunderttausend Menschen“. Eine genaue Zahl sei wegen der weit auseinandergezogen Demo schwer zu schätzen.
Nur in eine Regenbogenflagge gehüllt
Während des Umzugs geraten die politischen Forderungen in den Hintergrund. Vereinzelt sind Plakate zu sehen, auf denen „Viva la vulva“ oder „Fuck the patriarchy“ steht. Die friedliche Stimmung und die Freude der Teilnehmenden sind dafür umso stärker zu spüren. Schillernde Seifenblasen fliegen durch die Luft, Menschen küssen und umarmen sich, jede Menge Pride-Flaggen wehen. Neben Dragqueens, Männern in Fetishwear oder auch mal komplett nackt und nur in eine Regenbogenflagge gehüllt sind auch einige Familien mit kleinen Kindern dabei. Die Menge ist vielfältig und gut drauf.
Politisch wird es dann wieder beim Abendprogramm an der Hauptbühne. Der Leiter der Berliner Aids-Hilfe, Blaise Feret Pokos, hält eine flammende Rede über Zivilcourage. Wenn in der U-Bahn, an der Supermarktkasse oder sonst im Alltag Menschen diskriminiert und angefeindet werden, dürfe niemand wegschauen. „Wir müssen uns einmischen“, lautet die Botschaft seiner Rede.
Die Band Tokio Hotel und die Panoramabar-Resident-DJs Steffi und Virginia runden den Abend musikalisch ab. Bis Mitternacht wird am Brandenburger Tor gefeiert.
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