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Bundesweiter WohnungsneubauAmpelkoalition verfehlt Ziel

Noch immer wird zu wenig Wohnraum geschaffen in Deutschland. Die Zahl der neugebauten Wohnungen ist nur minimal gestiegen.

Findet zu wenig statt: Wohnungsbau Foto: Boris Roessler/dpa

Berlin rtr | Die Bundesregierung hat ihr selbstgestecktes Ziel beim Wohnungsbau im vergangenen Jahr trotz eines leichten Anstiegs erneut klar verfehlt. Insgesamt wurden 295.300 Wohnungen und damit 0,6 Prozent oder 1.900 mehr gebaut als im Jahr davor, wie das Statistische Bundesamt am Dienstag mitteilte. 2021 hatte es erstmals einen Rückgang gegeben, nachdem die Zahl von 2011 bis 2020 stetig gestiegen war. „Allerdings wurde das Niveau des Jahres 2020 von 306.400 Wohnungen im Jahr 2022 nicht erreicht“, betonten die Statistiker. Das Ziel der Ampelkoalition von jährlich 400.000 neuen Wohnungen wurde abermals klar verfehlt.

Daher sei der leichte Anstieg „kein Grund zum Jubeln“, kommentierte der wissenschaftliche Direktor des gewerkschaftsnahen Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK), Sebastian Dullien, die Entwicklung. „Die Zielverfehlung ist umso tragischer, als dass die Zahl der fertiggestellten Wohnungen in den kommenden Jahren abnehmen dürfte, vor allem aufgrund der zuletzt massiv gestiegenen Zinsen.“ Gleichzeitig habe sich der Bedarf durch die Aufnahme ukrainischer Kriegsgeflüchteter noch einmal erhöht. Wolle die Bundesregierung die Wohnungsnot in Ballungsgebieten ernsthaft angehen, müsse sie jetzt massiv mehr Mittel bereitstellen – insbesondere für den öffentlichen Wohnungsbau.

Verzögerungen in der Baubranche

Der leichte Anstieg zeige, „dass viele Bauherrinnen und Bauherren ihre Vorhaben trotz Lieferengpässen und Fachkräftemangel sowie deutlichen Preissteigerungen abschließen konnten“, so das Statistikamt. „Allerdings hat sich der Abschluss teilweise verzögert.“ So hat sich die Zeit von der Genehmigungserteilung bis zur Fertigstellung seit der Störung globaler Lieferketten durch Ausbruch der Coronapandemie um etwa zwei auf 22 Monate verlängert.

Die Baugenehmigungen für Wohnungen gingen spürbar zurück: Deren Zahl sank im vergangenen Jahr um 7,0 Prozent auf 354.200. Sie lag damit aber weiter über den Baufertigstellungen. Dies führte zu einem Überhang von genehmigten, aber noch nicht fertiggestellten Wohnungen von insgesamt 884.800 – ein Plus von 38.400 im Vergleich zu 2021. Der seit 2008 anhaltende Anstieg des Bauüberhangs setzte sich damit „etwas abgeschwächt fort“, hieß es. 2021 lag das Plus noch bei 67.000 Wohnungen.

„Der verlangsamte Zuwachs des Bauüberhangs dürfte zum Teil an der gestiegenen Zahl erloschener Baugenehmigungen liegen, bei denen in der Regel die mehrjährige Gültigkeitsdauer abgelaufen ist“, hieß es. Diese fließen in die Berechnung nicht mehr ein und haben im vergangenen Jahr mit 22.800 den höchsten Stand seit 2006 erreicht. Daher müsse sich auch ein Überhang in Form nicht abgearbeiteter Baugenehmigungen nicht zwingend tatsächlich in höherer Bauaktivität niederschlage, sagte Ökonom Dullien.

Die Zahl der neuen Einfamilienhäuser sank im vergangenen Jahr um 1,5 Prozent auf 77.100. Bei Zweifamilienhäusern gab es dagegen einen Anstieg von 14,1 Prozent auf 23.000 Wohnungen, bei Mehrfamilienhäusern wurde eine Zunahme von 1,5 Prozent auf 150.200 gemeldet.

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5 Kommentare

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  • Man muss das auch positiv sehen: Jede Mietwohnung die nicht gebaut wird bedeutet einen Mieter weniger, der unter Luxussanierung, Mietwucher und Gentrifizierung leiden muss.

  • Die gesamten Rahmenbedingen für Investitionen in Wohnimmobilien sind aktuell negativ. Neben den gestiegenen Zinsen, der überteuerten Grund/Bodenpreise und den hohen Kaufnebenkosten sind es speziell die Bauvorschriften und hier die Energieverordnungen.



    Die daraus resultierenden erforderlichen Kaltmieten liegen bei Umlage aller Kosten und mit einer Rediteannahme von ca. 3%/pa bei mind. 10 -11,80€/m².



    Hinzu kommen die politischen Überlegungen einer Mietobergrenze bzw. die deutliche Verlängerung der Mietbindung von sozialem Wohnungen.



    Auf der anderen Seite werden die erhöhten Abschreibungen der Sozialwohnungen weiterhin auf ca. 12 Jahre begrenzt.

    Aus diesem Grund lohnt sich ein Investment in Wohnungen in D nicht mehr, speziell wenn man sich noch die Enteignungsdiskussion vor Augen führt.



    Es gibt schlicht lukrativere Investitionslocationen.

  • "...die Bundesregierung die Wohnungsnot in Ballungsgebieten... "

    Die Verortung ist der entscheidende Punkt. Warum muss eine BUndesregierung für einzelne Orte sorgen? Es gibt ne Menge Wohnraum im Staatsgebiet, nur wird der ungleich nachgefragt. Wenn einzelne Orte mehr wünschen, dürfen die es gerne, zusammen mit ihren Ländern, in die Hände nehmen.

  • Die Zinsen waren aber Anfang der 1990er Jahre höher.



    Ständig gehobene Anforderungen beim Bauen wie Schall- und Wärmeschutz aber auch Baulandpreise tun ihr übriges. Dann die erforderliche Wärmepumpe, ohne die geht’s leider nicht beim Neubau (zumindest zu 90%), setzen dann noch das Krönchen drauf.



    Klar, dass die Ziele von 400.000 Wohnungen nicht erreicht werden.

  • Die Inflation ist ein Ergebnis politischer Fehlleistung. Prof. Hans-Werner Sinn erkärt dies sehr anschaulich in seiner Weihnachtsvorlesung. Ja die ist etwas lang, aber man kann sich das Thema Infaltion darin anwählen.