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Bye-bye, Herr Frey

Ehemals treu ergebene Gefolgsleute rechnen mit dem Chef der rechtsextremen DVU ab. Verleger Frey ist mit einem Antrag auf Amtsenthebung und Parteiausschluss konfrontiert  ■    Von Thomas Pfeiffer

Jahrelang führte der rechtsextreme Verleger Gerhard Frey die „Deutsche Volksunion“ (DVU) bequem, unangefochten und nach Belieben. Damit ist es vorerst vorbei.

Einst treu ergebene Frey-Anhänger sind auf Konfrontationskurs gegangen – allen voran der schleswig-holsteinische Funktionär Prof. Klaus Sojka, der auch Mitglied des Bundesvorstands ist. Beim Schiedsgericht der DVU hat Sojka die Amtsenthebung und den Parteiausschluss des Parteichefs Frey sowie sieben weiterer Bundesvorstandsmitglieder beantragt.

Sojka, 62, ist stellvertretender DVU-Landeschef in Schleswig-Holstein und hatte bei den Bundestagswahlen an erster Stelle der Landesliste kandidiert. Nun läuft der doppelt promovierte Professor Sturm gegen die Entscheidung des mehrheitlich Frey-hörigen Bundesvorstandes. Der will bei den Landtagswahlen im Februar nicht kandidieren. In mehreren Schreiben an den Chef des Bundesschiedsgerichts, Heino Brandt, wirft Sojka seinem Parteichef und der Mehrheit des Vorstands „schwere Schädigung des Ansehens der Partei“ vor. Dadurch werde das Dasein der Partei akut gefährdet.

Derart massive Kritik an dem DVU-Patron aus der ersten Reihe seiner Partei ist neu. Dass Sojkas Vorstoß aber Erfolg haben wird, ist angesichts der Abhängigkeit der DVU von ihrem Übervater Frey kaum vorstellbar. Dieser hat dem renitenten Funktionär seinerseits bereits mit Parteiausschluss drohen lassen.

Selbst in rechtsextremen Kreisen gilt die DVU als „Phantompartei“, deren Entscheidungen bis ins Kleinste im Münchner Hauptquartier vorgegeben werden und die ohne die freyschen Millionen handlungsunfähig wäre. Mit knapp acht Millionen Mark ist die DVU bei ihrem Boss verschuldet. Frey dirigiert die Partei wie eine Abteilung seines Familienunternehmens, das neben seiner national ausgerichteten Tagespostille DN einen Buchverlag und in erklecklichem Umfang Immobilien umfasst. Vor Wahlen sorgt Frey höchstpersönlich dafür, dass die Kandidatenlisten mit Gefügigen und politisch Unerfahrenen gefüllt werden, die ihm, dem allmächtigen Parteichef, nicht gefährlich werden können. Die undemokratische Kandidatenkür der DVU hat sogar Stimmen laut werden lassen, die eine Annullierung der Brandenburger Wahlen vom September fordern, bei denen die Frey-Partei in den Landtag gekommen war.

Schleswig-Holstein ist neben Sachsen-Anhalt, Brandenburg und Bremen eines der Länder, in denen die DVU in den 90er-Jahren Erfolge verbuchen konnte. 1992 gelang ihr mit 6,3 Hundertstel der Stimmen der Sprung in den Landtag; die Fraktion fiel indes schon bald danach im Streit auseinander. Bei der folgenden Wahl, vier Jahre später, bei der Frey seinen Intimus Heinrich Gerlach als Hauptkandidaten ins Rennen geschickt hatte, landete die DVU lediglich bei 4,3 Hundertsteln. Träte sie im Februar an, würde sie die berühmte 5er-Hürde wohl kaum nehmen. Das erwartete Kopf-an-Kopf-Rennen von Heide Simonis und Volker Rühe dürfte für kleine Parteien kaum Stimmen übrig lassen. Ähnlich war es den Rechtsextremen bei der Bundestagswahl ergangen.

Dass die DVU in Schleswig-Holstein nicht bei der Wahl kandidiert, begründet der Vorstand mit der Schuldenlast der Partei, die bei 15 Millionen Mark liege. Sojka moniert, dass der Vorstand keine Bündnisse mit anderen rechten Kräften ausgelotet habe: „Wer so verfährt, hat in einer Partei nichts verloren.“ Kooperationen wären mit den „Republikanern“ (REP) möglich gewesen, diese hätten DVU-Leute auf einer REP-Liste kandidieren lassen wollen. Die Liste hätte allerdings sehr schnell aufgestellt werden müssen, da die Reps aus Sympathie für die DVU eine Kandidatur in Schleswig-Holstein unterlassen hatten.

Sojka will weitere rechte Bündnisse sondieren und hat sich – streng vertraulich – an den ehemaligen REP-Europaabgeordneten Harald Neubauer gewandt. Dieser verfügt nach mehr als einem Vierteljahrhundert hauptamtlicher Tätigkeit im Rechtsextremismus über beste Kontakte. Frey hingegen verbindet eine Intimfeindschaft mit seinem einstigen Vertrauten Neubauer.

Sojka ist einer der wenigen präsentablen Kandidaten, die die DVU in ihren Reihen aufweisen kann. Vor seiner Tätigkeit in der rechtsextremen Partei hat er sich als Anwalt der Anti-Atomkraft-Bewegung einen Namen gemacht. Bis in die frühen 80er-Jahre war Sojka in der „Grünen Liste Schleswig-Holstein“ (GLSH) aktiv, die mit den Grünen konkurrierte und einen starken rechten Flügel umfasste. Der erste grüne Bundestagsabgeordnete aus Schleswig-Holstein, Walter Sauermilch, erinnert sich an Sojka als einen Eigenbrötler, der sich durch sein dogmatisches Auftreten im grünen Umfeld immer mehr isoliert habe.

Mit seinem Unmut über Parteichef Frey steht Sojka indes nicht allein. Auch an der DVU-Basis rumort es offenbar. Bereits im September hat der Münchner Bundestagskandidat Rolf-Josef Eibicht einen Schlussstrich unter sein Engagement für die DVU gemacht. In einem Schreiben an Frey hatte Eibicht formuliert: „Politik für die deutsche Rechte kann nicht die Ausweitung des Verlagsgeschäfts mit anderen Mitteln sein.“ Darüber hinaus erklärte er seinen Austritt aus dem DVU e.V., welcher der Partei die Seite stärkt. Der Partei selbst hatte Eibicht nicht angehört. Der „Trennungsbrief“ an Frey habe „eingeschlagen wie eine Bombe“, triumphierte Eibicht und verweist auf die vielen Dankesbriefe und -faxe, die er aus der Partei erhalten habe.

Damit hat Eibicht eine Kurswende um 180 Grad vollführt. Bis dahin war der Autor und Kleinverleger als ein über die Anbiederungslinie hinaus loyaler Frey-Anhänger aufgefallen. Nach dem Wahlerfolg der DVU in Sachsen-Anhalt im April 1998 hatte er in der Frey-Partei die „solitäre rechte oder nationale Formation (...), die Aussicht auf Erfolg hat“ und die „das Vertrauen aller gutwilligen deutschen Patrioten“ verdiene, gesehen. So äußerte Eibicht sich in dem Buch „Deutschlands Rechte. Ordnungs- und Gestaltungsauftrag“, das er vor der Bundestagswahl als Erstlingswerk seines „Kyffhäuser-Verlags“ auf den Markt brachte.

Eibichts Sympathien waren damals derart eindeutig verteilt, dass er sogar den Beitrag eines prominenten Gastautors kippte: Berlins Innensenator a.D. Heinrich Lummer (CDU) hatte ein Vorwort verfasst und darin die Union als die beste Basis einer „demokratischen Rechten“ präsentiert. Herausgeber Eibicht warf den Lummer-Text für einen eigenen, überaus DVU-freundlichen Einleitung aus dem Band. Nun will er von der „Verleger-Organisation“ nichts mehr wissen.

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