Bundesliga-Aufstieg des FC St. Pauli: Feierbiest lobt Arbeitsethik
Mit einem hart erarbeiteten 3:1-Sieg gegen den VfL Osnabrück macht der FC St. Pauli den sechsten Aufstieg in die Erste Fußball-Bundesliga klar.
Es schien alles nach Plan zu laufen: Acht Minuten waren gespielt am Millerntor, da drückte Oladapo Afolayan den Ball über die Torlinie – 1:0. St. Pauli war in diesem Moment Erstligist.
Der VfL Osnabrück indes schien seinen Platz in der Dramaturgie einzunehmen. Am Dienstag waren sie abgestiegen aus der Zweiten Liga, ebenfalls am Millerntor. Das Heimspiel gegen Schalke 04 war wegen einer von der Stadt verfügten Stadionsperre dorthin verlegt worden – wegen der Kurzfristigkeit ohne Zuschauer. Mit 0:4 ging der VfL unter – und runter.
Doch wer nun leichtes Spiel gegen demoralisierte Osnabrücker erwartete, war im Irrtum: Auch nach dem frühen Rückstand machten sie dem Aufstiegskandidaten das Leben schwer. Man konnte sich fragen, warum dieses Team, vor allem mit diesen unermüdlichen Fans, absteigen muss.
Tatsächlich geriet St. Pauli ins Schwimmen, ließ gute Osnabrücker Chancen zu, spielte lange Pässe statt des Kombinationsspiels, das lange der Erfolgsgarant gewesen war. Zuletzt war es immer seltener gelungen, nach dem 0:1 beim HSV der Vorsprung auf die drittplatzierte Düsseldorfer Fortuna von zwischenzeitlich neun auf vier Punkte geschmolzen.
Dass St. Pauli am Sonntag nicht noch mal die große Flatter bekam, sondern durch erneut Afolayans und Marcel Hartel die Führung ausbaute, ehe Osnabrücks Lars Kehl einen späten Elfmeter verwandelte, mag auch am Konkurrenten Holstein Kiel gelegen haben: Indem der am Samstagabend mit einem 1:1 gegen jene Düsseldorfer den eigenen Aufstieg perfekt gemacht hatte, hatte er Druck rausgenommen: St. Pauli hätte nun schon ein Unentschieden zum sechsten Bundesligaaufstieg der Vereinsgeschichte gereicht.
Ziel: Leistungsträger halten
Dreimal war der Spaß nach einem Jahr schon wieder vorbei, Vereinsrekord sind drei Erstliga-Jahre von 1988 bis 1991. Dafür, dass St. Pauli diesmal mehr als ein One-Hit-Wonder sein könnte, sprechen die inzwischen deutlich professionalisierten Strukturen. Die langfristig verpfändeten Marketingrechte wurden zurückgekauft, ein modernes, fast 30.000 Menschen fassendes Stadion gebaut und bis zur Coronapandemie die Finanzen konsolidiert. Dagegen, dass der Verein, wie im vergangenen Jahr erstmals seit Langem, einen Millionenverlust ausweist, ist das beste Gegenmittel der Aufstieg und die entsprechend höheren Erlöse.
Gelingt es, den Abgang von Leistungsträgern wie dem zuletzt mit einer Vertragsverlängerung zögernden Top-Scorer Hartel zu vermeiden und das Team punktuell zu verstärken, ist eine Rolle oberhalb von Kanonenfutter in der Ersten Liga vorstellbar. Vor allem aber wegen der reifen Spielanlage, die der nur 31 Jahre junge Trainer Fabian Hürzeler seiner Mannschaft eingeschrieben hat, könnte es mehr als eine interessante Saison am Millerntor geben.
Hürzeler selbst äußerte sich nach dem Spiel gewohnt zurückhaltend, lobte sein Trainerteam – und das vorherige, in dem er Assistent war: „Da haben wir gemeinsam eine Basis geschaffen.“ Danach habe er nur noch Kleinigkeiten ändern müssen. Und: „Ich bin sehr happy, mit dieser Mannschaft zu arbeiten“ – schon fast ein Gefühlsausbruch für den kontrollierten Akribiker. Sie sei „ein Vorbild in Sachen Arbeitsmoral, in Sachen Arbeitsethik“, fand er zum gewohnten Ton zurück. Er selbst wolle nun versuchen, ein „Vorbild in Sachen Feierbiest“ zu sein.
Chef mit Bier bespritzen
Wie schwer das für ihn werden würde, ließ der nächste Moment erahnen, als die Spieler brüllend die Pressekonferenz stürmten und den Chef mit Bier bespritzten. Da war draußen längst der Platz gestürmt. Schon in den letzten Spielminuten hätte es keine Ecke mehr für St. Pauli geben dürfen: Neben der Auslinie wäre schlicht kein Platz mehr fürs Anlaufnehmen gewesen.
Transparenzhinweis: Ursprünglich hatte es in diesem Text geheißen, St. Pauli sei zum vierten Mal in die erste Liga aufgestiegen und nicht zum sechsten. Wir haben das im Text geändert.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Müntefering und die K-Frage bei der SPD
Pistorius statt Scholz!
Kampf gegen die Klimakrise
Eine Hoffnung, die nicht glitzert
Krieg in der Ukraine
Biden erlaubt Raketenangriffe mit größerer Reichweite
Rentner beleidigt Habeck
Beleidigung hat Grenzen
Donald Trump wählt seine Mannschaft
Das Kabinett des Grauens
Zweite Woche der UN-Klimakonferenz
Habeck wirbt für den weltweiten Ausbau des Emissionshandels