Bundeswehr überraschend beliebt: Waffendienst statt Studium
Ohne Wehrpflicht wird die Bundeswehr zur Unterschichten-Truppe? Fehlanzeige. Mehr als 42 Prozent aller Freiwilligen haben Abitur.
BERLIN taz | Max Landero wollte nach seinem Abitur nicht jeden Tag in demselben Büro sitzen oder sofort ein Studium beginnen. Also meldete er sich im Juli 2012 zur Bundeswehr. „Ich wollte früh Verantwortung übernehmen.“ Im Landeskommando Brandenburg wertet er als freiwillig Wehrdienstleistender Presseberichte aus und beantwortet Medienanfragen.
Sein Vater, der aus Chile kommt, sei anfangs skeptisch gewesen, berichtet der 21-jährige Berliner. „Ich musste ihm erklären, dass die deutsche Armee etwas anders ist als die chilenische“, sagt der Hauptgefreite. Schon in der 12. Klasse hatte Landero überlegt, Offizier bei der Bundeswehr zu werden.
Mehrere tausend Abiturienten entscheiden sich jedes Jahr für den Dienst bei der Bundeswehr. Neue Statistiken, die der taz vorliegen, zeigen: Drei von vier freiwillig Wehrdienstleistenden haben entweder Abitur oder mittlere Reife.
Während im Jahr 2010 noch rund 32 Prozent der Rekruten das Abitur oder einen vergleichbaren Abschluss hatten, sind es inzwischen, ohne Wehrpflicht, mehr als 42 Prozent der Wehrdienstleistenden. 2009 hatten nur 30 Prozent Abitur.
Dabei waren die Befürchtungen groß, als im Juli 2011 die Wehrpflicht ausgesetzt wurde. Die neue Bundeswehr werde eine ostdeutsche Unterschichten-Armee sein, schrieb damals etwa der Historiker Michael Wolffsohn, Professor an der Münchner Bundeswehr-Universität. Befürworter der Wehrpflicht hatten befürchtet, die Bundeswehr könnte zu einer letzten Anlaufstelle der Abgehängten werden. Die Realität sieht jedoch anders aus.
Auch der Anteil der Realschüler beträgt heute 30 Prozent. 5 von 100 Freiwilligen haben eine abgeschlossene Berufsausbildung, 0,2 Prozent der Freiwilligen bringen sogar ein Studium mit. Der Anteil der Hauptschüler ist indessen deutlich gesunken.
Elite-Armee ist nicht gewünscht
„Das Bildungsniveau der freiwillig Wehrdienstleistenden ist unverändert hoch“, erklärt eine Sprecherin des Verteidigungsministeriums. Dennoch wolle die Bundeswehr keine Elite-Armee werden, die Bundeswehr wolle allen Jugendlichen ein Angebot machen, nicht nur Abiturienten und Realschülern.
Wieso der freiwillige Dienst bei Abiturienten wie Landero plötzlich so beliebt ist, kann sich das Ministerium selbst nicht genau erklären. Auch die Frauenquote wird etwas besser: Immerhin 200 der 1.800 Soldaten, die im Juli ihren freiwilligen Wehrdienst begonnen haben, sind Frauen.
Der verteidigungspolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, Rainer Arnold, macht sich trotzdem Sorgen. Abiturienten, die zur Bundeswehr kommen, würden die Offizierslaufbahnen anstreben und meistens nicht als einfacher Soldat dienen wollen. „Auch andere Staaten haben kein Problem, kluge Offiziere zu finden“, sagt Arnold. „Es gibt erhebliche Probleme, für die Mannschaften geeignetes Personal zu finden.“
Werbspots vermitteln falschen Eindruck
Schon ein normaler Soldat müsse heutzutage Fremdsprachen beherrschen, sich mit dem Recht auskennen und komplexe Technik bedienen können. Werbespots der Bundeswehr mit Kampfflugzeugen würden aber einen „völlig falschen Eindruck von der täglichen Arbeit der meisten Bundeswehrsoldaten“ erwecken.
Da kann Dietmar Schroeder, der Vorgesetzte von Max Landero, zustimmen. Niemand, der sich für mindestens 7 bis maximal 23 Monate verpflichtet, werde zum Jetpiloten ausgebildet. Dafür müsse man schon Berufssoldat werden.
Am härtesten war die dreimonatige Grundausbildung, erinnert sich Abiturient Landero. „Dann hat man ein bisschen die Zähne zusammengebissen, und es ging.“ Trotzdem zieht Landero auf Dauer doch das Leben als Zivilist vor.
„Ich möchte mich nicht für 12 Jahre verpflichten und ständig den Wohnort wechseln.“ Im Herbst will Landero darum das machen, was viele seiner Altersgenossen tun: ein Jurastudium an einer Universität beginnen.
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