: CDU beendet Naturschutz-Posse
Prompt nach der Niedersachsenwahl gibt die Regierungskoalition ihren Widerstand gegen die EU-Naturschutz-Richtlinie auf. Das Gezerre diente nur als Wahlhilfe für den CDU-Kandidaten Christian Wulff ■ Von Matthias Urbach
Berlin (taz) – Ende einer Posse: Nachdem sich die Bonner Regierungskoalition vier Wochen lang als Retter der Bauern aufgespielt hatte, stimmten ihre Vertreter im Vermittlungsausschuß von Bundestag und Bundesrat vorgestern kleinlaut zu, zwei EU-Naturschutzrichtlinien in deutsches Recht umzusetzen – die Flora-Fauna-Habitat-Richtlinie (FHH) und die EU-Artenschutz-Verordnung. Bislang hatte es geheißen, man würde die Richtlinien nicht umsetzen, ohne eine explizite Entschädigungsregel für betroffene Bauern. Dagegen waren aber die für Naturschutz verantwortlichen Bundesländer: Sie sahen Mehrkosten in Höhe von 20 Millionen Mark jährlich auf sich zukommen.
Der Vermittlungsausschuß hatte bereits Mitte Januar eine Entschädigung abgelehnt. Wenn damals auch zwei CDU-Vertreter gegen den Beschluß stimmten, so hatte sich doch die Mehrheit der Konservativen im Vermittlungsausschuß enthalten, einige stimmten gar zu. Doch dann stimmte die Koalitionsfraktion im Bundestag überraschend gegen das Vermittlungsergebnis. In Niedersachsen war Wahlkampf – eine gute Gelegenheit, bei den Bauern um Zustimmung zu buhlen. Dabei hat der Bundestag in dieser Frage keine Chance: Der Bundesrat ist zustimmungspflichtig, und die EU-Richtlinien müssen eigentlich schon seit 1994 in deutsches Recht umgesetzt werden. Der Europäische Gerichtshof hat der Bundesregierung bereits Bußgelder von 1,5 Millionen Mark täglich angedroht.
Kaum waren die Wahlkabinen in Niedersachsen wieder abgebaut und die Wahl verloren, da ließ vorgestern die CDU/CSU-Fraktion die Richtlinien den Vermittlungsausschuß ohne Gegenstimme passieren – allein der einsame FDP- Vertreter stimmte aus Prinzip wacker dagegen.
Nun ist es nicht so, daß Bauern zur Zeit keine Entschädigungen erhalten. In der Regel werden mit ihnen Verträge ausgehandelt nach dem Motto: Du weidest deine Heuwiese erst im Juni statt schon im Mai, damit die Gelege etwa von Kiebitzen nicht zerstört werden. Dafür kriegst du eine Ausgleichszahlung. Solche Maßnahmen werden individuell ausgehandelt. Nach Schätzungen des Nabu werden dafür über 600 Millionen Mark jährlich ausgegeben. Rund die Hälfte des Geldes stammt aus EU- Fördertöpfen.
Dem Bundeslandwirtschaftsministerium ist der Vertragsweg zu unsicher, es möchte den Bauern einen Rechtsanspruch auf Entschädigung sichern. Das Problem: Dann wären die Maßnahmen der Bauern formal nicht mehr freiwillig und die EU-Mittel würden entfallen. Was Borchert vorschlägt, wäre ein „Schuß ins Knie“, urteilt Nabu-Experte Claus Meyr.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen