piwik no script img

Bundesgrüne nach der Hamburg-WahlZugelegt und doch verloren

Die Grünen fliegen in Hamburg aus der Regierung. Die Bundesgrünen erklären, das Wahlziel sei damit verfehlt. Jetzt konzentriert sich die Partei auf Baden-Württemberg.

Hoffnung aufs Mitregieren gibt's keine mehr: Die Bundesvorsitzende der Grünen Claudia Roth und die Spitzenkandidatin der GAL, Anja Hajduk. Bild: dapd

BERLIN taz | Zuletzt erwischte es sie doch noch: die Hamburger Grünen, die Grüne Alternative Liste, konnten zwar um 1,6 Prozentpunkte zulegen auf 11,2 Prozent, doch wegen der übermächtigen SPD können sich die Grünen wohl keine Hoffnung mehr darauf machen, in Hamburg mitzuregieren.

Der Bundesvorsitzende der Grünen, Cem Özdemir, hielt sich daher, nachdem die ersten Zahlen bekannt wurden, mit Glückwünschen an den Sieger zurück und stellte nur trocken fest: "Das verändert die Kräfteverhältnisse auf radikale Weise." Bundesvorsitzende Claudia Roth wurde deutlicher: "Unser zweites Wahlziel war, die absolute Mehrheit abzuwenden." Für die Grünen heißt das: Wahlziel verfehlt.

Lange Zeit sah es so aus, als würden die Grünen erneut Juniorpartner in einer diesmal rot-grünen Koalition. Dabei waren sie es, die das erste schwarz-grüne Bündnis bundesweit im November 2010 platzen ließen.

Wahl in Hamburg

Vorläufiges amtliches Teilergebnis (nur Auszählung der Zweitstimmen):

SPD: 48,3% (2008: 34,1%)

CDU: 21,9% (42,6%)

GAL: 11,2% (9,6%)

Linke: 6,4% (6,4%)

FDP: 6,6% (4,8%)

Andere: 5,6%

Politisch hatten sie zudem wenig vorzuweisen, die geplatzte Primarschulreform war vor allem auch eine Niederlage ihrer grünen Bildungssenatorin, Christa Goetsch. Özedemir räumte ein: "Die Hamburger wollten klare Verhältnisse, viele haben daher SPD gewählt."

Özdemir und Roth betonten aber beide, die Wahl sei sehr "hamburgspezifisch" gewesen. Etwas anders wäre dieses Ergebnis sicher gedeutet worden, wenn sich angedeutet hätte, dass die SPD in Hamburg auf Regierungspartner angewiesen wäre. Denn die Grünen, die bundespolitisch in der Wählergunst derzeit noch Höhenflüge erleben, wollen mit dem Spitzenkandidaten Winfried Kretschmann in Baden-Württemberg zusammen mit der SPD die seit Jahrzehnten regierende CDU stürzen, die derzeit mit der FDP koaliert.

Zudem wollen sie sich für die Bundestagswahl mal wieder als Regierungspartner qualifizieren. Roth gab daher die Parole aus: "Jetzt geht es volle Kanne, jetzt wollen wir in die anderen Landtage einziehen."

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

12 Kommentare

 / 
  • K
    kreuzchenwoanders

    Die BaWü-Hoffnung gründet sich doch auf die grüne Trittbrettfahrerei bei Stuttgart21-Protesten, ohne dabei den Bau jemals ausgeschlossen zu haben, wenn man an die Macht kommt. Darauf, dass die Leute das nicht mitbekommen. Auf Lug und Trug und Stimmungspolitik. Was für eine fertige Partei. Hey, Grünen-"Vordenker", Gratulation noch mal zur tollen schwarzgrünen Strategie! Toll, was da alles durchgesetzt werden konnte. Respekt. Demnächst dann an Mappus Seite? Man soll nie nie sagen.

  • N
    Nadi

    Es ist eine Ironie der Geschichte, dass die Grünen so viele Wähler haben, aber jetzt in einer Position landen, wie vor 20 oder 25 Jahren in Hamburg, wo sie ihre Arbeit immer dahin gehend erledigten, dass sie mit einer rechten, bornierten SPD kämpften. Damals hatte die SPD aber weitaus mehr Mitglieder und Wähler als Heute.

     

    Ich denke mal, dass die Grünen trotzdem aus der Situation heraus eine Chance erhalten:

     

    a) Sie können und müssen sich nicht für den Ausputz der langen Sünden der CDU rechtfertigen oder den mittragen.

    b) Sie können ihr Profil nochmals deutlich stärken, denn die SPD in Hamburg darf man nicht alleine lassen.

    c) Sie können ihr Profil sozialer, pazifistischer und linker gestalten, dass müssen sie in der Opposition sowieso.

     

    Und sie müssen nicht die Demütigungen von Scholz und seinen rechten Parteifreunden ertragen, sondern die müssen jetzt zeigen, wie gut sie wirklich sind. Und wer sich die SPD in den letzten Jahren angesehen hat, weiß, wie ausgebrannt die Partei im Prinzip unterhalb des Spitzenkandidaten schon ist.

     

    =

    Eine gute Chance, besser zu werden!

  • F
    Florentine

    Folgen eines Größenwahns. Wobei ich die vielen Stimmen für die Grünen nicht nachvollziehen kann.

  • R
    reblek

    "Dabei waren sie es, die das erste schwarz-grüne Bündnis auf Bundesebene im November 2010 platzen ließen." Das Hamburg jetzt die "Bundesebene" sein soll, ist eine sehr interessante Variante der politischen Geographie.

    "Etwas anders wäre dieses Ergebnis sicher gedeutet worden, wenn sich angedeutet hätte..." Das wäre eine zu deutende Bedeutung gewesen, oder wie?

  • I
    IAdmitIAmCrazy

    Als langjähriger Wähler der Grünen habe ich diesmal Piraten gewählt – und bin mit dem Wahlergebnis der Grünen mehr als zufrieden.

     

    Die Ergebnisse der grünen Politik in der schwarz-grünen Koalition, für die ich nicht gestimmt hatte, waren dürftig. Und an ihren Ergebnissen sollt ihr sie messen. Als die – inhaltlich richtige - Schulreform gescheitert ist, hätten die Grünen die Reißleine ziehen müssen. Schließlich ist es durchaus honorig zu sagen: Der Souverän hat uns abgewatscht, lasst uns neu wählen.

     

    Man stelle sich vor, es hätte diesmal für die SPD allein nicht gereicht: Ein mit Testosteron überbordender Olaf Scholz hat schon im Wahlkampf sämtliche Folterwerkzeuge vorgezeigt; wäre das nach der Wahl anders gewesen? Eine Wiederholung der dürftigen Ergebnisse in einem rotgrünen Senat hätte doch gezeigt, zu was die Grünen im Moment in Hamburg (nicht) fähig sind: die Politik in Hamburg mitzugestalten. Herr Scholz hätte doch nur mit der netten Frau Suding wedeln müssen und knick, knick, hätten die gegenwärtigen grünen Großkopfeten schon wieder einen nachgegeben.

     

    Nennt mich zynisch, aber mir ist eine wirkliche Gestaltungsmöglichkeit in der nächsten Legislaturperiode sehr viel lieber, wenn ich wieder grün und viele Hamburger anstatt der dann schon längst wieder auf Normalmaß erschlafften GenossInnen ebenfalls grün wählen werden.

  • M
    Marc

    Verzockt !!!

  • C
    Christine

    Liebe Frau Roth, auch in BW sind wir nicht ganz so blöd wie sie denken.

  • WL
    W. Lorenzen-Pranger

    Ich glaube nicht an eine "Niederlage im Sieg" der Grünen. Ich sehe in der sich anbahnenden Situation eine große Chance, kann sie sich doch mit ihren Inhalten unabhängig positionieren und aus der Opposizion ihre Politik argumentativ einbringen.

  • C
    crapule

    Hamburg war und bleibt eben eine " rote " Stadt .

     

    Schön zu sehen , wie wenig die Grünen an Stimmen gewonnen haben und die FDP deutlich über 6 % liegt . Das ist ein gutes Zeichen für schwarzgelb in BaWü

  • E
    eberhard

    Das ist ein gutes Signal, welches meines Erachtens den Grünen von den Wählern in Hamburg gegeben wurde:

     

    Wer sich als GRÜNE/R mit den Bürgelrichen einlässt, hat sein Unterscheidungsmerkmal verloren.

     

    Das gilt selbstverständlich auch in Ba-Wü.

     

    Dort haben (??) die Grünen auch mit einer gemeinsamen Regierung mit der ""C""DU - !!!!!!!!!!???? m.E. eine Unmöglichkeit!!! - geliebäugelt.

     

    Das könnte ganz krass ausgehen, sach' ich mal so!

     

    Zumal in Ba-Wü der entscheidende Faktor DIE LINKE sein wird, die in den Landtag einziehen muss, um Schwarz-Geld ernsthaft zu gefährden. Diese Einsicht MUSS zu Lasten der Grünen gehen.

     

    Daher: Vorsicht an der Bahnsteigkante, GRÜNE in Ba-Wü!

  • B
    Benno

    Hehe verspekuliert, ätsch.

     

    Mich freuts für die SPD, die jetzt endlich mal alleine und vernünftig regieren können.

  • S
    schem

    Tja klar verzockt, liebe GAL. Das war ja mal nix.