Bundesliga im Frauenfußball: Neustart auf Biegen oder Brechen
Ende Mai soll auch die Frauen-Bundesliga wieder spielen. Doch es gibt Bedenken, die Stimmung ist gespalten.
Zirkeltraining, Pass-Formen, Torschüsse – alles auf Abstand, maximal sieben Personen auf dem Platz: So sieht derzeit das Training von Turbine Potsdam aus. Am 29. Mai aber soll, wenn es nach dem DFB geht, die Liga wieder starten. Eine Ansage der Politik steht noch aus. „Der Fußball redet zwar immer von Gleichbehandlung, aber wir haben ganz andere Rahmenbedingungen“, sagt Turbine-Geschäftsführer Stephan Schmidt. „Wenn wir in 14 Tagen in Freiburg spielen, wird das Hotel nicht auf unsere Buchung warten. Deshalb ist es dringlich, dass von oben grünes Licht kommt, ob nun gespielt wird oder nicht und insbesondere, wann genau.“
Das auf den Männerfußball zugeschnittene Hygienekonzept, das bedenkliche Lücken hat, zieht im Frauenfußball fundamentale Probleme nach sich. Denn die meisten Spielerinnen sind Halbprofis: Sie arbeiten, studieren, gehen zur Schule. Eine auch nur teilweise Abschottung ist völlig unrealistisch. „In anderen Vereinen gibt es Spielerinnen, die zum Beispiel Abi-Prüfungen haben. Dürfen die teilnehmen?“, fragt Schmidt. Würde der DFB freilich nur den Männerfußball starten lassen, kämen unweigerlich Diskriminierungsvorwürfe. Der Verband hat sich durch die forcierte Öffnung des Männerfußballs selbst unter Zugzwang gesetzt. Und scheint entschlossen, auf Biegen oder Brechen die Frauenbundesliga mitzuziehen.
Das soll als emanzipatorischer Akt gelten und unterstreicht zumindest, dass die Frauenliga nicht mehr völlig ignoriert werden kann. Es ist ein Zeichen. Der groß inszenierte Solidaritätsfonds jedoch ist zweckgebunden für Testungen. Übersetzt: Ihr habt zu spielen, und wir zahlen dafür. Schmidt betont: „Wir fühlen uns nicht gedrängt. Ich sehe es eher als Hilfestellung.“ Die Vereine stimmten eindeutig dafür, die Zweitligisten votierten unterdessen für Abbruch.
Keine Mitsprache für Spielerinnen
Der Ball rollt wieder. Die Bundesliga lässt ihre Mannschaften wieder aufeinander los. Grund genug für die taz, das Spektakel Fußball und seine Sonderrolle in Deutschland genauer unter die Lupe zu nehmen.
Warum hat der Fußball bei der Politik so leichtes Spiel? Was sagen Athlet:innen anderer Sportrarten zum Ausbrechen des Fußballs aus dem Lockdown? Und was halten die Spieler selbst eigentlich von den großen gesundheitlichen Experiment, das da mit ihnen veranstaltet wird?
Oder sollten wir uns einfach freuen über die Rückkehr einer großartigen Nebensache, auch wenn die Geisterspiele wohl wenig stimmungsvoll werden? Texte über den Virus Fußball in Zeiten der Pandemie.
Turbine-Kapitänin Sarah Zadrazil äußert deutliche Kritik am Vorgehen: „Es war hauptsächlich eine Entscheidung von DFB und DFL. Wir konnten gar nicht unsere Meinung äußern und wurden auch nicht gefragt. Es wäre schon gut gewesen, unsere Meinung einzuholen.“ Nicht nur im Männerbereich rumort es vernehmlich unter dem kickenden Personal.
Zadrazil ist zwiegespalten hinsichtlich des Neustarts. „Ich will Fußball spielen und meinen Beruf ausüben, aber Gesundheit ist doch das Wichtigste. Ich habe ein paar Bedenken wegen der Tests und auch, dass wir Fußball spielen dürfen, während andere noch zu Hause sitzen.“ Aber jetzt sei es so entschieden, „und ich kann damit auch gut leben“. In der Mannschaft, so berichtet sie, sei die Stimmung, soweit sie es mitbekomme, ähnlich gespalten. „Alle wollen spielen und freuen sich, aber viele haben auch Bedenken.“
Höheres Verletzungsrisiko
Für Turbine Potsdam geht es in den verbleibenden sechs Spieltagen um nichts Substanzielles mehr, weder mit dem internationalen Geschäft noch mit dem Abstieg hat man zu tun. Dafür hofft die Kapitänin noch aufs Pokalfinale, auch, wenn es was anderes sei ohne Fans. Wenn alle Coronatests negativ sind, soll nächste Woche das Mannschaftstraining beginnen. Nicht nur das Hygienekonzept bleibt in der Halbprofiliga eine Farce, auch die körperliche Verfassung der Spielerinnen wirft Fragen auf. „Wegen der kurzen Vorbereitungszeit können Verletzungen schon passieren“, warnt Zadrazil. „Es ist eine andere Belastung, wenn man 90 Minuten spielt, das kann gefährlich sein. Ich hoffe aber, es passiert nichts.“
Und während im Männerfußball die Quarantäne eines ganzes Teams in einer 18er-Liga noch verkraftbar wäre, könnte in der 12er-Liga der Frauen schnell der ganze Spielbetrieb am Ende sein. Die Kapitänin sagt: „Ich finde das DFL-Konzept gut durchdacht. Aber man muss sich schon fragen, ob alles zusammenbricht, wenn eine Mannschaft in Quarantäne muss.“ Und der Draht zu den Behörden ist im Frauenfußball länger als beim 1. FC Köln.
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