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Bundeswehr vs. Re:publicaWir. Dienen. Digitaldeutschland.

Die Veranstalter lehnten uniformierte Soldaten auf ihrer Konferenz ab. Die Bundeswehr rächt sich mit einem gründlich orchestrierten Shitstorm.

Nein, das ist kein Soldat mit Nachtsichtgerät. Die Bundeswehr durfte nicht teilnehmen, pöbelte dafür aber online Foto: dpa

Berlin taz Schließen Sie kurz die Augen und stellen sich Folgendes vor: Zum Geburtstag schmeißen sie ein Grillfest im Garten. Eingeladen haben Sie Ihre engsten Freunde, Ihre Lieblingstante und den Nachbarn von nebenan, der fürs Buffet immer seinen scheußlichen Wurst­salat mitbringt. „Kartoffelsalat fände ich diesmal besser“, haben Sie ihm vorgestern noch gesagt. Und was macht der Typ jetzt? Steht am Gartenzaun und brüllt von draußen Ihre Gäste an: „WURSTSALAT! WAS SOLL DER SCHEISS! WURSTSALAT!“

Schräg, nicht?

Etwas Ähnliches passiert dieser Tage den Machern der Digitalkonferenz re:publica in Berlin. „Die Bundeswehr meldete sich bei uns und sagte, sie wolle mit der Community in den Dialog kommen“, sagt Organisator Markus Beckedahl. „Offiziere in Uniform wollten an einem Werbestand Hacker rekrutieren. Das war aber nicht die Form von Dia­log, die wir uns vorstellen.“ Die Veranstalter hätten einen Gegenvorschlag gemacht: Politisch Verantwortliche aus dem Verteidigungsministerium sollten auf einem Podium über die Militarisierung des Internets sprechen – mit anderen Diskutanten und ohne Uniform. Dazu sei es dann aber nicht gekommen.

Das Verteidigungsministerium bestätigt die Anfrage bei den Veranstaltern und stellt die Reaktion etwas anders dar: „Der Bundeswehr wurde ein Stand zugesagt, jedoch sollten Soldatinnen und Soldaten nicht in Uniform auftreten. Diese Vorgabe haben wir nicht akzeptiert“, sagt eine Sprecherin.

Das „nicht akzeptiert“ ist dabei sehr wörtlich zu nehmen. Zum Konferenzauftakt am Mittwoch standen drei uniformierte Soldaten vor dem Veranstaltungsgelände, verteilten Flyer und sprachen Besucher an. Gleichzeitig startete die Bundeswehr eine Social-Media-Kampagne gegen die re:publica. Von einer „Provokation gegen unsere #Parlamentsarmee“, schreibt sie auf Facebook. Und: „Wir stellen uns der Diskussion! Wir kämpfen auch dafür, dass die #rp18 gegen uns sein kann.“

Die Märtyrererzählung der Bundeswehr geht nicht auf

In abgewandelter Form wirbt die Bundeswehr mit diesem Slogan schon lange. Die Logik dahinter: Mit ihren Einsätzen im Ausland verteidige die Armee die freiheitlich-demokratische Grundordnung in Deutschland, die die freie Rede (auch gegen die Bundeswehr) und die Versammlungsfreiheit (auch für Konferenzen ohne Bundeswehrstand) garantiert. Eine Märtyrererzählung – die aber zumindest im konkreten Fall nicht aufgeht.

Slobodan Milošević, die Taliban und der IS haben den re:publica-Organisatoren nie Probleme breitet. Ohne Auslandseinsätze wäre die Sicherheitslage in Berlin besser oder schlechter (Ansichtssache), aber kaum so katastrophal, dass Internet-Aktivisten ihre Kongresse absagen müssten.

Probleme eingebrockt hat den Veranstaltern dagegen die Bundeswehr selbst. Mit ihren Social-Media-Posts hat die Armee einen Shitstorm gegen die Konferenz angestoßen. „Ehrlose, vaterlandslose Gesellen“, schreibt ein User. „Danke für deinen Kommentar :-)“, antwortet die Bundeswehr. „Rotten weise von vorne in das Gebäude eindringen!“, forderte der Nächste. Der Bundeswehr-Account verteidigt ihn gegen Kritik: War doch nur ein „Scherz“.

Sehr witzig: Veranstalten Privatpersonen eine Konferenz, haben sie bei der Programmgestaltung den Wünschen der Bundeswehr zu folgen – ansonsten droht eine staatlich organisierte Kampagne samt Beleidigungen und Drohungen. Die Armee dominiert die Zivilgesellschaft: Hatten wir schon mal. Nennt sich Militarismus. War eigentlich nicht mehr vorgesehen.

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16 Kommentare

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  • Die Bundeswehr ist ein hierarchisches System mit strenger Kleiderordnung und regt sich auf, dass der Veranstalter einer zivilgesellschaftlichen Konferenz eine Kleiderordnung erlässt. m(

    Trollarmee.

  • Wie gemein, ein Shitstorm darf doch nur gegen die Bundeswehr gerichtet sein, dass weiß doch jeder digitaler Aktivist.

    • @Frank Stippel:

      Wer ist eigentlich Ihr Arbeitgeber ???

      • @Opossum:

        Was ist das für eine Frage?

  • „Politisch Verantwortliche aus dem Verteidigungsministerium sollten auf einem Podium über die Militarisierung des Internets sprechen . . .“

     

    Weiß der Organisator, Herr Beckedahl noch nicht, dass das Internet in den 1960er Jahren von „Kalten Kriegern“ in den USA erfunden und entwickelt wurde – oder hat er es schon wieder vergessen? Eine „Militarisierung des Internets“ wäre also völlig überflüssig, es war von Anfang an ein Kind des Militarismus!

     

    Zum Glück wurde das Internet so universell angelegt, dass Vertreter aller politischen Richtungen ihren Platz darin finden. Desgleichen auch Weltverbesserer, die den Kapitalismus abschaffen wollen, ebenso wie Kapitalisten, die dem E-Commerce frönen. Und auch (Pseudo-)Pazifisten, wie Herr Beckedahl!

    • @Pfanni:

      Dear Pfanni, es ist schlicht falsch.

       

      Das, was wir heute meistens unter "Internet" verstehen und was letztlich zu seiner massenhaften Verbreitung unter Laien geführt hat, wurde 1989 am CERN in der Schweiz erfunden.

       

      Link: https://de.wikipedia.org/wiki/Http#Geschichte

      Http braucht als Unterschicht natürlich ein Netzwerkprotokoll. Aber das ist austauschbar und könnte auch etwas anderes sein als IP. Gleichzeitig war das IP-Netz 1989 schon lange nicht mehr ein militärisches Netz. Es war ein Forschungsnetz zwischen Universitäten und Instituten und dafür wurde das Hypertext Transfer Protocol auch anfänglich entwickelt.

    • @Pfanni:

      Eben - Pfanni!;))

       

      Selten - aber gern hier auch -;)

      Machen Kids & Enkel - gerade das!

      Was die Altvorderen sich gedacht bezweckt haben! Tonn Glück. Newahr!

      "…& wenn sie um die Ecke glotzen…!;)"

      "Ach man will hier schon wieder nicht so wie die Geistlichkeit!" W. Busch

      "Die Regierung will doch nur euer Bestes!" - "Jenau ditte wollmer ja nich herjeben!" - Volkers Mund Balin!;))

      &

      Ansonsten empfehle ich zur Vertiefung! https://de.m.wikipedia.org/wiki/John_von_Neumann

      & die Doku ~> https://m.youtube.com/watch?v=WTbZRcW_iTM

       

      Mit der feinironisch passenden Unterscheidung - der dualen Sorte!

      Wissenschaft/er/ler (~ Erwin Chargaff;)

      Fein britischhumorvoll 'angeschärft'!

      Personalisiert JvN vs Mr.emc2&Gödel!;)

      Fein &! Selten so viel gelacht!;)

       

      kurz - Das weiß doch längst jeder Ochs!

      Leichter lebt sich's mit'em Paradox!

      "No. Esel Y & Militärs in ihrem Lauf!

      Na. Die halten wir noch immer auf!"

      &

      Alle! Woll! Like a drunken feral Choir!

      Lauthals ~> Da capo & ad libitum!

      &

      Schrumm Schrumm Schrumm!;))

      • @Lowandorder:

        Mailtütenfrisch vom Profi

         

        Die Handreichung doch ~>

         

        "Das war der Ursprung. : https://de.wikipedia.org/wiki/Arpanet

         

        Arpanet

        Vorläufer des modernen Internets

        Das ARPANET (Advanced Research Projects Agency Network) war ein Computer-Netzwerk und wurde ursprünglich im Auftrag der US-Luftwaffe ab 1968 von einer kleinen Forschergruppe unter der Leitung des Massachusetts Institute of Technology und des US-Verteidigungsministeriums entwickelt. Es ist der Vorläufer des heutigen Internets. Paul Baran (RAND-Studie) und Donald Watts Davies (dezentrale Netzstruktur und Paketvermittlung) lieferten wichtige Erkenntnisse aus dem Bereich der teilvermaschten Netztopologie und der paketvermittelten Netze, die als Kommunikationsgrundlage in die Entwicklung des Arpanets einflossen.

  • Mailtütenfrisch zum Mehltau militaire.

     

    "Ich glaube es hackt. https://www.taz.de/Bundeswehr-vs-Republica/!5503157/

    " War doch nur ein „Scherz“. "

    https://de.wikipedia.org/wiki/Die_%C3%9Cbungspatrone - "

     

    "Die Übungspatrone ist ein Original-Hörspiel von Otto Heinrich Kühner, das 1950 beim SDR unter der Regie von Helmut Jedele erstgesendet wurde. Das Stück, das später noch von weiteren Rundfunkanstalten produziert wurde und sogar eine Verfilmung erfuhr, ist das meistgesendete des Autors und gehört zu den erfolgreichsten deutschsprachigen Hörspielen der Nachkriegszeit. Es thematisiert anhand der Gewissenskonflikte der abkommandierten Soldaten eines Erschießungskommandos im Zweiten Weltkrieg „das Problem der Todesstrafe und […] des Mitläufertums“ (Kühner)."

     

    Nu. Kein Scherz. Newahr.

  • Was in einer Algorythmus-Blase in den asozialen Medien steht wird zur Grundlage journalistischer Bewertung. Das hat Stil, das ist Qualität.

  • Wo ist der Gegenbesuch?

  • Wo ist nun der Shitstorm gegen die Bundeswehr?!

    • @j_ein:

      Nicht satisfaktionsfähig, würde ich sagen.

  • Die "Privatpersonen" sind eine GmbH (republica GmbH ) und diese lässt sich ihre Veranstaltungen mit öffentlichen Geldern finanzieren.

    Warum sollte nicht auch mal eine Institution der Legislative die Auseinandersetzung in die Öffentlichkeit tragen?

    Das ist kein Monopol von Whistleblowern oder #Regmichüberirgendwasauf.

  • "Die Veranstaltungsreihe wird durch das Medienboard Berlin-Brandenburg und die Bundeszentrale für politische Bildung gefördert."

     

    Also mit Steuergeldern. https://de.m.wikipedia.org/wiki/Re:publica

    • @Frank Erlangen:

      Und von 3 Bundesministerien...