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Bundeswahlkampfthema Stuttgart 21Streit bei den Grünen

Innerhalb der Grünen sorgt das Bahnprojekt Stuttgart 21 für Ärger. Uneinig ist man sich vor allem, ob S21 eine Rolle im Bundestagswahlkampf spielen soll.

Renate Künast und Winfried Kretschmann (schwitzend) Bild: dpa

STUTTGART/BERLIN dpa | Stuttgart 21 und die Grünen: Auch nach der grundlegenden Entscheidung der Bahn, dass das mit mindestens 6,5 Milliarden Euro veranschlagte Bahnprojekt kommt, bleibt das Thema innerhalb der Partei umstritten. Zum einen geht es um die Frage, ob die Grünen versuchen sollten, im nahenden Bundestagswahlkampf Kapital aus dem Thema zu schlagen.

Immerhin gilt der Konflikt um S21 als einer der Hauptgründe dafür, dass Grüne und SPD 2011 die Landtagswahl im Südwesten gewannen. Zum anderen sorgt das Thema für Spannungen innerhalb der baden-württembergischen Grünen. Und auch in der Koalition mit der SPD bleibt das Thema konfliktträchtig.

Allenfalls mühsam können die Grünen dem Eindruck entgegenwirken, dass sie sich bei Stuttgart 21 kräftig in den Haaren liegen. So sagte Kretschmann zum Verdruss vieler Parteifreunde kürzlich im Spiegel: „Es gibt kein Zurück mehr.“

Parteichef Cem Özdemir, der in Stuttgart bei der Bundestagswahl im Herbst ein Direktmandat im Bundestag gewinnen will, meinte hingegen noch Anfang März in der taz zur Frage, ob das Projekt schon unumkehrbar sei: „Heute sind wir noch nicht an dem Punkt.“ Und Fraktionschefin Renate Künast verkündete in der Bild-Zeitung gewohnt kritisch: „Natürlich wird Stuttgart 21 ein Wahlkampfthema, denn das bewegt die Menschen im ganzen Land.“

Die Wähler wollen reden

Kretschmann sieht das aber gar nicht so. Er entgegnete via Stuttgarter Zeitung: „Stuttgart 21 mache ich nicht zum Wahlkampfthema.“ Führende Bündnis-Grüne wollen darin aber keinen Streit sehen. So wird in Künasts Umfeld beteuert: Slogans wie „S21 - Merkels Bahnhof“ wolle auch sie nicht plakatieren. Vielmehr habe Künast nur vorhergesagt, was ohnehin eintreten werde, nämlich, dass die Wähler über das umstrittene Projekt reden wollten.

Dass von den Grünen zu dem Thema unterschiedliche Antworten kommen, liegt auch an ihren Rollen. Als „Landesvater“ und Chef einer grün-roten Koalition – die SPD ist für S21 – scheut Kretschmann davor zurück, den Streit um den Bahnhof immer weiterzuführen, zumal eine Volksabstimmung im Südwesten im Herbst 2011 für den Weiterbau des Bahnhofs ausging.

Im Bund sind die Grünen hingegen Opposition im Wahlkampfmodus – und im Bundestag auch Kontrolleure der bundeseigenen Bahn. Vor allem der grüne Verkehrsausschuss-Vorsitzende Anton Hofreiter hält mit markiger Kritik nicht hinterm Berg. „Stuttgart 21 ist Merkels Bahnhof. Er steht für eine ideologische Politik, bei der Milliarden Euro an Steuergeld keine Rolle spielen“, sagt er.

Wer zahlt die Mehrkosten?

Doch schwerer als Meinungsverschiedenheiten mit den Bundes-Grünen dürften für Kretschmann Differenzen mit der eigenen Partei und Fraktion im Südwesten wiegen. Unbeantwortet ist die Frage, ob sich das Land an Mehrkosten für einen verbesserten Flughafenbahnhof, einem Teilprojekt von Stuttgart 21, beteiligt.

Grüne und SPD sind sich zwar einig darüber, dass der Kostendeckel für das Gesamtprojekt Bestand hat. Aber beim Flughafenbahnhof ist die SPD dafür, dass sich das Land einer Mehrkostenübernahme für eine bessere Variante nicht verschließen sollte – zumal die für den Flughafenbahnhof seit einer Bürgerbeteiligung auf dem Tisch liegt. Grünen-Fraktion und Partei sind aber strikt dagegen, dafür mehr Geld auszugeben.

Kretschmann versuchte zu vermitteln und deutete mehrmals vage die Möglichkeit geringer Mehrkostenübernahmen an. Doch sobald er sich hier vorwagte, erntete er heftigen Widerspruch aus den eigenen Reihen. Die Bahn dringt auf eine Entscheidung – sollte es nicht mehr Geld geben, will sie ihre ursprünglichen Pläne zum Flughafenbahnhof umsetzen. Dann wäre nicht nur der rote Koalitionspartner vergrätzt. Vor allem die Grünen, die in Baden-Württemberg die „Politik des Gehörtwerdens“ propagieren, müssen dann auch die unangenehme Frage beantworten, wozu es überhaupt eine Bürgerbeteiligung gab.

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9 Kommentare

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  • D
    Dori

    Man könnte fast meinen man hat die BLÖD zum Lesen.

    Schlecht recherchierter und geschriebener Artikel.

    Für mich ist die Landesregierung in BaWü LGPCK 2.0 trozdem muss ich hier eine Lanze Brechen.

    Die sog. Bürgerbeteiligung für das 'Teilprojekt' (Filderdialüg) war eine Farce, diktiert durch die Bahn. Die mehrheitliche Lösung tauchte danach nie mehr auf. Die als Ergebnis von der Bahn 'verkaufte' Lösung soll jedoch 120 Millionen mehr kosten. Die Haltung der Landesregierung ist daher richtig, denn die "Antragstrasse" die die Bahn nun bauen will, hat keine Planfeststellung und bekommt diese auf absehbare Zeit nicht. Jegliche Änderung der "Antragstrasse" in Richtung eines erfolgreichen Planfestellungsverfahrens würden die Mehrkosten des Filderdialügs überschreiten.

     

    Die volksabstimmung hat nicht, wie im Artikel behauptet, über den Weiterbau von S21 entschieden, sondern über den ausstieg des Landes Baden Württemberg aus der Finanzierung. Hauptwahlsloagen der Millionenschwerden Beführworter Probaganda "Ausstiegskosten von 1,5 MRD € für nichts!"

    In Wahrheit lagen damals bei pessimistischer Rechnung die Ausstiegskosten bei 500-600 Millionen!

    Dementgegen stand zwar eine Große Anzahl engagierter Bürger mit einen winzigen Budget gegenüber! -> Ungleicher Wahlkampf, ins besondere dass obendrein mit Steuergeldern aktiv für die Ablehnung geworben wurde, vgl. Bief des OB Schuster an die Wahlberechtigten der Stadt Stuttgart auf dem Briefpapier des OB.

    Dazu kommt die nicht zu überwältigende Latte des Quorums: 1/3 der Wahlberechtigten hätten für den Austieg entscheiden müssen. Würde aufgrund dieses Quorums der Landtag gebildet hätten wir seit über 10 Jahren in BW kein Parlament! Daher ist das Knappe Ergebnis gegen den Ausstieg respektabel und eigentlich ein Erfolg, denn die Befürworterparteien CDU/SPD/FDP/Freie Wähler konnten nicht die gleiche Anzahl an Wählern wie bei der Landtagswahl mobilisieren. Die Gegner GRÜNE/LINKE und die APO konnte ihren Stimmenanteil etwa verdoppeln! Tortz der mangelhaften und z.T. unterlassenen Unterstütung durch die Regierungspartei, sowie die Unterlassung jeglicher Hilfe der Regierungsmitglieder im Wahlkampf.

     

    Dass die Grünen sich uneins sind ob S21 im Wahlkampf herhalten soll ist dennoch nicht abzustreiten. Kretschmann und Co. liebäugeln mit der CDU, daher ist ihnen das Thema ein Dorn im Auge, denn was geht mich mein blöds Geschwätz von gestern an. W.K. wäre es lieb, wenn das Thema endgültig vom Tisch wäre.

    Dem entgegen steht Cem Özdemier, der über das Direktmandat in den Bundestag will. Er ist sich bewusst, dass in seinem Wahlbezirk bei der Volksbastimmung das Qouorum von 1/3 Wahlberechtiger für den Ausstieg erreicht wurde.

     

    Fazit:

    Es ist Wahlkampf das Interesse der Bürger interessiert nicht wirklich sondern die eigenen Interessen zählen, wie man es bei der grüngefärbten Schwartz-Partei in der Regierung von BW erlebt hat.

  • L
    Leser

    Dieser Artikel ist schlecht recherchiert! Wenn da steht " Vor allem die Grünen, die in Baden-Württemberg die „Politik des Gehörtwerdens“ propagieren, müssen dann auch die unangenehme Frage beantworten, wozu es überhaupt eine Bürgerbeteiligung gab." ist das nur die halbe Wahrheit und die TAZ gesellt sich zu den Zeitungen, die nicht dahinter schauen und lieber das nachplappern was offiziell verlautbart wird oder in anderen Medien verbreitet wird -- schade, ich habe mehr erwartet von der TAZ. Denn der Filderdialog war zwar ein durch die Grünen gestartetes und von den anderen Projektpartnern (Region, Flughafen, Stadt, Bahn) zunächst unterstütztes Projekt. Genau diese Projektpartner dann haben aber unmissverständlich klargestellt, dass der Dialog nur einen Ausgang haben darf, nämlich den, der jetzt groß als "Konsens mit den Bürgern" propagiert wird. Das ist jedoch nicht der, den die Bürger und die Grünen -- insbesodnere Verkehrsminister Hermann -- wollten. Hier also auf die Grünen einzuschlagen und zu behaupten, sie würden den Bürger gar nicht hören, ist reichlich ignorant. Liebe TAZ-Redaktion, ich kenne Euch als jahrelanger Leser und weiß, dass Ihr in der Lage seid, Dinge wirklich zu durchschauen, also bemüht Euch auch bitte in dieser Sache. Es ist oftmals eben nicht so einfach wie es scheint.

  • E
    ECO

    Die Grünen, allen voran Herr Hermann (Verkehrsminister Ba-Wü)hat vor der Volksabstimmung groß getönt, dass vor der VA alle Fakten auf den Tisch kommen, dass er dafür sorgen wird, dass die Menschen wissen über was sie abstimmen. Tja, dann gab es die Abstimmung und die Menschen haben sich für S21 entschieden. Nun kann man sich nach jeder Abstimmung immer hinstellen und rumschreien. Einfache Frage: Was wäre gewesen, wenn man sich gegen S21 entschieden hätte und die S21-Befürworter die VA und die vorgelegten Fakten/Daten anzweifeln würden? Wäre die VA in den Augen der S21-Gegner dann ebenfalls "wertlos".

    Die Grünen, allen voran Frau Künast oder Herr Hofreiter, die in S21 nur einen Bahnhof sehen werden nicht müde ihre ideologische Politik in den Vordergrund zu drängen. Wenn es nach ihnen geht ist alles was die CDU anpackt "umstritten" und nur als Prestige gedacht. Ich denke vielmehr, ein Abbruch von S21 und das damit entstehende Milliardengrab wäre für die Grünen ein ideologischer Meilenstein, wäre ja schlimm, wenn etwas was die CDU wollte am Ende noch gut wird...

    Atomendlager wollen sie bauen, aber einen Bahnhof kann man selbstverständlich nicht unterstützen, ganz logisch...

  • V
    vic

    Eine Volksabstimmung mit unterschlagenen und falschen Daten ist wertlos.

  • M
    Michel

    Das Problem mit dem Filderbahnhof und den "ursprünglichen Plänen zum Flughafenbahnhof" ist doch, dass es die in Wahrheit gar nicht gibt - jedenfalls nicht genehmigungsfähig. Nur weil das Eisenbahnbundesamt die ursprünglichen Pläne zurückgewiesen hatte, wurde der Bürgerbeteiligungsprozess überhaupt möglich. Insofern sind die Aussagen der Bahn zu Mehrkosten für die Veränderungen mehr als fragwürdig, zumal keinerlei Berechnung welcher Art auch immer vorgelegt wurde.

    Kretschmann will nun der Bahn grundsätzliche Bereitschaft zu Aufstockungen in begrenztem Rahmen signalisieren, wenn nachrechenbare Zahlen vorgelegt werden. Die Mehrheit der Grünen in BaWü dagegen sieht darin ein falsches Signal. Insofern ist grünen-intern der Konflikt eher einer der richtigen Verhandlungsstrategie. Im Verhältnis zum Koalitionspartner geht der Konflikt dagegen weit tiefer, da die Führung der SPD immer noch an S21 festhalten will, ungeachtet neuer Entwicklungen, sozusagen aus Parteiräson.

  • PS
    Peter Schwanen

    Fazit: Die Grünen können weder Regierung noch Opposition. Die überflüssigste und für Freiheit, Demokratie und Wohlstand gefährlichste Partei seit Gründung der Bundesrepublik.

     

    Wer diese Partei wählt ist entweder geistig nicht zurechenbar oder blinder Überzeugungstäter.

  • A
    Anouk

    Die von der DB derzeit favorisierte Variante war nicht die Lösung, für die sich die Bürger im Rahmen des Filderdialogs ausgesprochen hatten - die Bürger haben sich für die sogenannte "Gäubahnvariante" entschieden, welche seitens der Projektbetreiber aber nicht weiterverfolgt wurde. So gesehen ist es falsch, die Grünen auf das Thema "Bürgerbeteiligung" festzunageln und zur Zahlung zu bewegen - der Wunsch der Bürger fand doch überhaupt keine Berücksichtigung. Dass die DB zwingend eine andere Lösung als die noch geplante Antragstrasse benötigt, liegt auf der Hand - ist sie doch seit über 10 Jahren nicht genehmigungsfähig. Es kann daher nicht sein, dass Stadt und Land für die Fehlplanungen der DB nun zusätzlich belastet werden.

     

    Ein wichtiger Punkt, der ebenfalls gerne übersehen wird, ist, dass die Einhaltung des Kostendeckels eine Prämisse des Filderdialogs war und ist - heute noch nachzulesen auf der offiziellen Homepage des Filderdialogs: http://www.filderdialog-s21.de/index.php?eID=tx_nawsecuredl&u=0&file=uploads/secure/mit_download/ViS_ON-Prozess_2_FILDER-DIALOG_1206-1207.pdf&t=1365423638&hash=a5d0571458e6b82184425943414a8732

  • M
    M.E.Brauer

    Dann soll die Bahn doch ihre Antragstrasse bauen. Seit ca. 16 Jahren kriegt sie die Genehmigung beim EBA nicht hin. Die Wahrscheinlichkeit, dass es jetzt klappt, ist weiterhin gering.

    Das wissen hier Tausende Bürger. Leider haben sich auch Zehntausende Bürger vor der VA von den Medien, die massiv nur für S21 plädiert haben ("ohne S21 ist Stillstand oder Rückfall in die Steinzeit!"), manipulieren lassen.

  • P
    PeterWolf

    Ein richtiger Richtungsstreit sieht aber anders aus, es geht doch bei gleicher Zielrichtung nur um die beste Taktik: sowohl den Bahnhof vielleicht doch noch ohne Desaster zu verhindern als auch die Wahl zu gewinnen. Und an Kretschmann führt zur Zeit natürlich nichts vorbei.