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BundestagswahlBrandenburgs Ausnahme-Wahlkreis

Einzig im Brandenburger Wahlkreis Potsdam und Umgebung gewinnt eine andere Partei als die AfD. Warum ist das so?

Bei der Bundestagswahl nicht von Erfolg gekrönt: Plakat einer Anti-AfD-Demonstration Mitte Januar in Potsdam

Potsdam taz | Ist Brandenburg noch dasselbe Bundesland wie am 22. September? Damals hatten die Wähler die SPD mit rund 31 Prozent vor der AfD platziert, wenn auch knapp. Fünf Monate später hingegen stimmten weniger als halb so viele für die SPD, und die Rechtspopulisten haben in 9 von 10 Wahlkreisen gewonnen. Der SPD, die bei der Bundestagswahl 2021 noch all ihre Direktkandidaten durchbringen konnte, bleibt nur der Wahlkreis 61. Dort, in Potsdam und Umgebung, gewann ausgerechnet der bundesweit erfolglose SPD-Spitzenkandidat Olaf Scholz.

Es sind zwischen Uckermark und Lausitz die ersten Wahlkreissiege bei einer Bundestagswahl überhaupt für die AfD. Zuvor hatte sie nur in Sachsen, Thüringen und Sachsen-Anhalt Direktmandate gewonnen. 2021 allerdings war sie schon nah dran, in zwei Wahlkreisen im Süden des Landes zu gewinnen: Elbe-Elster-Oberspreewald-Lausitz und Cottbus-Spree-Neiße.

Nicht alle 9 AfD-Wahlkreissieger aber werden im Bundestag sitzen: Der Landtagsabgeordnete und frühere Landtagsvizepräsident Andreas Galau bleibt draußen. Das ist die Folge der Wahlkreisreform, nach der es keine Überhangmandate mehr gibt. Die ergaben sich, wenn eine Partei mehr Wahlkreise gewann, als ihr nach der Zweitstimme Mandate zustanden.

Tatsächlich aber handelt es sich durchaus noch um das Bundesland, in dem vor nur fünf Monaten noch die SPD vorne lag. Der Unterschied: Damals ging es um die Landtagswahl und den beliebten Ministerpräsidenten Dietmar Woidke. Nun stand die Bundespolitik mit dem weit weniger beliebten Bundeskanzler und SPD-Spitzenkandidaten Olaf Scholz zu Wahl.

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Zwei völlig unterschiedliche Wahlkämpfe

Woidke setzte bei der Landtagswahl noch mehr als schon bei der Wahl 2019 auf seine Beliebtheit, um Skepsis gegenüber seiner Partei auszugleichen. Sein Slogan: „Wer Woidke will, wählt SPD“. Er setzte alles auf eine Karte und kündigte an, nur weiter zur Verfügung zu stehen, wenn die SPD stärkste Partei vor der AfD bleiben würde. Tatsächlich konnte er so einen Rückstand aufholen, der die SPD Anfang 2024 in Umfragen noch bis zu 10 Prozentpunkte hinter der AfD sah.

Bei jener Landtagswahl war die Brandenburg-SPD noch damit erfolgreich, Scholz und die in Umfragen bereits auf 15 Prozent abgestürzte Bundespartei weitgehend aus dem Wahlkampf herauszuhalten. Das mutete zeitweise skurril an, denn Scholz wohnt in Potsdam und hatte auch 2021 den Bundestagswahlkreis gewonnen.

Selbst das hätte er nun fast nicht geschafft. Lag er 2021 noch fast 16 Prozentpunkte vor der damals Zweitplatzierten, Bundesaußenministerin Annalena Baerbock von den Grünen, so rangierte er am Sonntagabend gerade mal noch wenig mehr als einen Prozentpunkt vor der Potsdamer Stadtverordneten Tabea Gutschmidt (CDU). Baer­bock landete dieses Mal nur auf Platz 4, noch hinter der AfD. Scholz hatte vor der Wahl zugesagt, seinem Wahlkreis für die volle Legislaturperiode erhalten zu bleiben, auch wenn er nicht weiter Kanzler sein würde.

Der Potsdamer Wahlkreis ist in Ostdeutschland außerhalb Berlins einer von nur dreien, die nicht an die AfD gingen. Die anderen sind die Region von Erfurt und Weimar – der Wahlkreis des langjährigen thüringischen Ministerpräsidenten Bodo Ramelow – und Leipzig-Süd mit Sören Pellmann (beide Linke), der hier schon 2017 und 2021 gewann.

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3 Kommentare

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  • Alle 3 Kreise sind urban geprägt.



    Wenns nach Zweitstimmen statt Kandidaten geht sieht's noch düsterer aus - Beispiel Thüringen. Selbst in Erfurt und Weimar hat da die AfD gewonnen, das konnte auch der Ramelow-Bonus nicht verhindern, obwohl er das Direktmandat holte

  • Warum ist das so?



    Keine Regel ohne Ausnahme.

  • Ja, das ist interessant.



    Beim Thema Berichterstattung:



    hat es auch nur EIN Lob für die WählerInnen in Brandenburg gegen, dass sie eine "afd" Mehrheit bei der Landtagswahl verhindert haben? Ich glaube nicht!



    Woidke und die SPD wurden als "egoistisch" dargestellt, weil sie die Wahl gewinnen wollten!



    Das darf durchaus als der Witz in der Argumentation gesehen werden, der er ist.



    Hier tritt zutage, was schon länger im Verborgenen schwjlt: sich als links bezeichnende Menschen argumentieren stärker gegen die SPD, als gegen die "afd".



    Letztere scheint als "notwendiges Übel " wahrgenommen zu werden, oder man will sich einfach keine Probleme einhandeln.



    Nachdem Viele von links die SPD nicht gewählt haben, soll sie jetzt aber Alle linken Wünsche in der Regierung durchsetzen.



    Absurd!



    Es ist erfreulich, dass "die Linke" in Fraktionsstärke zurück im Bundestag ist.



    Allerdings war wohl nicht zu erwarten, dass das etwas an der Regierungsbildung ändert.



    Im Vorfeld ist sehr viel über mögliche Koalitionspartner gesprochen worden.



    Wer das Alles ignoriert , muss nun hinnehmen, wer regiert.