CDU-Kandidaten für den Bundestag: Alle wollen nach Berlin
Bei Hamburgs CDU beginnt das Rennen um die Bundestagsmandate. Auf der Strecke zu bleiben droht Ex-Bürgermeisterkandidat Dietrich Wersich.
Ex-Senator Wersich droht eine weitere Demütigung
Als erstes müsste der 52-Jährige das CDU-Urgestein Dirk Fischer ausstechen, der seit 1980 für den Wahlkreis Nord im Bundestag sitzt. Der 72-Jährige wollte am Dienstagabend im Kreisvorstand der CDU Nord seine Entscheidung bekanntgeben. Erwartet wurde, dass er nach dreieinhalb Jahrzehnten auf eine erneute Kandidatur verzichten wird. Dann aber wird Fischers 31-jähriger Ziehsohn Christoph Ploß antreten, der Wersich dieses Jahr bereits den Vorsitz im CDU-Kreisverband Nord und den Posten des stellvertretenden Landesvorsitzenden abgenommen hat.
Mit einer Kampfkandidatur um ein Bundestagsmandat gegen Ploß ginge Wersich das Risiko ein, diesen beiden Demütigungen eine dritte hinzuzufügen. Doch der freundliche und kultivierte Mediziner aus Winterhude setzt auf die Parteibasis: Bundestagskandidaten werden nach Bundeswahlrecht von der Mitgliederversammlung des Kreisverbands gewählt, nicht von den Delegierten, also von Funktionären, die von oben leicht zu steuern sind.
Bei der Bundestagswahl 2013 wurde in Hamburg die SPD mit 37,8 Prozent der Stimmen stärkste Partei vor der CDU mit 34,4 Prozent. Mandate errangen auch die Grünen (10,6 Prozent) und Die Linke (7,5 Prozent).
Direktmandate errangen für die SPD Johannes Kahrs in Mitte, Matthias Bartke in Altona, Niels Annen in Eimsbüttel, Aydan Özoğuz in Wandsbek sowie Metin Hakverdi in Harburg-Bergedorf. Für die CDU erreichte Dirk Fischer das Direktmandat in Nord.
Über Landeslisten wurden Herlind Gundelach, Jürgen Klimke, Rüdiger Kruse und Marcus Weinberg (alle CDU), Anja Hajduk und Manuel Sarrazin (beide Grüne) und Jan van Aken (Linke) gewählt.
Weitest gehend frauenfreie Zone
Selbst wenn Wersich reüssieren sollte, ist ihm ein Berliner Mandat noch lange nicht sicher. Direkt gewonnene Wahlkreise sind für Hamburgs CDU die Ausnahme. Deshalb müsste zusätzlich ein aussichtsreicher Platz auf der Landesliste her. Auf den ersten beiden Rängen aber sind seit Jahren der Altonaer Marcus Weinberg und der Eimsbüttler Rüdiger Kruse gesetzt – und die wollen das auch bleiben. Dahinter werden heftige Kämpfe toben: Ex-Senatorin Herlind Gundelach aus Harburg-Bergedorf, einzige Frau, will den dritten Platz behalten, die Newcomer Christoph de Vries (Mitte) und Eckard Graage (Wandsbek) wollen ihn haben, Wersich oder Ploß ebenfalls. Mehr als vier Sitze dürfte Hamburgs CDU kaum erringen.
Das Hauen und Stechen wird unfröhlich sein, zumal Marita Meyer-Kainer, Vorsitzende der Frauen-Union, natürlich hinter Gundelach steht. „Wir bestehen auf einem aussichtsreichen Listenplatz“ für mindestens eine Frau, sagte Meyer-Kainer, die zudem selbst auf der Liste kandidieren will. Traditionell ist die Hamburger CDU eine weitest gehend frauenfreie Zone, in der Bürgerschaft sind drei von 20 Abgeordneten weiblich, im Bundestag eine von fünf. „Wir sollten ernsthaft über die Quote nachdenken“, sagte Meyer-Kainer. Die aber wäre für Wersich nur ein weiteres Hindernis.
Eine Koalition, die was bewegt: taz.de und ihre Leser:innen
Unsere Community ermöglicht den freien Zugang für alle. Dies unterscheidet uns von anderen Nachrichtenseiten. Wir begreifen Journalismus nicht nur als Produkt, sondern auch als öffentliches Gut. Unsere Artikel sollen möglichst vielen Menschen zugutekommen. Mit unserer Berichterstattung versuchen wir das zu tun, was wir können: guten, engagierten Journalismus. Alle Schwerpunkte, Berichte und Hintergründe stellen wir dabei frei zur Verfügung, ohne Paywall. Gerade jetzt müssen Einordnungen und Informationen allen zugänglich sein. Was uns noch unterscheidet: Unsere Leser:innen. Sie müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Es wäre ein schönes Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Friedensforscherin
„Wir können nicht so tun, als lebten wir in Frieden“
Prozess gegen Maja T.
Ausgeliefert in Ungarn
Klimaneutral bis 2045?
Grünes Wachstum ist wie Abnehmenwollen durch mehr Essen
CDU-Chef Friedrich Merz
Friedrich der Mittelgroße
Bundesregierung und Trump
Transatlantische Freundschaft ade
ifo-Studie zu Kriminalitätsfaktoren
Migration allein macht niemanden kriminell