Bundesregierung gegen Erweiterung: Merkel will keine globale Nato
Eine Woche vorm Nato-Gipfel spricht sich die Kanzlerin gegen die Erweiterung des Militärbündnisses aus. Doch müsse die Strategie an die "neue Realität" angepasst werden.
BERLIN taz FDP und Grüne haben am Donnerstag die Regierungserklärung Angela Merkels genutzt, der Kanzlerin außenpolitische Schlappheit vorzuwerfen.
Eine Woche vor dem Nato-Gipfel in Strasbourg, Kehl und Baden-Baden müsse die Regierung den neuen US-Präsidenten Barack Obama mit deutschen Vorstellungen zur Zukunft des 60-jährigen Militärbündnisses und zum Einsatz in Afghanistan konfrontieren, forderte FDP-Chef Guido Westerwelle eher indirekt, verlangte ausdrücklich aber auch der Grünen-Spitzenkandidat Jürgen Trittin.
"Jetzt wäre der Moment, in dem die Drähte zwischen Washington und Berlin heißlaufen müssten", sagte Westerwelle. "Wortreiche Richtungslosigkeit hilft überhaupt nicht", kritisierte Trittin.
Merkel hatte zuvor skizziert, wie sie sich ein neues Strategiekonzept für die Nato vorstelle, das auf dem Geburtstagsgipfel in Auftrag gegeben werden soll. Dieses müsse an die "neue Realität" der Einsätze außerhalb des Bündnisgebiets "angepasst werden", sagte Merkel. Dazu brauche es ein neues Sicherheitsverständnis, dessen Grundprinzip die "vernetzte Sicherheit" sein müsse. Die Nato müsse mit UNO, OSZE, EU und auch Nichtregierungsorganisationen zusammenarbeiten.
"Das hört sich einfach an, ist aber vergleichsweise revolutionär." Mitgliederseits solle die Nato aber auf den transatlantischen Raum begrenzt bleiben: "Ich sehe keine globale Nato", sagte Merkel. Später ergänzte sie, dass Georgien und die Ukraine, deren Beitritt die USA im Gegensatz zu Deutschland unterstützen, ihre "Beitrittsperspektive behalten" sollten.
Afghanistan sei die "wichtigste jetzige Bewährungsprobe für die Nato", sagte Merkel. Sie werde auf dem Gipfel darauf drängen, dass die afghanische Führung stärker in die Pflicht genommen werde. Auch müsse die Nato sich noch mehr mit anderen Organisationen "vernetzen". Trittin verlangte daraufhin, "das Gerede von vernetzter Sicherheit" zu stoppen: "Ich kann es nicht mehr hören, ich möchte, dass es praktiziert wird." So müsse die Zahl der EU-Polizeiausbilder von aktuell 200 auf 2.000 aufgestockt werden.
Den vielen tausend erwarteten Gipfel-Protestlern sprachen sowohl Merkel wie Westerwelle ihren "Respekt" aus, doch habe die Nato ihnen die Demonstrationsfreiheit erst gesichert. Grüne und Linke dagegen wiesen darauf hin, dass die Grenzkontrollen, der starke Polizeieinsatz und der Hausarrest für die Bürger Kehls die "falsche Begleitmusik" (Trittin) zum Gipfel böten.
Die Linken protestierten gegen die Demo-Einschränkungen, indem sie kurz die bunten "Pace"-Fahnen hochhielten. Die Saalordnerinnen reagierten auf diesen kleinen Regelbruch weit zurückhaltender, als es von den Ordnungskräften zum Gipfel zu erwarten steht.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Rekrutierung im Krieg gegen Russland
Von der Straße weg
Umfrage zu Sicherheitsgefühl
Das Problem mit den Gefühlen
Israelische Drohnen in Gaza
Testlabor des Grauens
„Freiheit“ von Angela Merkel
Die Macht hatte ihren Preis
Deutschland braucht Zuwanderung
Bitte kommt alle!
Gewalt an Frauen
Ein Femizid ist ein Femizid und bleibt ein Femizid