CDU in Baden-Württemberg: Union nutzt den Enkeltrick
Manuel Hagel wird der neue Chef der CDU Baden-Württemberg. Er könnte Ministerpräsident Kretschmann beerben, wäre da nicht ein Konkurrent.
Er ließ Reisner ausreden, entgegnete dann ruhig, das sei ja das Tolle an diesem Land, dass es auch erlaubt sei, ihn rassistisch zu nennen, „Schwamm drüber.“
Kontrolliert und integrierend, vielleicht etwas glatt, dabei durchaus konservativ. Das fällt politischen Gegnern wie auch Weggefährten ein, wenn sie über den Newcomer der baden-württembergischen CDU sprechen. Eigenschaften, die Hagel gut gebrauchen kann, wenn seine Partei ihn am Samstag zum neuen Vorsitzenden wählt. Denn die dortige CDU ist traditionell in Lager gespalten, die nur wenig mit politischen Ansichten zu tun haben, dafür viel mit lange gepflegten Feindschaften.
Hagel konnte da in der Vergangenheit schon einiges kitten. Die Erwartungen seiner Parteifreunde hat der junge Schwabe aber erst erfüllt, wenn er sie nach der Landtagswahl 2026 wieder dahin zurückbringt, wo sie nach Ansicht der meisten Mitglieder quasi naturrechtlich hingehört: in die Regierungszentrale.
Der Jüngste ist er oft
Hagel wäre, wenn das gelänge, der jüngste Ministerpräsident, den das Land je hatte. Mit seinen 35 Jahren hat er gerade erst das erforderliche Mindestalter für das Amt. Doch das ist er gewohnt, er war immer der Jüngste: Als Direktor der örtlichen Sparkasse, als Gemeinderat, als Landtagsabgeordneter, Generalsekretär der Landes-CDU und derzeit als Fraktionschef.
Dabei ist es ihm bisher gelungen, seine Aufgaben weitgehend fehlerlos zu absolvieren. Im vergeigten Wahlkampf mit Spitzenkandidatin Susanne Eisenmann distanzierte er sich frühzeitig. Als CDU-Fraktionschef stand er lange in duldsamer Treue zu seinem Förderer und Durchwurschtler Thomas Strobl, ohne dass dessen Skandale auf ihn abfärbten.
Und selbst zum grünen Regierungschef Winfried Kretschmann pflegte der praktizierende Katholik in der grün-schwarzen Koalition bis vor Kurzem ein inniges Schüler-Lehrer-Verhältnis. So innig, dass der SPD-Oppositionsführer Andreas Stoch sein Verhalten als „politischen Enkeltrick“ bezeichnete. Hagel präsentiere sich konservativen Kretschmann-Wählern als natürlicher Nachfolger, indem er Ökologie und Klimaschutz bisweilen leidenschaftlicher predigte als der Ministerpräsident selbst.
Kuscheln mit Grünen
Mit der demonstrativen Harmonie zu den Grünen ist es aber weitgehend vorbei, seit die letzte Hälfte von Kretschmanns Amtszeit angebrochen und die CDU auch im Land im Aufwind ist. Im Sommer stellte Hagel klar, dass die CDU nicht bereit wäre, im Fall von Kretschmanns vorzeitigem Rückzug einen grünen Nachfolger zu wählen. Im bisher milden Koalitionsklima des Südwestens galt das schon fast als Kampfansage.
Hagel ist Stratege. Im kleinen Kreis kann er sich auch mal in die Feinheiten von Wählermilieus und Methoden für die Zielgruppenanprache verlieren. Zeitweise hatte er große Bewunderung für einen anderen Polit-Youngster, der aber schon wieder gefallen ist: den früheren österreichischen Bundeskanzler Sebastian Kurz.
Nur für dessen moderne Wahlkampfstrategien habe er sich interessiert, beteuert Hagel, nicht für seine politischen Methoden oder Inhalte. Ein direkter Vergleich wäre ungerecht. Anders als Kurz hat Hagel auf dem Weg zur Macht keine Parteigranden aus dem Weg geräumt. Und während sich der Österreicher mit der rechten FPÖ einließ, grenzt sich Hagel verbal von der AfD ab: „Sowohl intellektuell als auch habituell unterscheidet uns von dieser rechtsextremistischen Gruppe alles“, sagt er. „Eine Zusammenarbeit ist undenkbar.“
Als Parteivorsitzender hat Manuel Hagel nun zweieinhalb Jahre Zeit, sich auch bei den Wahlberechtigten zu profilieren. Nicht einfach. Vor allem, wenn man eher als Versöhner, nicht als Polemiker auftreten will. Bekanntheit wird entscheidend sein. Vor allem, wenn stimmt, was Grüne eifrig verbreiten – dass 2026 ein echter Promi Hagels Gegner sein könnte: Cem Özdemir.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Selbstzerstörung der FDP
Die Luft wird jetzt auch für Lindner dünn
Greenpeace-Mitarbeiter über Aufrüstung
„Das 2-Prozent-Ziel ist willkürlich gesetzt“
Stellungnahme im Bundestag vorgelegt
Rechtsexperten stützen AfD-Verbotsantrag
Iran als Bedrohung Israels
„Iran könnte ein Arsenal an Atomwaffen bauen“
Verfassungsrechtler für AfD-Verbot
„Den Staat vor Unterminierung schützen“
Koalitionsvertrag in Brandenburg steht
Denkbar knappste Mehrheit