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Bundestag beschließt SicherheitspaketDie Ampel steht

Trotz einiger Ab­weich­le­r*in­nen passiert das umstrittene Sicherheitspaket den Bundestag. Doch der Bundesrat verweigert ihm teilweise die Zustimmung.

Im Staffellauf an die Urne: Bundeskanzler Olaf Scholz bei einer der vielen Abstimmungen am Freitag Foto: Joerg Carstensen/dpa

Berlin taz | „Wir brauchen alle Urnen, die uns zur Verfügung stehen“, sagte Bärbel Bas am Freitagmorgen im Bundestag. Das umstrittene Sicherheitspaket der Ampel-Regierung stand auf der Tagesordnung, unterteilt in neun teils namentliche Abstimmungen. Nach stundenlangen Abstimmen und Auszählen stand fest: Das Gesetzespaket mit seinen harten Asylrechtsverschärfungen ist angenommen – obwohl Abgeordnete bei den Grünen wie auch der SPD vorab ihren Protest kundgetan hatten. Am Nachmittag scheiterte es dann aber zumindest in Teilen im Bundesrat.

Weil CDU und AfD auf namentliche Voten gepocht hatten, liefen die Abgeordneten an diesem Vormittag wie im Staffellauf an die Urne und zurück. Trotz vereinzelter Nein-Stimmen und Enthaltungen aus allen drei Ampel-Fraktionen reichte es letztlich für das Sicherheitspaket. Von den Entschließungsanträgen der Opposition, eine Form des Protests zum Gesetzentwurf, fand keiner eine Mehrheit.

Zu Beginn der Debatte ergriff Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) das Wort. Sie bedankte sich für die gute Zusammenarbeit in der Ampel, dann richtete sie ihr Wort an die größte Oppositionsfraktion: „Auch die Konservativen unter Ihnen haben heute die Möglichkeit einen wichtigen Fortschritt in der inneren Sicherheit zu beschließen.“

Nach dem Terrorangriff in Solingen mit mehreren Toten erwarte man zu Recht, dass ausländische Straftäter schneller abgeschoben würden, so Faeser. Dabei bliebe das individuelle Recht auf Asyl unverhandelbar. Auch Präventionsprojekten gegen Radikalisierung würden unterstützt. Wo es für Prävention zu spät sei, seien die Maßnahmen im Sicherheitspaket die richtige Antwort.

Aufruhr in der SPD

Das Sicherheitspaket vereint Verschärfung des Waffen-, Asyl- und Migrationsrechts. Zum einen sollen sogenannte Dublin-Geflüchtete in Deutschland keine Sozialleistungen mehr erhalten, sobald klar ist, dass sie in das Land zurück können, das für ihren Asylantrag zuständig ist. Zweitens soll das Waffenrecht verschärft werden, unter anderem mit Messerverbotszonen. Drittens erhalten Sicherheitsbehörden mehr Befugnisse. Geplant sind anlasslose Kontrollen zur Durchsetzung von Messerverboten. Zudem sollen Behörden bei schweren Straftaten eingeschränkt biometrische Daten wie die Gesichtserkennung nutzen dürfen.

Gerade die asylpolitischen Verschärfungen waren bei SPD und Grünen heftig umstritten. Die SPD-Abgeordnete Annika Klose hatte noch am Morgen der Abstimmung im Deutschlandfunk ihr „Nein“ bekräftigt. Ihr Fraktionskollege Hakan Demir schrieb später auf Instragram, das Gesetz verknüpfe „in ungekannter Weise originär sicherheitspolitische Anliegen mit asyl- und aufenthaltsrechtlichen Verschärfungen“. Diese trügen „in keiner Weise“ zu mehr Sicherheit bei.

Schon Ende September hatten 35 SPD-Abgeordnete ihre harsche Kritik an dem Vorhaben öffentlich gemacht. Eine Probeabstimmung in der Fraktion soll in einer indirekten Drohung des Kanzlers mit der Vertrauensfrage geendet sein, berichteten einige Medien – die Fraktion bestreitet das. Unmut gab es auch in Teilen der Grünen- und FDP-Fraktion. Da das Paket der Union nicht weit genug geht, brauchte die Ampel die eigene Mehrheit. Für diese reichte es letztlich trotz einiger Abweichler*innen.

Der grüne Vize-Fraktionsvorsitzende Konstantin von Notz unterstrich in seiner Rede im Plenum, es habe „harsche parlamentarische Verhandlungen“ gebraucht, damit das Gesetz auch in Karlsruhe vor dem Bundesverfassungsgericht bestehen könne. Geflüchtete würden bei einem ablehnenden Bescheid nicht etwa in die Obdachlosigkeit gedrängt. Laut Gesetz ist eine Übergangsfrist von zwei Wochen vorgesehen, zudem muss die Überstellung auch rechtlich und tatsächlich möglich sein.

FDP will mehr

FDP-Fraktionsvize Konstantin Kuhle betonte, die biometrische Gesichtserkennung und die automatisierte Datenanalyse seien schwere Eingriffe ins Grundrecht. Bevor nicht geklärt sei, wie neue technische Befugnisse grundrechtschonend nutzbar sind, könne man diese nur in Ausnahmen verwenden.

Unrechtmäßige Eingriffe in Grund- und Menschenrechte können wir dann nur noch vor Gericht stoppen

Gesellschaft für Freiheitsrechte

Je mehr sich Ampel und Union beim Thema Migration zerstritten, desto mehr profitierten die, die das Problem gar nicht lösen wollten, so Kuhle mit Blick auf die AfD. Und kritisiert das Sicherheitspaket dann selbst: Dieses sei nicht genug, die Maßnahmen müssten noch weiter gehen. Ebenso äußerte sich später der Bundesjustizminister: Er begrüße das Sicherheitspaket, sagte Marco Buschmann (FDP). Klar sei aber auch: „Es bleibt noch viel zu tun. Weitere Schritte müssen folgen, etwa die Ausweitung von Leistungskürzungen und von sicheren Herkunftsstaaten.“

Unions-Fraktionsvize Andrea Lindholz (CDU) bemängelte, Faeser habe das ohnehin zu kleine Sicherheitspaket zu einem „Mini-Päckchen“ zusammengeschrumpft. Die wenigen Änderungen seien im parlamentarischen Verfahren so abgeschwächt worden, dass es wirkungslos sei und dem Thema innere Sicherheit nicht gerecht werde. „Sie haben heute nichts vorgelegt“, so Lindholz. Dirk Wiese (SPD) entgegnete, der aktuelle Entwurf sei „völlig vertretbar“ und ein „Kompromiss für Humanität und Ordnung“.

Ganz anders sehen das Ver­tre­te­r*in­nen der Zivilgesellschaft. Tareq Alaows von Pro Asyl zeigte sich erschüttert, „dass Verfassungsverstöße im Bundestag mit einer solchen Selbstverständlichkeit verabschiedet werden“. Die Gesellschaft für Freiheitsrechte (GFF) macht sich derweil auf Arbeit gefasst: „Unrechtmäßige Eingriffe in Grund- und Menschenrechte“ könne man dann „nur noch vor Gericht“ stoppen. „Der Anspruch auf ein menschenwürdiges Existenzminimum gilt für alle Menschen, unabhängig vom Aufenthaltsstatus“, erklärte GFF-Anwältin Sarah Lincoln.

Vorbei ist der Streit um das Sicherheitspaket damit nicht. Nach den Abstimmungen im Bundesrat standen die zustimmungspflichtigen Teile des Gesetzes auch gleich auf der Tagesordnung des Bundesrats – der es teilweise gestoppt hat. Das Gesetz mit den Regelungen zu Leistungen für Asylbewerber und Messerverboten ließ die Länderkammer passieren. Das Gesetz zu mehr Möglichkeiten für die Sicherheitsbehörden jedoch bekam in der Länderkammer in Berlin nicht die erforderliche Mehrheit.

Bundestag und Bundesregierung können dazu nun den Vermittlungsausschuss anrufen. Innenministerin Faeser nannte die Ablehnung durch die unionsgeführten Länder „völlig unverständlich und verantwortungslos“.Die Union halte damit Gesetzesänderungen auf, „die es ermöglichen, durch Gesichtserkennung Terrorverdächtige, Mörder und Vergewaltiger zu identifizieren und zu lokalisieren“.

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2 Kommentare

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  • „Der Anspruch auf ein menschenwürdiges Existenzminimum gilt für alle Menschen, unabhängig vom Aufenthaltsstatus“

    -->Ich fände es gut, wenn die GFF hier klagt. Denn damit bietet sich die Gelegenheit zu klären, ob bei einem unterschiedlichen Aufenthaltsstatus auch ein unterschiedliches Existenzminimum gilt.

    Das Existenzminimum für deutsche Staatsbürger und gleichgestellte Nicht-Deutsche ist klar: Es gilt das sozio-kulturelle Existenzminimum. Die verfassungsrechtliche Frage ist, ob dieses sozio-kulturelle Existenzminimum auch das menschenwürdige Existenzminimum ist oder ob es da - je nach Aufenthaltsstatus - Abstufungen gibt.

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