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Bundeswehr und NationenwertungSport, Soldaten, aber warum?

Die Sportförderung in Deutschland steht in der Kritik. Aber ihre anhaltende Militarisierung findet nur wenig Beachtung.

Mehr Bundeswehr ins Stadion: Ein Stabsmusikcorps beim American Football in Düsseldorf, 2023 Foto: Nico Herbertz/imago

D as erregt viele Menschen. Deutschland liegt auf Platz zehn der olympischen Medaillenwertung. Ein Befund, der für manche so schlimm ist wie null Punkte beim Eurovision Song Contest (ESC).

Deswegen fordert aber niemand die Ausweitung musikpädagogischer Angebote. Wäre jedoch die Popmusikförderung in diesem Land ähnlich strukturiert wie das Sportsystem, dann hätten wir eine Ahnung, warum die Auftritte nicht so funzen, wie es das politische Personal gern einfordert: Mehr als ein Drittel des deutschen Teams in Paris waren Sportsoldaten und -soldatinnen der Bundeswehr, weitere sind bei der Polizei, dem Zoll oder der Bundespolizei.

Was wäre wohl die kulturpolitische Krisendiagnose zum ESC-Durchfall, wenn alle drei Jahre das Stabsmusikkorps der Bundeswehr zum Schlager-Grandprix führe? Wäre sich da alle einig, dass die dortige Ufftata-Musik mehr Geld bekommen muss? Vermutlich nicht.

Ich höre schon, dass hier musikalische Äpfel mit sportlichen Birnen verglichen werden … weil, ja, … äh, Kultur- und Sportförderung in Deutschland zunächst mal Ländersache ist, mit musischen Gymnasien und Sportschulen? Oder weil … hm, es ja bei Olympia um Spitzenleistungen geht, während in der Musik, ja gut, irgendwie auch Spitzenleistungen erwartet wird? Oder weil, … grrr, Leistungssport im Kindesalter beginnt, während musikalische Bestleistung jahrelanges Üben und Sammeln von Erfahrungen benötigt?

Sport, Musik, Kultur, Gesellschaft

Vielleicht ist der Vergleich doch nicht ganz so blöd, wie so manche Sportnerds vermuten. Beim ESC hat sich mittlerweile gezeigt, dass Expertengremien, die sich selbst das Wissen attestieren, wohin der internationale Musikgeschmack geht, stets scheitern. Wichtiger ist, dass Musik als Ausdruck einer (btw: möglichst modernen, demokratischen, attraktiven) Gesellschaft verstanden und präsentiert wird.

Vielleicht ist der Vergleich von ESC und Olympia doch nicht so blöd, wie so manche Sportnerds vermuten.

Wo sollte da noch ein Unterschied zum Sport liegen? Es geht doch immer darum, dass alle Menschen, die dies wollen, leichten und geförderten Zugang zu Sport und zu Kultur bekommen. Es geht um eine demokratische Teilhabe im besten Sinne. Und die kann nicht mit dem pädagogischen Arsenal, das man gemeinhin dem deutschen Militär zutraut, erbracht werden.

Mehr Geld für bessere Trainer und Trainerinnen ist immer eine richtige Forderung, doch zu guter Sportförderung gehört ja zuvörderst ein attraktives gesellschaftliches Umfeld. Alle müssen angesprochen werden, müssen sich angesprochen fühlen.

Die Förderung olympischer Sportarten hierzulande besteht aber darin, dass sich Sportlerinnen und Sportler mit so unangenehmen Begriffen wie „Herr oder Frau Stabsunteroffizier“ ansprechen lassen müssen. Schön ist das nicht.

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Martin Krauss
Jahrgang 1964, freier Mitarbeiter des taz-Sports seit 1989
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2 Kommentare

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  • Die deutsche Sportförderung ist ein Witz! Wieder mal ein Gordischer Knoten, der in Teilen dem absurden Föderalismus zu verdanken ist.



    Und die Spitzensportler, gefördert aus Berlin, fliegen nach getaner Tat ohne jede Zukunftssicherung raus. Kein Wunder, dass sich das nur wenige noch antun - ein wenig masochistisch veranlagt muss man dazu schon sein.

  • Diese Kolumne ist bemitleidenswert. Als ehemaliger Leistungssportler kenne ich selber viele die heute Sportsoldaten oder Polizisten sind, und keiner von denen fühlt sich dadurch gestört ein paar mal im Jahr mit seinem militärischen Rang angesprochen zu werden. Noch dazu gehen die meisten eh zur Bundespolizei / Landespolizei oder Zoll, weil die BW so wenige Plätze hat (zumindest ist das beim Wintersport so, Sommersport hab ich keine Ahnung) und man auch einen höheren Sold bekommen kann als bei der BW.