CCC-Jahreskongress in Berlin: Clubmate, Kabel und Computer
Die Hacker-Bewegung ist vielfältig. Der CCC ist längst zu einer professionell arbeitenden Lobby-Organisation geworden, den schrägen Charme eines Hackerclubs hat er sich erhalten.
Der 3-D-Drucker druckt Drachen. Drachenköpfe aus klebrigem Plastikharz. "Nein, Katzen gibts nicht. Nächstes Jahr vielleicht", sagt Jonas. Kein Wunder, das diesjährige Motto lautet ja auch "here be dragons".
Im BCC, einem Kongresszentrum am Berliner Alexanderplatz, findet alljährlich zwischen Weihnachten und Silvester der Kongress des Chaos Computer Clubs (CCC) statt. In diesem Jahr sind mehr als 3.000 Teilnehmer gekommen, die Vier-Tages-Karten waren schon am frühen Mittag des ersten Tages ausverkauft.
Saal 1, Hacker-Jeopardy. Am Ende zieht doch einer den Fefe-Joker. "Vertraust du Fefe?", fragt der Moderator noch. Sicherheit und Vertrauen sind wichtig, manche kommunizieren nur verschlüsselt selbst mit denen, denen sie vertrauen können. Fefe heißt mit bürgerlichem Namen Felix von Leitner, kennt sich mit IT-Sicherheit aus und betreibt ein unter Hackern sehr beliebtes Blog mit "schönen Verschwörungslinks".
Gründung: Der Hacker-Verein Chaos Computer Club, kurz CCC, wurde im Jahr 1981 in den Räumlichkeiten der taz ins Leben gerufen. Der CCC setzt sich für freie Kommunikation und gegen Überwachung ein.
Mitglieder: Zurzeit zählt der eingetragene Verein rund 3.000 Mitglieder, allein im Jahr 2009 kamen fast 700 hinzu. Die Mitarbeit beim CCC ist jedoch explizit nicht an eine Mitgliedschaft im Verein gebunden.
Struktur: Dem Prinzip der Dezentralität verpflichtet, ist der CCC in lokalen "Chaostreffs" oder "Erfa-Kreisen" organisiert. Einmal pro Jahr findet der Chaos Communication Congress statt. Die Kongresse werden spezifisch abgekürzt, so wird der diesjährige 26. Chaos Communication Congress in der Hacker-Sprache als 26C3 bezeichnet. Das Vortragsprogramm ist teilweise englischsprachig, eine bewusste Entscheidung des CCC, um mehr internationale Gäste anzuziehen. (jus)
Beim Hacker-Jeopardy geht es um Erkennungsmelodien von Computerspielen, um Mikrocontroller, Programmiersprachen, Politik und um die CCC-Geschichte. Und da kann Fefe dann tatsächlich helfen: Der 15C3, der 15. Chaos Communication Congress, fand 1998 "schon in Berlin" statt - und "nicht mehr in Hamburg".
Der Gewinner darf sich aussuchen, ob er eine "Zensurbrille" oder eine RFID-Schutzhülle für seinen Reisepass möchte. Alles gesponsert vom Foebud (Verein zur Förderung des öffentlich bewegten und unbewegten Datenverkehrs), ein dem CCC nahe stehender Bürgerrechtsverein.
Auch der AK Vorratsdatenspeicherung ist wie der Foebud mit einem Infostand vor Ort, außerdem bietet der "AK" beim Kongress Vernetzungstreffen und Aktionen an. Dieses Jahr ist es die Aktion "Here be Orwell - Happy New 1984", die via Twitter verbreitet wird. Bastelmaterialien gibt es "am AK-Vorrat-Stand im Erdgeschoss beim Saal 3".
Foebud, Piraten, AK Vorratsdatenspeicherung, AK Zensur: "Inzwischen gibt es immer mehr Gruppen, die sich mit unterschiedlichem Fokus für digitale Freiheiten einsetzen", sagt ein langjähriger CCCler erfreut. Die Bewegung hat an Schwung gewonnen, vor allem dank der seit diesem Sommer laufenden "Zensursula"-Debatte.
Der CCC hat beim Thema Netzpolitik Pionierarbeit geleistet. Thematisch hat sich seit der Gründung im Jahr 1981 wenig geändert, seit jeher setzt man sich gegen Überwachung und für Informationsfreiheit ein. Ziviler Ungehorsam wie einst die Benutzung illegaler Modems gehört genauso zum Selbstverständnis der Computer-Hacker wie der Diskurs über die Auswirkungen von Computer und Technik auf die Gesellschaft. "Wenn ihr keinen Bock auf Politik habt, macht wenigstens gute Software!", ruft CCC-Sprecher Frank Rieger der versammelten Community in der Keynote, dem Auftaktvortrag, zu. Systeme wie Wikileaks, Wikipedia oder der Anonymisierungsdienst Tor seien technisch noch verbesserungswürdig.
"Man könnte den Eindruck gewinnen, das Einzige, was zwischen uns und dem Überwachungsstaat steht, sind die technische Inkompetenz der Überwacher und das Bundesverfassungsgericht", sagt Rieger. Er fordert überdies eine öffentlich finanzierte, vom Staat unabhängige "Stiftung Datenschutz" sowie einen "Datenbrief".
Das ist pure Realpolitik: Eine Stiftung Datenschutz findet sich auch im schwarz-gelben Koalitionsvertrag. Früher forderte der CCC wolkig "Internet für alle" - heutzutage ist der Club realistischer und betreibt profanes Politik-Lobbying. Laut Andreas Bogk vom CCC soll Gesundheitsminister Rösler die Gesundheitskarte "auf die in der Anhörung von uns gemachten Vorschläge beschnitten" haben.
Ab in den Keller. Da findet "Orgy in progress" statt. Die Orgien-Warnung soll aber nur dazu motivieren, die Tür zu schließen, damit Tabak- und Cannabisrauch nicht von der Lounge ins "Hackcenter" ziehen können. In der Lounge spielen Berliner DJs Tag und Nacht elektronische Musik ab, an den Wänden zucken Visuals. Dicht an dicht auf den Sofas sitzen Hacker und Haecksen mit Laptops auf den Knien, auf den Tischen davor Clubmate, Kabel und Aschenbecher. Wenn einer geht, füllt sich der leer gewordene Platz wie von selbst auf. Am Rand die Bar, da wird "Chunk" getrunken, ein Cocktail, gemixt aus Clubmate mit Rum.
"Kann ich dir jemand vorstellen", heißt es in der Lounge häufig. Genauso wichtig wie die netzpolitischen und technischen Vorträge und Workshops ist das Netzwerken. Gerade kommt einer von "la quadrature du net" vorbei, einer französischen Aktivistengruppe, die sich für Netzneutralität einsetzt. Er hat einen von der französischen Anti-Wahlcomputer-Kampagne mitgebracht.
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