Byung-Chul Han über Neoliberalismus: Die größte Ausbeute
Der Philosoph sieht im Neoliberalismus eine „Psychopolitik“ am Werk. Worin der analytische Mehrwert seines Begriffs liegen soll, bleibt fragwürdig.
Byung-Chul Han ist ein Meister der knappen Form. Die Bücher des Berliner Philosophen, darunter der Erfolgstitel „Müdigkeitsgesellschaft“, haben oft weniger als 100 Seiten, seine Sätze sind schlicht gehalten und in einem dezent prophetischen Tonfall vorgetragen. Auch in seinem neuesten Büchlein, „Psychopolitik“, pflegt Han diesen Stil der effektiven Suggestion.
Hans Überlegungen kreisen aktuell um den Neoliberalismus und die damit einhergehenden Strategien der freiwilligen Selbstausbeutung. Die Freiheit selbst werde dabei im Dienste der Profitmaximierung ausgebeutet, wie Han es auf eine rhetorisch bündige Formel bringt: „Erst die Ausbeutung der Freiheit erzeugt die größte Ausbeute.“ Dabei scheint Hans Begriff der Freiheit einigermaßen voraussetzungsreich: „Das Gefühl der Freiheit stellt sich im Übergang von einer Lebensform zur anderen ein, bis sich diese selbst als Zwangsform erweist.“
Warum Freiheit, wie Han mit dieser „Bestimmung“ unterstellt, lediglich ein psychologisches Phänomen sein soll, erklärt er nicht weiter. Auch nicht, warum sie als kurzlebiges Phänomen bloß den Wechsel von der einen Lebensform in die nächste begleitet – statt sich auch mal auf kleinerer Organisationsebene bemerkbar zu machen. Man wird den Eindruck nicht los, Han habe sich diesen Begriff so für seine These zurechtgelegt, dass die (neoliberale) Freiheit gar nicht anders kann, als in freiwillige Selbstunterwerfung unter den Zwang des Kapitals zu münden.
Die Mechanismen dieser Beherrschung nennt Han in Anspielung auf Michel Foucaults Begriff der „Biopolitik“ denn auch „Psychopolitik“, in der er eine theoretische Fortführung der Machttheorie Foucaults sieht.
Psyche als Produktivkraft
Foucault habe die Mechanismen des „neoliberalen Regimes“ mit seiner „Engführung von Freiheit und Ausbeutung in Form von Selbstausbeutung“ schlicht noch nicht gesehen. Han hingegen erkennt im neoliberalen Kapitalismus eine Form der „klassenlosen Selbstausbeutung“, die keinen Widerstand gegen die Ausbeutung mehr zulasse – man tut es ja selbst und freiwillig.
Byung-Chul Han: „Psychopolitik. Neoliberalismus und die neuen Machttechniken“. S. Fischer, Frankfurt/M. 2014, 128 S., 19,99 Euro
Neoliberalismus ist für Han daher „Psychopolitik“. Die Psyche werde als Produktivkraft entdeckt, da der heutige Kapitalismus von immateriellen und unkörperlichen Produktionsformen bestimmt sei. Was jedoch nur auf einen Teil der Produktion zutrifft. Auch dass „wir nicht mehr für unsere eigenen Bedürfnisse, sondern für das Kapital“ arbeiten, scheint nur eingeschränkt plausibel – auf die „working poor“ trifft dies kaum zu.
Worin der analytische Mehrwert von Hans Begriffsprägung liegen soll, wird nicht deutlich. Thesen wie: „Sie (die Psychopolitik) entdeckt den Menschen und macht ihn selbst zum Gegenstand der Ausbeutung“, sind vom Gedanken her nicht übermäßig scharf, zudem ist Han keinesfalls der Erste, der das neoliberale Phänomen der Selbstausbeutung identifiziert hat.
Alles und nichts
Stattdessen schreitet Han die eine oder andere theoretische Position ab und rechnet seinen Kollegen vor, was sie übersehen haben. Seine eigenen „Verbesserungen“ klingen oft elegant, aber ihr theoretischer Ertrag bleibt gering. Sein Ausweg aus der Psychopolitik? Lebenskunst als Praxis der Freiheit: „Das Subjekt wird ent-psychologisiert, ja ent-leert, damit es frei wird für jene Lebensform, die noch keinen Namen hat.“
Damit ist so ziemlich alles und nichts gesagt. Worin genau die Entpsychologisierung als Befreiungsprozess bestehen soll, kümmert Han nicht groß. Hauptsache, der Psychopolitik wird ihr Machtbereich entzogen.
Am Ende bleibt von Hans zeitdiagnostischem Beitrag nicht viel mehr als die These, dass neoliberale Psychopolitik den Menschen ausbeutet. Daran stammt lediglich der Neologismus von ihm. Und die lakonisch-dramatische Rhetorik, mit der er sich als Theorie-Marke zu verkaufen versteht.
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