Bundesrat verabschiedet Gesetz: Zugriff auf Netzdaten gebilligt
Der Bundesrat hat das Gesetz über die Weitergabe von Netzdaten an Sicherheitsbehörden durchgewunken. Die Polizei hat künftig auch Zugriff auf Usernamen und PIN.
BERLIN afp | Der Bundesrat hat am Freitag eine umstrittene Änderung des Telekommunikationsgesetzes verabschiedet. Die Neuregelung der sogenannten Bestandsdatenauskunft verpflichtet die Anbieter von Internetanschlüssen, verschiedene Nutzerdaten zu speichern und auf Anfrage an Ermittlungsbehörden zu übermitteln.
Die Bundesregierung hatte die Novellierung im vergangenen Herbst beschlossen, nachdem das Bundesverfassungsgericht im Januar 2012 Teile der bisherigen Regelung für verfassungswidrig erklärt hatte. Bürgerrechtsorganisationen und Journalistenverbände werten allerdings auch die Neufassung als Eingriff in die Grundrechte.
Die neugefasste Bestandsdatenauskunft regelt unter anderem die Pflicht für Internetanbieter, Nutzerdaten zu speichern, weil einige dieser sogenannten Provider ihren Kunden wechselnde anstatt fester IP-Adressen zuweisen. IP-Adressen sind eine Art Fingerabdruck, die Internetsurfer im Netz hinterlassen.
Die Bestandsdatenauskunft ermöglicht den Ermittlungsbehörden, einzelne IP-Adressen einem bestimmten Anschluss zuzuordnen. Die Behörden erhalten unter anderem Namen und Adressen der Nutzer, aber auch Zugangsdaten wie die PIN für das Mobiltelefon.
Das Bundesinnenministerium, der Autor der Neufassung, wertet die Bestandsdatenauskunft als „unverzichtbares Ermittlungsinstrument“. Die Gesetzesnovelle soll am 1. Juli in Kraft treten.
Am Donnerstag hatten neun Organisationen, darunter der deutsche Journalistenverband (DJV) und das Komitee für Grundrechte und Demokratie, den Bundesrat aufgefordert, das Gesetz zu stoppen.
„Die Vertraulichkeit und Anonymität der Internetnutzung stehen auf dem Spiel, wenn staatliche Behörden der weitreichende Zugang zu unserer Internetnutzung und zu unseren privatesten Daten ermöglicht wird“, erklärte das Bündnis.
Die Organisationen prangerten insbesondere an, dass die Auskünfte schon bei „Bagatelldelikten“ und ohne Zustimmung eines Richters möglich seien. Zudem lehnen sie die geplante Schaffung einer elektronischen Schnittstelle zur Automatisierung der Auskünfte ab.
Auch der Bundesdatenschutzbeauftragte Peter Schaar hatte die Neuregelung in der vergangenen Woche kritisiert. Er monierte ebenfalls den fehlenden Richtervorbehalt sowie die große Anzahl an Behörden, darunter die Bundespolizei, sämtliche Nachrichtendienste und der Zoll, die künftig Bestandsdaten abrufen dürfen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Internationaler Strafgerichtshof
Ein Haftbefehl und seine Folgen
Krieg in der Ukraine
Geschenk mit Eskalation
Umgang mit der AfD
Sollen wir AfD-Stimmen im Blatt wiedergeben?
Krieg in der Ukraine
Kein Frieden mit Putin
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste
Warnung vor „bestimmten Quartieren“
Eine alarmistische Debatte in Berlin