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Bundeswehr im MittelmeerFlüchtlingsretter außer Dienst

Mehr als drei Wochen lang hat sich die Bundeswehr an keiner Seenotrettung im Mittelmeer mehr beteiligt. Dafür bekämpft sie nun Schleuser.

Bei einer Visite im Juni in Sizilien: Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen. Foto: reuters

Berlin taz | Erst hatte sich die Bundeswehr etwas geziert: Seenotrettung sei keine hoheitliche Aufgabe der Bundeswehr, sagte ein Sprecher der deutschen Marine am 21. April zur taz. Kurz zuvor waren mehr als 1.000 Migranten im Mittelmeer ertrunken.

„Aber wenn die Politik sagt, wir sollen das machen, dann schauen wir, was wir tun können.“ Wenige Tage später schickte Bundesverteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) zwei Schiffe ins Mittelmeer. „Es geht jetzt vor allem darum, dass wir sehr schnell Menschen, die in Not sind, helfen“, sagte sie.

An elf Rettungseinsätzen haben sich vier Schiffe der Bundeswehr seither vor Libyen beteiligt. 5.884 Menschen, darunter 1.010 Frauen und 409 Kinder, retteten sie aus Seenot. Alle wurden in italienische Häfen gebracht. Am 23. Juni aber brach diese Serie ab. Nach Auskunft der Bundeswehr waren die beiden verbliebenen Schiffe nach diesem Tag mehr als drei Wochen an keinem Rettungseinsatz mehr beteiligt. Erst in der Nacht zum Donnerstag nahm die „Werra“ auf Bitten der italienischen Behörden wieder 211 Insassen von zwei Schlauchbooten auf.

Genug zu tun wäre in der Zwischenzeit gewesen. Seit dem 23. Juni sind täglich bis zu 900 Migranten im Mittelmeer gerettet worden. Teils hat dies die italienische Küstenwache übernommen, oft waren es auch Tanker oder Rettungsschiffe von Organisationen wie Ärzte ohne Grenzen oder Sea Watch. Und weiterhin gab es Unglücke. Bis zum 13. Juli ertranken dieses Jahr nach UN-Angaben mindestens 1.814 Menschen im zentralen Mittelmeer. Allein letzte Woche gab es mehrere Unglücke mit Dutzenden Toten.

Vermehrt gegen Schlepper

Anfang Juli hatte von der Leyen die Marineschiffe im sizilianischen Hafen Catania besucht. Die Seenotrettung sei richtig, sagte sie danach. „Aber die Probleme werden dadurch nicht gelöst.“ Sie kündigte an, dass die Bundeswehr sich fortan verstärkt dem Kampf gegen Schlepper widmen werde. Schon vor Beginn des Einsatzes im Mai war klar, dass die Bundeswehrschiffe sich an der Antischleuser-Misson der Europäischen Union, der Operation Eunavfor Med, beteiligen würden. Diese startete am 30. Juni – just nachdem die Bundeswehr nicht mehr zu Rettungseinsätzen ausgerückt war.

Warum in den fraglichen drei Wochen keine Rettungseinsätze mehr unternommen wurden, beantwortete die Bundeswehr nicht. Sie erklärte lediglich, an den Schiffen seien Umrüstungen für die EU-Mission notwendig gewesen. Nun sammeln die deutschen Schiffe „Informationen über die kriminellen Netzwerke der Schleuser“, etwa mit Seeradaren oder durch Befragung geretteter Migranten. Die „Aufgabe Seenotrettung“ bleibe aber „weiterhin bestehen“, so eine Sprecherin.

„Wo sind die eigentlich?“

Ruben Neugebauer, Sprecher der Sea Watch, sagte, wenn seine Organisation Schiffbrüchige entdecke und an die italienischen Behörden Notrufe absetze, sei das nächste Schiff oft viele Stunden entfernt. „Und wenn wir gezielt nach Militärschiffen fragen, heißt es immer, es seien keine in der Gegend. Da fragen wir uns natürlich, wo sind die eigentlich?“

Rainer Arnold, verteidigungspolitischer Sprecher der SPD, nahm die Marine hingegen in Schutz: Die „Erkundungsphase“ der Schlepperbekämpfungsmission laufe derzeit „zusätzlich zur Rettung automatisch mit“.

Die Linken-Abgeordnete Ulla Jelpke sagte, die Zurückhaltung der Bundeswehr wundere sie „überhaupt nicht.“ Statt Flüchtlinge zu retten, würden nur Schleuser bekämpft. Der Grüne Omid Nouripour sagte, es erscheine wie ein „zynisches Schaulaufen, wenn man Hilfe suggeriert, die gar nicht da ist“. Langfristig müsse eine gut finanzierte, zivile Seenotrettung eingesetzt werden.

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2 Kommentare

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Kommentarpause ab 30. Dezember 2024

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  • Die Rettungseinsätze waren also eine PR Aktion zur Besänftigung der Gemüter. Deutsche Gemütlichkeitspflege also.

     

    Die Entfremdungssymptome nehmen schon sehr bizarre Formen an Was passiert, wenn demnächst Boote unter Drohung, sie notfalls zu entern, zurück nach Libyen eskortiert werden? Wird Frau von der Leynen den heimlichen Befehl ausgeben, dabei einige Kinder vorübergehend an Bord zu nehmen, vor der Rücküberführung tröstend zu strecheln und dabei gemachte Selfies der Trostspender als Beweis ihrer Mitmenschlichkeit in die sozialen Medien zu schleusen?

     

    Die ganze Situation zeigt doch, wie dringlich ernst gemacht werden muss mit der Entwicklung nachhaltig wirksamer Arten, Mittel und Wege, Wohlstand zu schaffen. Es muss in historisch gesehen atemberaubend kurzer Zeit eine Form der Globalisierung durchgesetzt werden, die es allen möglich macht, ihr Leben zu genießen ohne dass dies zugleich die Grundlagen des Lebensgenusses aller zerstört.

     

    Was soll erst werden, wenn der steigende Meeresspiegel die dicht besiedelten Küstenmetropolen akut bedroht?

     

    Noch innerhalb der nächsten Jahrzehnte muss es möglich gemacht werden, dass das gesamte menschliche Für- und Voneinander auf Grundlage eines weltgemeinschaftlichen Nachhaltigkeitsmanagement funktioniert, d.h. auf Grundlage zunehmen (welt-) gemeinschaftlich bestimmter Nachhaltigkeitsziele, und geeigneter Mittel, entsprechende (internationale, nationale, regionale, lokale usw) Umbaukonzepte zu realisieren. .

     

    "Die erwachende Einsicht, daß die bestehenden gesellschaftlichen Einrichtungen unvernünftig und ungerecht sind, daß Vernunft Unsinn, Wohltat Plage geworden, ist nur ein Anzeichen davon, daß in den Produktionsmethoden und Austauschformen in aller Stille Veränderungen vor sich gegangen sind, zu denen die auf frühere ökonomische Bedingungen zugeschnittne gesellschaftliche Ordnung nicht mehr stimmt."

  • Man muss sich das ja mal vor Augen führen: weil seit Jahren die EU-Grenzen zu Lande dicht gemacht werden, sind die Flüchtlinge überhaupt in solchen Mengen aufs Mittelmeer ausgewichen. Dort nehmen sie sogar den Tod durch Ertrinken in Kauf, denn die Zustände auf den Booten werden sich ja wohl in die Camps auf der afrikanischen Seite herumgesprochen haben. Das alles zeigt für mich nur, dass es illusorisch ist, wenn manche meinen, man könnte die Fluchtbewegungen stoppen. Die EU reagiert auf ihre selbst geschaffenen Bedingungen mit einer passiven Opfermentalität und rückt nur widerwillig mit Hilfsmassnahmen heraus, Ressourcen werden verwendet um die Flüchtlinge zu bekämpfen, statt ihnen zu helfen. In diesem Zusammenhang verweise ich auf den Kommentar Bernd Pickerts: Die verbreitete Meinung, man müsse Fluchtursachen vor Ort bekämpfen, erweist sich angesichts der tatsächlichen Politik als Farce. http://www.taz.de/Kommentar-UN-Entwicklungsgipfel/!5212578/