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Bundesgericht in KalifornienHomoehe durfte nicht verboten werden

Ein kalifornischer Bundesrichter kassiert die Volksabstimmung gegen die Homoehe. Es gebe keine rationale Grundlage für ein Verbot. Damit ist diese Ehe aber noch nicht wieder möglich.

Freude über das Urteil: Befürworter der Home-Ehe demonstrieren in West Hollywood. Bild: dpa

WASHINGTON taz | Ein "furchtbarer Schlag für die natürliche Ehe", sagen die selbst ernannten FamilienverteidigerInnen. Ein "Befreiungsschlag für die Verfassung und die Gleichbehandlung" kommentieren die anderen. An zahlreichen Orten in den USA organisierten Letztere in der Nacht zu Donnerstag Freudendemonstrationen, schwenkten Regenbogenfahnen und freuten sich auf bevorstehende Hochzeiten.

Ausgelöst hat die Reaktionen der Spruch eines Bundesrichters in Kalifornien und sein 136 Seiten langes Dokument. Darin lehnt Bundesrichter Vaugn Walker jedes Verbot der gleichgeschlechtlichen Ehe ab. Nach seiner Analyse verstößt es sowohl gegen die Verfassung als auch gegen die Vernunft. Bundesrichter Walker: "Es gibt keine rationale Basis" für eine Sonderbehandlung von gleichgeschlechtlichen Ehen.

Sein Entscheid ist der höchstinstanzliche Richterspruch der Justizgeschichte der USA zu diesem Thema. Darin weist er nach, dass es weder eine Homoehe gibt noch eine Heteroehe. Nach seiner Lesart existiert schlicht und einfach die Institution der Ehe. Und dafür gelte das Prinzip der Gleichheit. "Die Ausgrenzung von Homosexuellen von der Ehe ist ein Überbleibsel jener Zeit, als die Geschlechterrollen in der Gesellschaft und in der Ehe unterschiedlich waren", so Richter Walker: "Jene Zeit ist überholt."

Als logische Konsequenz aus diesem Prinzip folgert der Richter, dass es sich bei der gleichgeschlechtlichen Ehe nicht um ein neues Recht handelt. Stattdessen besteht nach seiner Interpretation wegen des Gleichheitsprinzip ein Recht auf Zugang zu denselben Institutionen für alle BürgerInnen.

Mit seinem Entscheid erklärt der Bundesrichter auch das Ergebnis eines Referendum in Kalifornien für ungültig. Nachdem im Frühling 2008 die gleichgeschlechtliche Ehe in in Kalifornien legalisiert worden war, hatte sich im November des Jahres eine Mehrheit von 52 Prozent der WählerInnen gegen die Homoehe ausgesprochen. In der Zwischenzeit waren 18.000 gleichgeschlechtlichen Ehen in Kalifornien geschlossen worden. Diese Ehen gelten weiterhin. Doch seit November 2008 konnten keine neuen geschlossen werden.

Die Entscheidung von Bundesrichter Walker wird die Frage der gleichgeschlechtlichen Ehe voraussichtlich bis vor das Oberste Gericht der USA bringen. Diese oberste juristische Instanz hatte sich zuvor nicht mit der Frage befasst. Zugleich hat der richterliche Entscheid dafür gesorgt, das Thema auch wieder auf die politische Tagesordnung zu setzen. In den kommenden Wahlkampfmonaten werden sich sowohl demokratische als auch republikanische KandidatInnen zu dem leidenschaftlich bearbeiteten Thema der gleichgeschlechtlichen Ehe positionieren müssen.

Vorerst klärt der Richterentscheid von San Francisco nur Grundsatzfragen. Er öffnet nicht unmittelbar den Weg zu neuen Eheschließungen in Kalifornien. Gegenwärtig existiert das Recht auf gleichgeschlechtliche Ehe nur in fünf Bundesstaaten der USA. In 30 Bundesstaaten schließen die staatlichen Verfassungen dieses Recht ganz explizit aus. In den meisten Fällen präzisieren sie, dass die Ehe ein Vertrag zwischen einem Mann und einer Frau ist.

Sollte das oberste US-Gericht über die Frage der gleichgeschlechtlichen Ehe entscheiden, könnten diese Verfassungen obsolet werden. Dafür hat Walker jetzt den Weg geöffnet.

Eines Tages, so sagten in der Nacht nach seinem Entscheid DemonstrantInnen in Georgia, Utah und Kalifornien, "werden auch wir heiraten können." Die selbsternannten VerteidigerInnen der Familie haben Berufungsklagen und Demonstrationen angekündigt.

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5 Kommentare

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  • Z
    zorrolaf

    @ Dogmatiker

    ja, ganz schön willkürlich diese rational argumentierende 'Clique', gegenüber echter Demokratie - so wie die Schweizer Bundesrichter, die seinerzeit (so lang ist's noch gar nicht her) im Appenzell das Frauenwahlrecht gegen den 'demokratischen' Abstimmungswillen der (männlichen) Appenzeller Bevölkerung durchsetzten ... pfui

     

    Versuch einfach mal Dir 'Demokratie' ohne Rechtsstaatlichkeit vorzustellen und überleg Dir, ob Du wirklich dort leben willst.

  • RS
    Ralf Sch.

    An "Dogmatiker" und "Hayek" (der name sagt ja eigentlich schon alles...)

     

     

    Es geht nicht darum dass missliebige Entscheidungen einkassiert wurden, sondern Entscheidungen die die Rechte von Minderheiten verletzen. Und Minderheitenrechte und Minderheitenschutz ist nunmal essentiell in einer Demokratie. Vielleicht mögen die Herren da eine andere Auffassung haben, also eher sowas wie eine Diktatur der Mehrheit. Aber genau davor schützt eben das Recht.

     

    Dass dieses Gesetz einkassiert wurde ist schlicht ein Fehler derjenigen die es zur Volksabstimmung gestellt haben. Hier wurden doch auch Gesetze der Bundesregierung im Nachhinein kassiert weil das Verfassungsgericht sie für verfassungswidrig erklärt hat. Was ist daran "absurd" Herr Hayek? Erst mal nachdenken hilf meistens...

     

    Und dann so tun "Dogmatiker" als seien es die achso liberalen Cliquen "der da oben"... was an diesen dumpfblöden Populismus einer Sarah Palin erinnert.

    Als ob in den USA eine schwulenfreundliche Atmosphäre herrschen würde?? Der Bericht sagt ja aus dass es gerade mal in 5 (von 50!) Bundesstaaten eine "Homoehe" gibt... und nichtmal in allen eine wirkliche vollkommene Gleichstellung.

    An Homogegner mangelts dort wohl kaum. Auch in der politischen Kaste. Und Lobbys haben nicht nur Schwule und Lesben, sondern Konservative auch... und zwar mächtige.

     

    Leute wie sie wirken dann immer putzig wenn sie - offenbar um sich eine schönere (schwulenfreie) Zukunft auszumalen - darauf Verweisen dass das Klima schwulenfeinlicher wird, wegen den Muslimen hierzulange, oder den katholischen Lateinamerikanern in Nordamerika.

     

    Also rosig siehts bestimmt nicht aus, aber die Rechte für Schwule und Lesben machen kleine aber konstante Fortschritte (siehe auch Portugal vor kurzem, und die sind erzkatholisch...Spanien auch) und in den USA steigt ja auch die Zahl der Bundesstaaten die es zulassen (sinken kann sie ja kaum)...

     

    Also schminken Sie sich ihre schönen Zukunftsaussichten ab. Toleranz und Freiheit werden sich durchsetzen..

     

    Was sie hier von sich geben erinnert an die Propagierung eines "gesunden Volksempfindens"...

  • U
    Unzeit-gemäß

    Endlich spricht es mal jemand aus: Die frömmelnden Gegner der Homoehe haben ein Rad ab!

     

    Zum Thema Demokratieverständnis: Wenn Demokratie heißt, dass die Mehrheit eine Minderheit von gleichen Rechten ausschließen darf, dann bin ich lieber Anti-Demokrat.

  • H
    Hayek

    Ich bin schon auch für die Homo-Ehe. Nur hat man in diesem Fall eine Volksabstimmung durchgeführt bei der es demokratisch zu einer anderen Entscheidung kam. Nun hinterher festzulegen, dass diese Abstimmung gar nicht zulässig gewesen sein soll, ist schon ziemlich absurd. So was muss man doch vorher abklären. Es kann nicht sein, dass man hinterher Abstimmungen wieder einkassiert, weil das Ergebnis nicht genehm ist.

     

    So weit lässt es die Politik bei uns erst gar nicht kommen. Es könnte ja die eine oder andere politisch inkorrekte Entscheidung dabei herauskommen.

  • D
    Dogmatiker

    Es sollte also auch bei uns keine Abstimmungen geben die nicht "rational" zu begründen sind, falls wir mal wirklich etwas demokratisch abstimmen dürften. Was "rational" ist oder nicht entscheidet dann wieder eine kleine Clique oder mächtige Lobbys. In solchen Demokratien ist es manchmal wesentlich "ratinaler" seine Ansichten mit Gewalt durchzusetzen. In Californien hat das Volk eine Abstimmung getätigt die nicht gefällt. Das kann passieren. Menschenrechte wurden nicht verletzt. Homosexuelle haben auch weiter die Möglichkeit besondere Rechte bezüglich ihres Partners zu nutzen (Auskunft im Krankenhaus etc.). Nach der verlorenen Abstimmung wurden Gegner der Homoehe bedroht, verloren ihre Jobs, bekamen Morddrohungen und es gab einen Mord. Wer so dumm ist zu glauben die Gegnseite würde nicht zu radikaleren Mitteln greifen wenn man es auch tut, dem ist nicht mehr zu helfen. Die Zahl der generellen Homogegner wächst aufgrund der lateinamerikanischen Zuwanderung in den USA noch viel stärker als bei uns durch die Ankunft von Muslimen. Wer heute den Kompromiss aufhebt, den kann die Kompromisslosigkeit auch in umgekehrter Form treffen.