piwik no script img

Bundesgerichtshof zu WohnungsverkaufMieter werden besser geschützt

Enthält ein neuer Kaufvertrag Garantien für den Mieter, kann sich dieser darauf berufen. Das entschied der Bundesgerichtshof.

Mieter können bei Hausverkäufen schwieriger herausgedrängt werden Foto: dpa

KARLSRUHE taz | Mieter können beim Verkauf kommunaler Wohnungen wirksam geschützt werden. Dies hat jetzt der Bundesgerichtshof (BGH) entschieden. Auch wenn die Mieter nicht Vertragspartei sind, können sie sich auf die Vereinbarungen im Kaufvertrag berufen.

Konkret ging es um einen Fall in Bochum. Die Stadt hatte einst vom Bergwerksverein Eschweiler zahlreiche kleine Siedlungshäuser übernommen und diese nach einigen Jahren an private Erwerber weiterverkauft. Eines der Häuser kaufte 2012 ein Geschwisterpaar. Im Erdgeschoss wohnte seit 1981 ein Bergmann mit seiner Frau. Der heute 77-jährige Mann ist schwerbehindert, seine Frau ist auch schon 75 Jahre alt.

Wie gesetzlich vorgesehen, galt der bestehende Mietvertrag fort. Im Kaufvertrag zwischen der Stadt Bochum und dem Geschwisterpaar hieß es aber zusätzlich: „Die Mieter haben ein lebenslanges Wohnrecht.“ Kündigungsrechte des Vermieters wegen Eigenbedarf oder aus ähnlichen Gründen wurden im Kaufvertrag ausdrücklich ausgeschlossen. Sollten die Käufer hiergegen verstoßen, könne die Stadt das Häuschen zurückkaufen.

Der Bergmann wohnte also mit seiner Frau weiter im Erdgeschoss des Siedlungshauses. Im ersten Stock zog vonseiten des Käufers ein Geschwisterteil ein. Doch man kam nicht gut miteinander aus. 2015 kün­digten die Geschwister dem Bergmann und seiner Frau. Sie beriefen sich auf ein Sonderkündigungsrecht. Wenn der ­Vermieter mit dem Mieter in einem ­Zweifamilienhaus zusammenwohnt, kann der Vermieter ohne spe­ziellen Grund kündigen.

Als der Mieter sich auf das „lebenslange Wohnrecht“ berief, argumentierten die Vermieter, dies sei nur im Kaufvertrag erwähnt, nicht aber im Mietvertrag. Deshalb könne sich der Bergmann nicht darauf berufen. Beim Amts- und beim Landgericht Bochum kamen die Vermieter mit dieser Argumentation nicht durch, doch sie gingen in Revision zum BGH.

Aber auch beim BGH hatten die Vermieter nun keinen Erfolg. Der Kaufvertrag zwischen Stadt und Geschwisterpaar sei ein „klassischer Vertrag zugunsten Dritter“, sagte die Vorsitzende Richterin Karin Milger. Deshalb stehe er der Kündigung entgegen. Darauf könne sich auch der Mieter berufen. Der Vertrag sei auch nicht unklar.

„Die Stadt hat alles Erdenkliche getan, die Mieter zu schützen“, so Milger. In diesem Sinne müsse der Vertrag ausgelegt werden. Die Vermieter würden „nicht unangemessen benachteiligt“, da die Kündigung bei Pflichtverstößen des Mieters laut Kaufvertrag weiter möglich bleibe.

Ich bin ein Zitat, aber nur inhaltlich. Wie viele Zeilen ich lang werde, weiß keiner so recht

Hätten die Vermieter beim BGH gewonnen, wären auch Hunderttausende Mieter betroffen gewesen, die in ehemals staatlichen Wohnungen leben. Wenn Kommunen oder Länder große Wohnungsbestände an Firmen wie Gagfah oder Annington verkaufen, wird dies oft mit einer Sozialcharta verbunden, die Teil des Kaufvertrags ist. Beim Verkauf der kommunalen Wohnungen in Dresden wurde etwa Mietern im Alter von über 60 Jahren ein lebenslanges Wohnrecht garantiert. Oft geht es auch um die Begrenzung von Mieterhöhungen.

Mit dem jetzigen Urteil des Bundesgerichtshofs dürften wohl auch solche Kaufverträge plus Sozialcharta als für die Mieter durchsetzbarer „Vertrag zugunsten Dritter“ gelten.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

1 Kommentar

 / 
  • Ist unsere Gesellschaft bereits so neoliberal vergiftet, dass ein Gericht benötigt wird um festzustellen, dass auch Investoren sich an Verträge zu halten haben?



    Unfassbar!!