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CONTRA: DIE GRÜNEN DÜRFEN KEINEN NEUEN KALTEN KRIEG LEGITIMIERENLeise Zweifel sind nicht genug

Nur wenige Tage nach dem Beschluss des Bundestages, die USA bei der Terrorbekämpfung auch militärisch zu unterstützen, kommen bei den Grünen leise Zweifel auf. Mit Renate Künast und Jürgen Trittin versuchten am Wochenende selbst Mitglieder des Bundeskabinetts, die bedingungslose grüne Zustimmung zur Anwendung militärischer Mittel ein wenig zu relativieren. Natürlich seien nur ganz gezielte Aktionen zulässig. Doch gerade diese jüngsten Äußerungen grüner Spitzenpolitiker lassen vermuten, dass sie die Dimension des von den USA geplanten Feldzuges nicht voll erfasst haben.

Die Debatte wird offenbar noch vom Bild des Golfkrieges 1991 und von den Bombardements in Jugoslawien 1999 geprägt. Es dominiert der naive Glaube, der angekündigte Krieg werde wieder, wenn nicht in einigen Wochen, so doch in wenigen Monaten beendet sein. Die jetzt anstehende Konfrontation scheint aber nach den Plänen der US-Regierung eine völlig andere Dimension zu bekommen. Das US-Militär rüstet sich offenbar für eine ganze Abfolge kleinerer Kriege, die sich insgesamt über Jahre, wenn nicht über Jahrzehnte hinziehen werden. Anders als im Kosovo- oder im Golfkrieg gibt es in dieser Auseinandersetzung kein auch nur einigermaßen definiertes Kriegsziel: Der Krieg wird erst enden, so hat Präsident Bush unzweideutig klar gemacht, wenn jede weltweit aktive Terroristengruppe gefunden und besiegt worden ist. Dass dieses Ziel niemals hundertprozentig zu erreichen sein wird, wissen auch Bush und seine Berater. Sie behalten durch diese vage Zielsetzung die Definitionsmacht. Vor dem Kongress hat der Präsident von sechzig Staaten gesprochen, die Terroristen beherbergen sollen. Praktisch alle militärischen Interventionen der kommenden Jahre können so, wenn nötig, unter den Mantel der Terrorbekämpfung gestellt werden.

Auch der Kalte Krieg hatte mit der Bekämpfung der stalinistischen Unterdrückung zunächst eine moralisch unanfechtbare Legitimation. Auch im Kalten Krieg ging es nicht um eine einzige große Schlacht, sondern um Geheimdienstoperationen und Drohgebärden. Das Ergebnis war dennoch katastrophal: Die USA führten viele kleine schmutzige Kriege, stützten oder installierten menschenverachtende Regime und trugen zur weltweiten Militarisierung bei. Die Grünen sind aus dem Widerstand gegen diese dauerhafte militärische Mobilmachung entstanden. Jetzt sind sie dabei, einer neuen Mobilmachung die Legitimation zu verschaffen. ERIC CHAUVISTRÉ

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