Bundeswehreinsatz gegen den IS: Deutschland fliegt in den Krieg
Aufklärungstornados, Tankflugzeuge und eine Fregatte sollen gegen den IS nach Syrien geschickt werden. Linke sind empört, Grüne zurückhaltend.
Die Regierung habe „schwere, aber richtige und notwendige Schritte beschlossen“, sagte die Ministerin nach Sondersitzungen der Regierungsfraktionen, bei denen die Abgeordneten über die Pläne informiert wurden. Mit dem Einsatz rückt die Regierung von ihrer bisherigen Strategie gegen den IS ab. Zwar ist Deutschland schon seit 2014 Teil der westlich dominierten Koalition gegen die Terrormiliz. Im Irak bildet die Bundeswehr kurdische Truppen für den Kampf gegen die Islamisten aus, weshalb der IS die Bundesrepublik als Feind betrachtet und als „Kreuzfahrerstaat“ bezeichnet.
In Syrien ist die Bundeswehr aber noch nicht aktiv. Außerdem beteiligt sie sich weder direkt noch indirekt an Luftangriffen. Wenn die Luftwaffe in Zukunft Aufklärungsflüge durchführt und französische oder amerikanische Kampfjets betankt, ist Deutschland also deutlich tiefer in den Krieg verwickelt als bisher.
Die Entscheidung hatte sich nach den Terroranschlägen von Paris Schritt für Schritt angebahnt. Frankreich arbeitet derzeit an einer weltweiten Allianz gegen den IS, buhlt dafür um die Unterstützung Russlands und erbat in der vergangenen Woche offiziell den militärischen Beistand der EU-Partner. Zuerst brachten daraufhin einzelne Unions-Abgeordnete den Einsatz deutscher Aufklärungsflugzeuge ins Spiel.
Stefan Liebich
Die Bundesregierung bremste zunächst noch. Aber sie bekundete ihre Solidarität mit Frankreich und kündigte an, die deutschen Einsätze in Mali und im Irak auszuweiten. Schon am Mittwochabend sagte Kanzlerin Angela Merkel nach einem Treffen mit Frankreichs Präsident François Hollande, über weitere Bitten der Franzosen „sehr schnell nachzudenken“.
Die Tornados, die die Regierung nun in Richtung Syrien schicken will, sollen selbst keine Ziele bombardieren. Den Regierungsparteien ist klar, dass ein solcher Einsatz in Deutschland schwer vermittelbar wäre. Aber die Aufklärungstornados, die selbst bei schlechtem Wetter sehr tief fliegen können, können auch nachts mit Kameras und Infrarotsensoren hochauflösende Bilder vom Boden anfertigen. Partnerstaaten können darauf wiederum nach Zielen für ihre Luftangriffe suchen.
Frankreich bombardierte in den vergangenen beiden Wochen nach eigenen Angaben unter anderem Kommandostände und Waffenlager des IS, die USA nahmen zuletzt dessen Ölfelder ins Visier. In Städten, die die Terrormiliz eingenommen hat, halten sich allerdings noch immer etliche Zivilisten auf. Seit Beginn der Luftangriffe auf den IS gab es daher wiederholt Meldungen über zivile Opfer.
Die Linkspartei kritisierte am Donnerstag flügelübergreifend die Pläne, die Luftangriffe zu unterstützen. Der Außenpolitiker Stefan Liebich sagte der taz: „Nur aus Freundschaft zu Frankreich eine falsche Strategie zu unterstützen, das kann nicht richtig sein. Wenn man Bomben über einem vom IS besetzten Gebiet abwirft, trifft man immer auch Zivilisten.“ Die Fraktionsvorsitzende Sahra Wagenknecht sagte, wer Bundeswehr-Tornados nach Syrien schicke, züchte noch mehr Terroristen und erhöhe die Anschlagsgefahr in Deutschland.
Die Grünen hielten sich vor einer Sondersitzung ihrer Fraktion am Abend zurück und bewerteten die Pläne öffentlich nicht. Bevor das Vorhaben der Regierung öffentlich geworden war, hatte der Verteidigungsexperte Tobias Lindner seine prinzipielle Zustimmung zu einem möglichen Aufklärungseinsatz signalisiert. „Voraussetzung wäre aber auf jeden Fall, dass man eine internationale Koalition und vor allem ein UN-Mandat hätte“, sagte er im ZDF.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Urteil nach Tötung eines Geflüchteten
Gericht findet mal wieder keine Beweise für Rassismus
Hype um Boris Pistorius
Fragwürdige Beliebtheit
Russischer Angriff auf die Ukraine
Tausend Tage Krieg
Innereuropäische Datenverbindung
Sabotageverdacht bei Kabelbruch in der Ostsee
Debatte um SPD-Kanzlerkandidatur
Schwielowsee an der Copacabana
BSW stimmt in Sachsen für AfD-Antrag
Es wächst zusammen, was zusammengehört