Bundestagswahl und große Probleme: Choose Your Player
Es ist wie ein Spiel, bei dem es mehr als nur einen Endgegner gibt. Auf welche Antworten können wir mit der künftigen Regierung hoffen?
D as Realpolit-Game „Bundestagswahl“ geht in die nächste Runde: Politischer Rechtsruck, Klimaschutz, sozialer Ausgleich, Migration und die Zukunft unserer Demokratie. In Zeiten großer Unsicherheit und wachsender Spannungen müssen wir uns fragen: In welcher Welt wollen wir leben?
Sieben Spieler*innen machen sich bereit, ihre Kandidat*innen auf dem Spielfeld des Plenarsaals zu platzieren. Wer kann die eigene Strategie am besten einbringen?
Viele haben zu Beginn der vergangenen Legislaturperiode Hoffnungen in die Ampelregierung aus SPD, Grünen und FDP gesetzt. Auf dem Papier hatte sie gute Chancen, überzeugende Antworten auf drängende Fragen zu finden: Klimakrise, eine sich spaltende Gesellschaft, Migration. Doch sie ist gescheitert.
Empfohlener externer Inhalt
Migrationspolitik, Klimaschutz und sozialer Ausgleich
Gut, möchte man meinen, dann wird die ohnehin anstehende Bundestagswahl eben vorgezogen und Deutschlands neue Volksvertreter*innen im Bundestag werden schon Lösungen finden. Doch wo sollen sich diese Lösungen noch verstecken?
Dieser Text ist Teil des Projekts taz Panterjugend: 26 junge Menschen zwischen 18 und 25 Jahren, Nachwuchs-journalist:innen, -illustrator:innen und -fotograf:innen, kommen im Januar 2025 zu digitalen Seminaren zusammen und im Februar zu einer Projektwoche in die taz nach Berlin. Gemeinsam entwickeln sie zur Bundestagswahl Sonderseiten für die taz – ein Projekt der taz Panter Stiftung.
In Sachen Migration ist die Union (CDU) für viele, die sich eine restriktive Migrationspolitik wünschen, die erste Wahl. Sie liegt in Wahlumfragen seit Langem auf Platz 1. Allerdings hat sie sich mit ihrer Mehrheitensammelei am Rechtsaußen-Ufer von ihrer eigenen Integrität verabschiedet.
Die Sozialdemokratie (SPD) treibt weniger restriktive Lösungen der Migrationsfrage voran, wird im Vergleich zu den Wahlergebnissen 2021 wohl jedoch von den Wähler*innen abgestraft werden. Dabei liegt den Sozialdemokraten – so sagen sie es zumindest selbst – der soziale Ausgleich am Herzen. Während die Ampel ursprünglich mit ambitionierten Vorhaben für mehr soziale Gerechtigkeit angetreten war, blieben viele Maßnahmen auf halbem Weg stecken oder wurden durch Streitigkeiten zwischen den Parteien abgeschwächt. Die geplante Bürgergeldreform etwa, Investitionen in Bildung und soziale Sicherungssysteme – alles Maßnahmen, die allenfalls in Teilen umgesetzt wurden, aber kaum die erhofften Effekte hatten.
Auch die Grünen, als treibende Kraft im Klimaschutz angesehen, liegen den Umfragen zufolge knapp unter ihrem Ergebnis von 2021. Ihre Kernanliegen – eine entschlossene Klimapolitik und nachhaltige Transformation der Wirtschaft – sind oft auf heftigen Widerstand gestoßen, nicht nur beim Heizungsgesetz. Der Zwang, in der Ampel Kompromisse eingehen zu müssen, und die daraus folgenden Unstimmigkeiten haben viele Wähler*innen enttäuscht.
Neuer Schwung bei den Linken
Die Freien Demokraten (FDP) unter Christian Lindner setzten wiederum auf wirtschaftliche Liberalisierung und Technologieoffenheit als Antwort auf die Klimakrise, standen den eigenen Koalitionspartnern aber oft im Wege, wenn es um soziale Gerechtigkeit und staatliche Investitionen ging.
Die Linke befindet sich im Aufschwung und scheint für viele wieder wählbarer zu sein als während der langen Zeit parteiinterner Konflikte zwischen dem Wagenknecht-Flügel und jenem der damaligen Parteichefin Katja Kipping. Erstere führt parteiinterne Konflikte jetzt scheinbar lieber in ihrem One-Woman-Bündnis weiter, während Altgenosse Gregor Gysi durch beflügelte Umfragewerte straight auf dem Weg zum neuen Alterspräsidenten des Bundestages sein könnte. Die „Mission Silberlocke“, mit der die Parteigranden Gregor Gysi, Bodo Ramelow und Dietmar Bartsch die drei mindestens nötigen Direktmandate sichern wollten, scheint geglückt. Und tausende junge Menschen treten dieser Tage neu in die Partei ein.
Jenseits der demokratischen Parteien steht die AfD, die mit scharfer Rhetorik und radikalen Forderungen an Einfluss gewinnt. Für viele Wähler*innen, die sich von den anderen Parteien nicht mehr vertreten fühlen, scheint sie eine Alternative zu sein – trotz oder gerade wegen ihrer polarisierenden und in Teilen rechtsextremen Positionen. Ihr Erfolg ist zugleich ein Warnsignal: Die politische Landschaft ist im Umbruch und der Ton wird rauer.
Was bleibt, ist eine Gesellschaft, die sich entscheiden muss: Geht sie den Weg in Richtung einer pragmatischen Mitte, die Reformen Schritt für Schritt umsetzt? Oder dominieren extreme Positionen, die Spaltung und Unsicherheit verstärken?
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