Bundeskartellamt erlaubt Discounterfusion: Edeka macht Plus mit Plus
Die Edeka-Tochter Netto fusioniert mit Plus. Gewerkschafter und Verbraucherschützer kritisieren: Das bringt keine Vorteile für Konsumenten und Angestellte.
Nur unter Auflagen hat das Bundeskartellamt den Kauf des Lebensmitteldiscounters Plus durch Edeka gebilligt. Der bisherige Eigentümer, der Mülheimer Tengelmann-Konzern, muss 378 der bundesweit über 2.900 Plus-Filialen an Dritte weiterreichen. Auch der von beiden Konzernen angestrebte gemeinsame Einkauf wurde vom Bundeskartellamt untersagt. Die Behörde befürchtet eine marktbeherrschende Stellung Edekas. Die genossenschaftlich organisierte Gruppe, zu der auch der Discounter Netto zählt, hält schon heute einen Marktanteil von 25 Prozent.
Dabei sorgt die Kartellwächter der Konzentrationsprozess im Lebensmitteleinzelhandel insgesamt: "1999 gab es noch acht große Handelsketten in Deutschland, die gemeinsam über einen Marktanteil von 70 Prozent verfügten", so Bundeskartellamtschef Bernhard Heitzer am Dienstag. Heute dagegen teilten sich die fünf führenden Vollsortimenter und Discounter 90 Prozent des Marktes. Die rund 100 restlichen Mitbewerber kämpfen dagegen um gerade einmal 10 Prozent des Marktes.
Vorausgegangen war dem Verkauf der Plus-Filialen ein Übernahmepoker: Erst nach einem erbitterten Bieterstreit konnte sich Edeka gegen den Konkurrenten Rewe durchsetzen, dessen derzeitiger Marktanteil auf 21 Prozent geschätzt wird. Mit der Übernahme der Plus-Märkte rückt Edeka bei den Lebenmitteldiscountern auf Platz zwei vor.
Die Hamburger werden künftig 3.800 Netto-Filialen betreiben und können auf einen Jahresumsatz von 10 Milliarden Euro hoffen. Discountmarktführer Aldi hat derzeit über 4.100, Lidl als bisheriger Zweiter nur knapp 2.900 Läden.
Entsprechend zufrieden zeigte sich das Edeka-Management. Vorstandssprecher Markus Mosa sprach von einem "guten Tag". Tengelmann-Chef Erivan Haub findet den Spruch der Bonner Kartellwächter dagegen "bitter". Der Mülheimer, der mit dem Erlös des Plus-Verkaufs die verbliebenen Tengelmann- und Kaisers-Märkte aufmöbeln will, hatte sich von der verbotenen Einkaufsgemeinschaft mit Edeka noch mehr Druck auf die Einkaufspreise erwünscht.
Kritisiert wird die Entscheidung des Kartellamts auch von Hilfsorganisationen und Gewerkschaftern. "Edeka hat bereits angekündigt, die gestiegene Einkaufsmacht einzusetzen, um die Lieferanten im Preis zu drücken", sagt Marita Wiggerthale von der Hilfsorganisation Oxfam Deutschland. Wegen des schon heute bestehenden enormen Kostendrucks sei etwa der Lohn von Beschäftigten auf Bananenplantagen in Costa Rica in den vergangenen Jahren um ein Drittel gekürzt worden. Selbst in Europa seien auch große landwirtschaftliche Betriebe immer weniger konkurrenzfähig. Die Folge ist, dass sozialversicherungspflichtige Arbeitsplätze verschwinden, stattdessen werden Migranten ausgebeutet, die oft zu Billigstlöhnen arbeiten.
Denn durch die immer größer werdende Marktmacht der Lebensmittelketten geraten auch in der Bundesrepublik immer mehr Zulieferer unter Druck. Nach Oxfam-Informationen müssen Lieferanten bei Edeka sechsstellige Beträge zahlen, nur damit ihre Produkte im Einkaufsregal überhaupt präsent sind. Auch Zuschüsse für die Neueröffnung von Filialen und für Werbung seien üblich - selbst wenn die Ware des Lieferanten überhaupt nicht beworben wird. Skeptisch beobachten auch Gewerkschafter den Plus-Verkauf: "Diese Fusion wird durch sogenannte Synergie-Effekte Arbeitsplätze kosten", so Ulrich Dalibor, Fachgruppenleiter bei Ver.di.
Selbst Verbraucherschützer beobachten die Übernahme skeptisch - sie fürchten, dass gesunkene Einkaufspreise nicht an die Kunden weitergegeben, sondern zur Gewinnmaximierung genutzt werden. "Solche Großfusionen bergen immer die Möglichkeit, dass Vielfalt auf der Strecke bleibt und sich die Preise in die Höhe bewegen", sagt Christian Fronczak, Sprecher des Bundesverbands der Verbraucherzentralen. "Hoffentlich kommt es in diesem Fall anders."
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