Bundestagsdebatte zum Paragrafen 219a: Enthusiasmus sieht anders aus
Der Bundestag spricht im Plenum über den Regierungsvorschlag zur Reform des Paragrafen 219a. Das Gesetz soll jetzt schnell kommen.
Dieser verbietet bislang, dass Ärzt*innen öffentlich darüber informieren, dass sie Schwangerschaftsabbrüche durchführen. Der Bundesregierung zufolge sollen Ärzt*innen und Kliniken künftig darüber informieren dürfen, dass sie Abbrüche durchführen. Für jede weitere Information – etwa über die angewandten Methoden – sollen sie aber auf neutrale Stellen verweisen müssen. Dies verbessere die Lage der Frauen „wesentlich“, sagte Barley; gegenüber der jetzigen Lage, „aber auch gegenüber einer vollständigen Abschaffung des Paragrafen“.
Die Begeisterung hielt sich während der gesamten Debatte in Grenzen. Selbst aus den Reihen der SPD-Fraktion ertönte nur vereinzeltes müdes Klatschen bei den Worten der SPD-Ministerin. Die Sozialdemokrat*innen hatten ursprünglich die Abschaffung des Gesetzes gefordert, so, wie es auch FDP, Grüne und Linke tun. Doch als die Koalition mit der Union stand, brachte die SPD ihren Antrag nicht ein, sondern setzte auf einen Kompromiss der Bundesregierung. Ein Aufstand der SPD, um doch noch mehr durchzusetzen, ist kaum noch zu erwarten.
Bezeichnend: Die Fraktion überließ das Wort im Plenum vollständig den beiden beteiligten SPD-Ministerinnen. Schon in den vergangenen Tagen wollten abgesehen von dezidierten Kritiker*innen die meisten Abgeordneten nicht zum Kompromiss Stellung beziehen.
Der Kompromiss erntet sehr viel Kritik
„Das, was jetzt auf dem Tisch liegt, löst keinen großen Jubel aus“, sagte der CDU-Abgeordnete Thomas Frei. Die Union hätte den Paragrafen am liebsten gar nicht angerührt. Bei diesem Thema und den „auseinanderklaffenden Vorstellungen“ sei aber „nichts anderes als ein schmerzhafter Kompromiss“ möglich gewesen, sagte Frei.
Nachdem die Große Koalition monatelang gerungen hatte, soll es jetzt ganz schnell gehen. Anfang Februar billigte das Kabinett den Entwurf. Schon kommenden Montag hört der Rechtsausschuss Expert*innen an, Ende der Woche könnte das Parlament endgültig über das Gesetz abstimmen. Man will das Thema offenbar vor der Europawahl, bei der Barley als SPD-Spitzenkandidatin antritt, vom Tisch haben.
Das Gesetz werde nun in einem „Affenzahn durch den Bundestag gepeitscht“, kritisierte Cornelia Möhring, frauenpolitische Sprecherin der Linksfraktion. Es transportiere ein „Frauenbild der verantwortungslosen Schwangeren, die keine Information verarbeiten kann, keine eigenständigen Entscheidungen treffen kann und die auf Werbung hereinfällt.“
FDP könnte vor das Bundesverfassungsgericht gehen
FDP-Fraktionsvize Stephan Thomae kritisierte, dass die sachliche Information auf der Webseite eines Arztes auch weiterhin strafbar sei. Er stellte die Verfassungskonformität des Vorschlags in Frage. Das Strafrecht könne immer nur Ultima Ratio sein. „Das, was bei Stellen wie der Bundesärztekammer gesetzlicher Auftrag sein soll, ist also auf der Seite eines Arztes so schlimm, dass er mit dem schärfsten Schwert des Rechtsstaates rechnen muss“, kritisierte Thomae. Solle sich daran nichts ändern, werde die FDP eine Normenkontrolle beim Bundesverfassungsgericht beantragen.
Ulle Schauws, frauenpolitische Sprecherin der Grünen-Fraktion, kritisierte die Studie zu vermeintlichen „seelischen Folgen“ von Schwangerschaftsabbrüchen, die Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) im Rahmen des Kompromisses für fünf Millionen Euro durchführen lassen will. „Wenn Sie sich um Frauen sorgen, nehmen Sie dieses Geld in die Hand für eine bessere Versorgung mit Hebammen und Geburtsstationen“, sagte Schauws. Sie kritisierte zudem, dass sämtliche Ärztinnen, gegen die derzeit Strafverfahren laufen, auch weiterhin verurteilt würden.
Es handle sich um ein „Gesetz für die Zukunft, und nicht für die Vergangenheit“, erklärte Frauenministerin Franziska Giffey (SPD). Während die SPD-Ministerinnen sich bemühten, den Kompromiss zu verteidigen, war Jens Spahn der Debatte ganz ferngeblieben.
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