Bundesregierung entdeckt die Jugend

Mit neuer Initiative sollen Jugendliche wieder zur Politik kommen. Arbeitsminister Riester hatte als Erster „offenes Ohr“

BERLIN taz ■ Die Bundesregierung hat ein offenes Ohr für Jugendliche. Wenn nicht immer, dann doch diese Woche. Gestern startete die Initiative „ich mache politik“, die vom Bundesfamilienministerium maßgeblich getragen wird. Mehr als eine Woche lang werden Politiker der meisten Ministerien ein „offenes Ohr“ für Jugendliche haben und den Dialog suchen, um deren Lebensweise kennen zu lernen und sie für Politik zu interessieren. Denn, so die Broschüre zum Projekt, „jede Generation hat neue Ideen und Anregungen, und sie stellt Fragen, die die Bundesregierung ernst nimmt.“

Das erste offene Ohr war gestern das von Bundesarbeitsminister Walter Riester (SPD), der sich in einem Berliner Bildungswerk den Problemen und Sorgen von Auszubildenden aus dem Metallbereich und dem Einzelhandel widmen wollte: Etwa 40 Auszubildende um die 20 Jahre waren gekommen, mussten aber erst einmal über eine halbe Stunde warten, bis der Minister kam. In der vorab verteilten Presseerklärung ließ sich der Inhalt der noch nicht stattgefundenen Diskussion dafür schon einmal nachlesen: „Die Jugendlichen berichteten über ihre Erfahrungen in den Betrieben.“ Pressesprecherin Heike Helfer wurde ein bisschen verlegen bei der Frage, woher denn schon bekannt sei, über welche Themen diskutiert worden sei: „Es gab ein kleines Vorgespräch, denn schließlich kann man die Auszubildenden ja nicht mit allen Fragen auf den Minister loslassen. Uns hat aber auch interessiert, was die Jugendlichen so denken.“

Die vertreiben sich derweil ihre Wartezeit mit Späßchen über den Minister. Als der schließlich da ist, entwickelt sich mit viel Mühe und Moderation – „Weitere Fragen bitte, gibt es nicht noch viel mehr Fragen?“ – ein eher schleppendes Gespräch, das sich hauptsächlich um die Nachteile der betriebsfremden Ausbildung dreht. Für die Jugendlichen ist der Begleiter vom Arbeitsamt fast interessanter, er schreibt sich auch prompt die Namen und Anliegen einzelner auf.

Auf die Fragen nach Zukunftsperspektiven und Arbeitslosigkeit gibt Riester den meist ausländischen Auszubildenden zum Schluss den Satz mit nach Hause: „Es werden Zeiten kommen, da werden wir in der Bundesrepublik Sie brauchen, da werden Sie eine Chance haben ...“ Das nennt man dann wohl Dialog.

SUSANNE AMANN