Bundestag streitet über Teilhabegesetz: Keine Hilfe für Blinde und Gehörlose?
Aktivisten rügen den Gesetzesplan. Zu selbstständige Behinderte könnten womöglich ohne Leistungen bleiben. Experten versuchen zu beruhigen.
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Der Gesetzentwurf bezieht sich auf die Gewährung von Eingliederungshilfe, Geld- und Sachleistungen, die es behinderten Menschen ermöglichen soll, in Arbeit und Freizeit am gesellschaftlichen Leben teilnehmen zu können. Die Behinderteninitiativen rügen unter anderem, dass nach dem vorliegenden Gesetzentwurf künftig nur jene Betroffenen Eingliederungshilfe bekommen sollen, die in mindestens fünf von neun definierten Lebensbereichen Unterstützung brauchen.
Gehörlose und Blinde könnten dann möglicherweise nicht mehr unter diese Definition fallen, sagte Horst Frehe vom Forum behinderter Juristinnen und Juristen. Die Sorge besteht, dass beispielsweise sehr selbständige Blinde künftig keine Vorlesehilfe mehr bekommen.
Matthias Münning von BAGüs, dem Dachverband der Sozialhilfeträger, erklärte, diese wenigen Fälle seien durch Ermessensspielräume abgedeckt. Das Gesetz sieht zudem ausdrücklich vor, dass niemand eine Verschlechterung erleben soll.
Auch die Sorge, dass Behinderte künftig unter Umständen nicht mehr ohne Weiteres in Wohngruppen leben dürfen, sondern gezwungen werden könnten, in Pflegeeinrichtungen umzuziehen, weil die Eingliederungshilfe gegenüber der Pflege nachrangig sein soll, versuchten Sachverständige zu entkräften. Irene Vorholz vom Deutschen Landkreistag verwies auf eine spezielle Klausel im Gesetzentwurf: Danach müssen Vorgaben aus Kostengründen für die Betroffenen „zumutbar“ sein. Dies gilt auch für das „Poolen“, wenn sich mehrere Behinderte einen Assistenten teilen sollen.
Eine Koalitionsarbeitsgruppe sitzt derzeit noch an Nachbesserungen. Der Gesetzentwurf soll Anfang Dezember im Bundestag abgestimmt werden und 2017 in Kraft treten.
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