Bundesverdienstkreuz für Wattschützer: Killer of the Fishermen

Seit über 40 Jahren setzt sich Umweltingenieur Holger Wesemüller für den Schutz des Wattenmeeres ein. Nun wurde er für sein Lebenswerk geehrt.

Ein Fischerboot mit ausgefahrenen Netzen in der Nordsee

Was geht vor? Umweltschutz oder Fischerei, wie hier in der Nordsee vor Pellworm? Foto: Marcus Brandt/dpa

HAMBURG taz | In den Niederlanden wurde er einst „killer of the fishermen“ genannt, weil er sich für Schutzgebiete an der Küste einsetzte und sich die Fi­sche­r:in­nen um ihre Existenz sorgten: Am Montag wurde ebenjenem Killer das Bundesverdienstkreuz überreicht. Naturschützer Holger Wesemüller wurde in den über 40 Jahren, in denen er sich für den Schutz des Wattenmeeres engagiert, von vielen Seiten angefeindet. Auch manchen Na­tur­schüt­ze­r:in­nen war er ein Dorn im Auge – wegen seiner Kompromissbereitschaft, wie er selbst sagt.

Wesemüller sitzt im Beirat des Nationalparks Niedersächsisches Wattenmeer und hat den Fachbereich Meere und Küsten der Umweltschutzorganisation WWF aufgebaut. Der Schutz des Wattenmeers ist seine Leidenschaft. Wenn es um das Thema geht, wird Wesemüller „fast schon Märchenerzähler“, wie er sagt. Und so ist es. Die jahrzehntelange Arbeit schlägt sich in Anekdoten nieder, die kaum Nachfragen zulassen. Als ehemaliger Umweltlobbyist ist Wesemüller ein geübter Redner. Er erzählt humorvoll, gespickt mit enzyklopädischem Fachwissen und einer gehörigen Portion Selbstsicherheit.

Der gebürtige Bremer kennt seine Erfolge. Dass das niedersächsische Wattenmeer heute Nationalpark und Unesco-Weltnaturerbe ist, geht mit auf seine Kappe. Für ihn ist es ein Grund großer Freude, dass seine „Lebensleistung“ nun anerkannt wird. „Der Zuspruch, den ich bekomme, ist enorm. Nicht nur aus der Region, sondern auch international“, sagt er.

Ein älterer Mann mit weißen Haaren in Jacket und Hemd in einem Garten

Als Umweltschützer braucht man vor allem Geduld, weiß Holger Wesemüller Foto: Privat

Dafür, so erinnert sich der 74-Jährige gern, hat er viele Stunden in politischen Gremien verbracht, verhandelt – und wenn nichts mehr half, auch gemeinsam ein paar Schnäpse getrunken. Wesemüller erzählt solche Geschichten gern, ist aber nicht im Gestern verhaftet. Er will sich weiter für das Wattenmeer einsetzen. Problematisch sind aus seiner Sicht etwa die Zuflussvertiefungen in Elbe, Weser und Ems. Nur an Mitkämpfer:innen, da mangele es: Beim Nachwuchs beklagt er fehlenden Einsatz, es herrsche eine „Stechuhrmentalität“.

Nachvollziehen kann Wesemüller das nicht, darum arbeitet er weiter. Mindestens die Hälfte des Bundesverdienstkreuzes gehöre seiner Frau. „Ohne sie hätte ich alt ausgesehen.“ Seine Familie habe generell einiges aushalten müssen: Neben verbalen Angriffen und Telefonterror seien ihnen auch mehrmals die Reifen zerstochen worden. „Auch von Naturschützern.“ Die hätten ihm seine Kompromissbereitschaft zum Vorwurf gemacht. Als Vorsitzender des Nationalparkbeirats vertritt er auch die Interessen der Anrainer:innen. Wesemüller ist Vermittler. Für ihn kann es ein ökologisches Zusammenleben von Naturschutz, Wirtschaft und Freizeit geben.

In manchen Punkten allerdings bleibt Wesemüller hart: Freizeitjagd hält er für „einfach nur überflüssig“. Für den Klimaschutz hingegen würde er sogar küstennahe Windkraftanlagen in Kauf nehmen. Für das Wattenmeer seien der Klimawandel und die Energiekrise große Bedrohungen. „Ich bin ja von Haus aus Optimist, auch wenn es schwer ist.“

Trotz seiner Expertise holt Wesemüller auch jene ab, die nur Laien-Kenntnisse haben. Ein Gespräch mit ihm fühlt sich nach Bundestagsabgeordnetem auf Wahlkreistour an. Zwischen Bratwurst und Senf wartet der Umweltingenieur auf das nächste Problem, für das er schon eine Lösung bereithält.

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