Bundesrats-Initiative wegen Böhmermann: Bremen gegen Beleidigungs-Privilegien

Erstmals stellten Linkspartei und FDP in der Bremischen Bürgerschaft einen gemeinsamen Antrag – und haben prompt Erfolg. Es geht um Majestätsbeleidigung.

Er soll nur noch „regulär“ beleidigen können: Bremen will den Straf-Paragrafen 103 abschaffen. Foto: Ben Knabe/dpa

BREMEN taz | Die Bürgerschaft fordert einstimmig die Abschaffung von Paragraf 103 des Strafgesetzbuches, der die Beleidigung von Staatsoberhäuptern unter besondere Strafe stellt. Dabei geht es weniger um den nicht sehr ausparkstarken ersten Mann im Bremer Staat, den die taz als „Präsident Beule“ titulierte. Sondern um Schmähungen à la „Kartoffel“, als die der polnische Präsident auf der taz-Wahrheit bezeichnet worden war. Oder um das Erdoğan-Gedicht „des Vegesacker Satirikers Jan Böhmermann“, wie die FDP formulierte – und dem parlamentarischen Vorgang die nötige lokale Note zu geben.

Das eigentlich Bemerkenswerte ist allerdings nicht der Beschluss, der Senat möge eine entsprechende Bundesratsinitiative starten, sondern dessen Zustandekommen. Denn den Paragrafen 103 will mittlerweile sogar die Bundeskanzlerin selbst abschaffen, wenn auch erst 2018, also nach einer möglichen Verurteilung Böhmermanns. Völlig neu ist hingegen, dass der Beschluss auf einem gemeinsamen Dringlichkeitsantrag von FDP und Linkspartei fußt.

„Das hätte ich höchstens zur Zeit eines Gerhart Baum für möglich gehalten“, betonte Linken-Fraktionschefin Kristina Vogt – die sich im Vorfeld dennoch entschlossen hatte, dem Antrag der FDP beizutreten. Und das, obwohl sich deren Fraktionsvorsitzende Lencke Steiner bereits mit eigenen Schüttelreimen in Sachen Erdoğan hervorgetan hatte: „Mutti, die hat leider nicht den Mut, / doch Freiheit ist unser höchstes Gut.“

„Mit vollem Herzen“, betonte Vogt, stehe sie hinter dem gemeinsamen Antrag, aus Anlass der Drangsalierung „des in Bremen-Gröpelingen geborenen Jan Böhmermann“ die Sonderbehandlung ausländischer Oberhäupter abzuschaffen. Es genüge vollauf, wenn diese sich – nach Paragraf 185 – „regulär“ beleidigt fühlen können.

Mehrfach nahmen die Abgeordneten verschiedener Fraktionen Bezug auf den Umstand, dass der 103-er als „Majestätsbeleidigung“ ein Relikt aus Kaisers Zeiten sei, das ungeprüft von der BRD übernommen worden sei – freilich ohne zu erwähnen, dass das Strafgesetzbuch von 1871 noch lebenslanges Zuchthaus beziehungsweise ebenso lange Festungshaft für MajestätsbeleidigerInnen vorsah. Mittlerweile sind drei bis fünf Jahre Haft als Höchststrafe vorgesehen.

En passant, so hat es der Landtag beschlossen, soll nun auch der bundesrepublikanische Bürgerkönig, vulgo Bundespräsident, einen Kopf kürzer gemacht beziehungsweise dessen Beleidigung auf ein allgemein menschliches Strafmaß zurück gestutzt werden. Dessen bisherige Sonderbehandlung ist in Paragraf 90 geregelt – was Joachim Gauck in Bautzen bekanntlich keineswegs vor hochgereckten Stinkefingern bewahrte.

Lediglich die CDU scherte ein wenig aus der ganz großen anti-monarchischen Koalition zwischen Kapital und Kommunisten aus: Sie weigerte sich, den Senat aufzufordern, sich „kurzfristig“ bei der Bundesregierung für die Verweigerung von Strafverfolgungs-Genehmigungen einzusetzen. Denn: dass der türkische Präsident „eine dumme Sau mit Schrumpelklöten“ sei, „das höre ich zum ersten Mal“, wie Oğuzhan Yazıc für seine Fraktion betonte. Solche schmähenden Zuschreibungen müssten in jedem Fall geahndet werden.

Bremen schleift die letzte Bastion monarchischen Denkens in Deutschland: die Majestätsbeleidigung

Die CDU erklärte nicht, warum dafür nicht der allgemein zugängliche zivilrechtliche Weg nach Paragraf 185 ausreicht. Aber immerhin machte Yazıc – ebenso wie die ebenfalls türkischstämmige Grünen-Abgeordnete Sülmez Dogan – auf einen tatsächlich sehr problematischen Aspekt der Böhmermann'schen Schmähtiraden aufmerksam: Dass sie genau die rassistischen Beleidigungen rekapitulieren, denen türkischstämmige Menschen in Deutschland tatsächlich immer wieder ausgesetzt sind.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.