CDU uneins über Grundrente: Vorhang zu und alle Fragen offen
Sind in der Union jetzt alle happy mit der Grundrente? Manche in der Partei hätten das gern, stattdessen wird aber ein Showdown wahrscheinlicher.
Vergessen die Kritik von Carsten Linnemann? Der Vorsitzende der CDU-Mittelstandsvereinigung hatte für den Fall einer fehlenden Bedürftigkeitsprüfung von einem „Dammbruch“ im Sozialsystem gesprochen. Und was ist mit Tilman Kuban? Am Morgen hatte der Chef der Jungen Union im Deutschlandfunk vor einer „Abkehr vom Sozialstaat“ gewarnt. Am Dienstagnachmittag begannen dazu die Beratungen der Unionsfraktion, zum Redaktionsschluss der taz dauerten sie noch an.
Am Sonntag hatte sich die Koalition auf die Einführung einer Grundrente geeinigt. Monatelang hatten CDU/CSU auf der einen Seite und die SPD auf der anderen darum gerungen, ob diese mit einer „Bedürftigkeitsprüfung“ verbunden werden sollte. Eine solche findet bereits im Rahmen der Grundsicherung statt. Anspruch auf diese steuerfinanzierte Sozialhilfe haben Rentner, deren Einkommen unter 865 Euro im Monat liegt. Geprüft wird auch, ob Betroffene Vermögen in Form von Aktien, Bargeld oder Immobilien haben.
Die Union wollte das gleiche Verfahren bei der Grundrente anwenden. So ist es im Koalitionsvertrag vereinbart: „Voraussetzung für den Bezug der Grundrente ist eine Bedürftigkeitsprüfung entsprechend der Grundsicherung.“ Arbeitsminister Hubertus Heil kündigte dann aber Anfang dieses Jahres an, dass er beabsichtige, jeden in den Genuss der Rentenaufstockung kommen zu lassen, der 35 Jahre sozialversicherungspflichtig gearbeitet, Kinder erzogen oder Angehörige gepflegt hat.
Kommt ein „kritischer Antrag“?
Die Aufstockung liegt zehn Prozent über der Grundsicherung für Rentner. Der gerade beschlossene Kompromiss zwischen beiden Seiten läuft nun unter dem Label „Einkommensprüfung“. Das bedeutet, dass lediglich die Einkommen der Rentner geprüft werden, bevor sie eine Grundrente ausgezahlt bekommen. Das Vermögen spielt hier keine Rolle mehr.
Fast zeitgleich zu Dobrindts Auftritt sprach Angela Merkel auf dem Arbeitgebertag in Berlin. Wie dieser verwies sie darauf, dass eine Grundrente bereits seit Jahren auf der Agenda der verschiedenen Bundesregierungen unter ihrer Führung gestanden habe, damals noch unter dem Namen „Lebensleistungsrente“. Wenn man jetzt nicht liefere, mache man sich „lächerlich“.
Eine Anspielung auf die parteiinternen Kritiker des Kompromisses. Der von Dobrindt postulierte Burgfrieden war eine Nebelkerze. Wie die taz aus Kreisen der Mittelstandsunion erfuhr, spielt man dort sogar mit dem Gedanken, auf dem Parteitag am 7. Dezember einen „kritischen Antrag“ gegen die Grundrente einzubringen. Vorhang zu und alle Fragen offen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Debatte um SPD-Kanzlerkandidatur
Schwielowsee an der Copacabana
BSW und „Freie Sachsen“
Görlitzer Querfront gemeinsam für Putin
Urteil nach Tötung eines Geflüchteten
Gericht findet mal wieder keine Beweise für Rassismus
Papst äußert sich zu Gaza
Scharfe Worte aus Rom
Aktienpaket-Vorschlag
Die CDU möchte allen Kindern ETFs zum Geburtstag schenken
Waffen für die Ukraine
Bidens Taktik, Scholz’ Chance